„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth


„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ – ein Road-Musical nach dem gleichnamigen Film von Thomas Jahn und Til Schweiger (1997). Musik und Texte: Alex Geringas/Joachim Schlüter; Songtexte: Chris Silber; zusätzliche Songtexte: Mirco Vogelsang; Libretto: Chris Silber/Gil Mehmert; Regie: Gil Mehmert; Choreografie/Co-Regie: Simon Eichenberger; Bühne: Simone Baumberger; Kostüme: Kathrin Baumberger; Grafikzeichnungen: Fufu Frauenwahl; Dramaturgie: Matthias Heilmann; Musikalische Leitung: Jürgen Grimm. Darsteller: Dominik Hees (Martin Brest), Jonas Hein (Rudi Wurlitzer), Detlef Leistenschneider (Henk), Pedro Reichert (Abdul), Sidonie Smith (Frankie), Sabine Bönecker (Frau Brest, Martins Mutter/Ärztin), Dennis Henschel (Kommissar/Arzt), Christopher Dederichs (Assistent Keller/Pfleger), Thomas Hohler (Autohändler/Polizist/Arzt/Zimmermann auf der Walz), Livia Wrede (Bankfrau/Krankenschwester/Putzfrau/Go Go-Girl), Clara Mills-Karzel (Boutique-Besitzerin/Apothekerin/Go Go-Girl/Ärztin), Lauren Hearnden Mayer (Betreuerin/Polizistin/Go Go-Girl, Dance Captain), Ulrike Figgener (Reporterin/Go Go-Girl/Pflegerin). Band: Jürgen Grimm/Johannes Still (Keyboard), Andreas Blüml (Gitarre), Christoph Huber (Schlagzeug), Christoph Kilgenstein (Gitarre), Norbert Meyer-Venus (Bass), Norbert Nagel (Saxofon, Klarinette, Keyboard). Tryout Premiere: 29. Mai 2018, Häbse-Theater Basel; 21. Juni 2018, Folkwang Universität der Künste, Pina Bausch Theater, Essen. Uraufführung: 21. Oktober 2021, Stadttheater Fürth



„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“


Uraufführung am Stadttheater Fürth


Poster „Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“. Grafik: Fabian Widmer

Das deutsche Roadmovie „Knockin’ On Heaven’s Door“ von Thomas Jahn und Til Schweiger (1997) war mit über 3 Millionen Kinobesuchern der erfolgreichste deutsche Kinofilm im Jahr 1997, das „schrie“ 20 Jahre später geradezu nach einer Musicalfassung. Und so verfassten und komponierten Alex Geringas, Joachim Schlüter, Chris Silber und Gil Mehmert „Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n Road Musical“ und brachten es vor drei Jahren zusammen mit den Studierenden des Studiengangs Musical der Folkwang Universität der Künste und in Kooperation mit dem Häbse-Theater Basel unter der Regie von Gil Mehmert in einer ersten Tryout-Fassung auf die Bühne. Die Tryout-Premiere am Häbse-Theater Basel fand am 29. Mai 2018 statt, in Essen war das Stück vom 21. bis 27. Juni 2018 im Pina Bausch Theater der Folkwang Universität der Künste zu sehen. Als Tryout-Vorstellungen wurden in der „klassischen“ Zeit der Broadway-Shows öffentliche Vorstellungen außerhalb New Yorks bezeichnet, um aufgrund der Publikumsreaktionen Änderungen und Verbesserungen vorzunehmen, bevor die Produktion in das Theater am Broadway umzog, in dem die Premiere vorgesehen war. Am 21. Oktober 2021 feierte „Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth Uraufführung, Folgevorstellungen sind bis 30. Oktober 2021 disponiert.

„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth, Ensemble, Mitte: Pedro Reichert (Abdul) und Detlef Leistenschneider (Henk). Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth

Für Musik und Texte zeichnen Alexander Geringas und Joachim Schlüter verantwortlich, Christoph Silber hat Songtexte und gemeinsam mit Gil Mehmert das Libretto geschrieben, Gil Mehmert führt auch Regie. Alexander Geringas (* 1971 in Moskau) hat sich als Produzent, Komponist und Texter von diversen Top-Ten-Hits (No Angels: „Something about us“, Kelly Clarkson: „Dark Side“; Christina Stürmer: „Nie genug“ u. a.) und Filmmusiken („Hanni & Nanni“-Trilogie [2010, 2012, 2013], „Der fast perfekte Mann“ [2013], „Ich bin dann mal weg“ [2015] u. a.) etabliert, spielte aber auch als Schauspieler u. a. an den Hamburger Kammerspielen in „Der Mann ohne Vergangenheit“ unter der Regie von Gil Mehmert. Co-Komponist und Arrangeur Joachim Schlüter (* 1968 in Lüneburg) hat die Musik zu den Kinofilmen „Käpt’n Blaubär – Der Film“ (1999), der „Hanni & Nanni“-Trilogie (2010, 2012, 2013), „Der fast perfekte Mann“ (2013), „Ich bin dann mal weg“ (2015) u. a. geschrieben. Christoph Silber (* 1971 in Berlin) ist ein deutscher Autor, der in Los Angeles lebt und im Filmgeschäft als Drehbuchautor („Hanni & Nanni 2“ [2012], „Hanni & Nanni 3“ [2013], „Ich bin dann mal weg“ [2015], „Honigfrauen“ [2017] u. a.) und daneben auch als Produzent und Regisseur in Erscheinung getreten ist. Gil-Mehmert („Chicago“, Opernhaus Bonn [Premiere 29. August 2021]; „Evita“, Opernhaus Bonn [Premiere 4. September 2016], Saarländisches Staatstheater Saarbrücken [Premiere 9. Oktober 2021]; „Berlin Skandalös – Ein wilder Tanz durch die 20er Jahre“, Opernhaus Dortmund [Premiere 22. Oktober 2021]; „Once“, Kammerspiele Hamburg [Premiere 31. Oktober 2021]/Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau; „She loves me“, Theater und Konzerthaus Solingen [Premiere 24. November 2021]; „Lady Bess“, Theater St. Gallen [Premiere 19. Februar 2022]) dürfte augenblicklich zu den gefragtesten Musical-Regisseuren im deutschsprachigen Raum gehören. Als Buchautor hat er sich bereits bei „Das Wunder von Bern“ Theater an der Elbe, Hamburg, Uraufführung 23. November 2014) und „Goethe!“ (Bad Hersfelder Festspiele, Uraufführung 3. Juli 2021) einen Namen gemacht.

„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth, Jonas Hein (Rudi Wurlitzer, im Hintergrund), Ensemble, Dominik Hees (Martin Brest). Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth

Der Film „Knockin’ On Heaven’s Door“ handelt von der Freundschaft zwischen dem krebskranken Rudi Wurlitzer und dem Draufgänger Martin Brest, der an einem inoperablen Hirntumor leidet. Die beiden begegnen sich auf der Palliativstation eines Krankenhauses. Bei einer Flasche Tequila beschließen sie, dort auf keinen Fall ihren Lebensabend verbringen zu wollen. Als Martin erfährt, dass Rudi noch nie am Meer gewesen ist, ist schnell entschieden, dies zu ändern. Kurzerhand klauen sie aus der Tiefgarage des Krankenhauses einen Mercedes-Benz 230 SL „Pagode“ und machen sich auf den Weg. Dabei ahnen sie nichts von der einen Million Mark (der Film ist 1997 erschienen!), die der Gangster Frankie im Kofferraum des Wagens deponiert hat. Bald darauf sind ihnen nicht nur Frankies Handlanger Abdul und Henk auf den Fersen, sondern nach einem Überfall auch noch die Polizei. Trotz aller Hindernisse verlieren sie nie ihr Ziel aus den Augen: das Meer zu sehen, bevor sie sterben.

„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth, Jonas Hein (Rudi Wurlitzer) und Dominik Hees (Martin Brest). Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth

Regisseur Gil Mehmert hat die letzte Reise von Martin Brest und Rudi Wurlitzer wie bereits in der Tryout-Fassung tempo- und einfallsreich in Szene gesetzt, schließlich sind die beiden Todgeweihten auf der Flucht vor Frankies Handlangern Henk und Abdul sowie der Polizei. Bereits bei der Tryout-Produktion in Basel/Essen war aus der Filmfigur Frankie „Boy“ Beluga die weibliche Figur Frankie geworden und der Gangsterboss Curtiz kurzerhand gestorben. Daran hat sich auch bei der Uraufführung nichts geändert, außer dass der Zuschauer hier das Ableben von Curtiz bei einer Messerstecherei mitverfolgen kann. Simon Eichenberger („Jekyll & Hyde“, Opernhaus Dortmund, Regie Gil Mehmert; „Wahnsinn! Das Musical mit den Hits von Wolfgang Petry“, Theater am Marientor, Duisburg, Regie Gil Mehmert; „Das Wunder von Bern“, Theater an der Elbe, Hamburg, Regie Gil Mehmert) hat insbesondere mit Ulrike Figgener, Lauren Hearnden Mayer, Clara Mills-Karzel und Livia Wrede (Soulgirls/Go Go-Girls) schwungvolle Choreografien einstudiert, die von diesen ansprechend umgesetzt werden. Die Schwestern Kathrin und Simone Baumberger („Der Löwe, der nicht schreiben konnte“, Bernhard Theater, Zürich) arbeiten seit über 20 Jahren als Kostümdesignerin und Bühnenbildnerin in der Schweizer Theaterszene. Simone Baumberger hat für „Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ ein funktionales Bühnenbild geschaffen, das mit wenigen Kulissen und Requisiten auskommt. Ein dreh- und verschiebbares Holzpodest lässt sich je nach Szene in eine Bühne für Auftritte, den babyblauen Mercedes-Benz 230 SL „Pagode“ Cabriolet, den flamingorosafarben Cadillac Fleetwood und schließlich auch noch einen Krankenwagen verwandeln. Eine versfahrbare Brücke mit Treppenauf- und -abgängen auf beiden Seiten wird für weitere Auftritte genutzt. Außerdem wird ein an der Brücke angebrachter Vorhang in einigen Szenen als Projektionsfläche für zur Handlung passende (bewegte) Bilder genutzt (Grafikzeichnungen: Fufu Frauenwahl), die nicht nur bloße Staffage sind, sondern das Setting optimal vervollständigen. Kathrin Baumberger hat sich beim Kostümbild für einen zeitlosen Stilmix vom Schlabberlook bis zum vornehmen schwarzen Anzug entschieden, die vielen raschen Kostümwechsel dürften hier die eigentliche Herausforderung gewesen sein. Für den Mercedes-Benz „Pagode“ und den Cadillac Fleetwood versinnbildlichen die vier Soulgirls in babyblauen Overalls bzw. rosafarbenen Petticoats mithilfe ihrer Bewegungsabläufe anstelle der Räder die Autofahrten. Die sechsköpfige Band bringt Alex Geringas’ und Joachim Schlüters aktuelle Pop-Partitur einschließlich des Folk-Rock-Songs „Knockin’ On Heaven’s Door“ von Bob Dylan unter der Musikalischen Leitung von Jürgen Grimm druckvoll zu Gehör.

„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth, Dominik Hees (Martin Brest), Pedro Reichert (Abdul), Detlef Leistenschneider (Henk) und Jonas Hein (Rudi Wurlitzer). Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth

In der Filmvorlage spielten Til Schweiger und Jan Josef Liefers die beiden Todgeweihten Martin Brest und Rudi Wurlitzer, bei der Uraufführung der Musicaladaption haben Dominik Hees (Rum Tum Tugger in „Cats“, Ronacher, Wien; Mariolino in „Don Camillo & Peppone“, Pascha/Strelnikow in „Doktor Schiwago“, FreilichtSpiele Tecklenburg) und Folkwang Alumnus Jonas Hein (Pseudolus in „Die spinnen, die Römer!“, Theater Bielefeld; Jacob Grimm in „Jacob und Wilhelm – Weltenwandler“, Brüder Grimm Festspiele Hanau) als Rudi Wurlitzer diese Rollen übernommen. Dominik Hees dürfte dem ein oder anderen Zuschauer in Fürth noch als Henry in der deutschsprachigen Erstaufführung von „fast normal – next to normal“ in Erinnerung geblieben sein. Während Dominik Hees als Martin Brest die Diagnose der tödlichen Krankheit durch draufgängerischen Aktionismus zu überspielen versucht, aber durch überzeugend gespielte epileptische Anfälle fortlaufend an sein nahes Ende erinnert wird, ist Jonas Hein als Rudi Wurlitzer eher introvertiert und es bedarf zunächst der berauschenden Wirkung von Tequila, um ihn zu überreden, aus seinem Schneckenhaus herauszukommen und die Reise ans Meer anzutreten: „Im Himmel, da reden die über nichts anderes, als über das Meer.“ Aus Freundschaft zu Martin bedroht er aber schließlich eine bürokratische Apothekerin mit der Waffe aus dem Handschuhfach des gestohlenen Mercedes-Benz, damit diese das Medikament für Martin auch ohne Rezept herausrückt. Detlef Leistenschneider (Lottes Vater/Professor/Verleger in „Goethe!“, Bad Hersfelder Festspiele) und Pedro Reichert (Omar in „Disneys Aladdin – Das Musical“) bleiben als debiles Gangsterduo Henk, der Belgier, und Abdul, der Araber, zweifellos im Gedächtnis haften, kleine Unstimmigkeiten und Neidgebärden bestimmen ihren „Arbeitsalltag“. Da mag der ein oder andere Scherz nicht besonders geistreich sein, die Lacher des Publikums haben die beiden in jedem Fall auf ihrer Seite.

„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth, Pedro Reichert (Abdul), Sidonie Smith (Frankie) und Detlef Leistenschneider (Henk). Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth

Sidonie Smith (Velma Kelly in „Chicago“, Staatstheater Augsburg) lässt als knallharte, männermordende Betreiberin des Etablissements „True Love“ Frankie aka Franzi Neumann erst angesichts dessen, dass Martin und Rudi keine Angst vor dem Sterben haben, ihr weiches Herz unter der harten Schale durchblicken und „schenkt“ den beiden nicht nur ihr Leben, sondern erfüllt Rudi auch den Traum von der wahren Liebe. Mit ihren gefühlvollen Songs wie „True Love“ oder „Wo kann nur der Himmel sein“ weiß sie gesanglich vollends zu überzeugen. Thomas Hohler (Karl Wilhelm Jerusalem/Buchhändler in „Goethe!“, Bad Hersfelder Festspiele) weiß als Autohändler mit dem Song „Treat her like a lady“ gesanglich für sich einzunehmen und symbolisiert als Zimmermann auf der Walz den personifizierten Tod, der die beiden Todgeweihten begleitet. Die Figur soll gleichzeitig eine Anspielung auf Bob Dylan (*1941 in Duluth, Minnesota) sein, der mit bürgerlichem Namen Robert Allen Zimmerman heißt. Schließlich sollen Dennis Henschel und Christopher Dederichs als Kommissar Schneider und Assistent Keller sowie Sabine Bönecker als Martins pflegebedürftige Mutter nicht unerwähnt bleiben.

„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth, Ensemble, Mitte: Dominik Hees (Martin Brest) und Sabine Bönecker (Frau Brest, Martins Mutter). Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth

Am Ende der gut zweieinhalbstündigen Premiere wurden alle Darsteller, Musiker und Kreativen mit langanhaltendem Stehapplaus für die gezeigten Leistungen belohnt. „Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ ist noch bis 24. Oktober 2021 und vom 26. bis 30. Oktober 2021 jeweils um 19.30 Uhr – samstags und sonntags zusätzlich um 15 Uhr – am Stadttheater Fürth zu sehen. Das Haus hat nach „fast normal – next to normal“ (Premiere 11. Oktober 2013) und „Swing Street“ (Premiere 16. Oktober 2020) erneut eindrucksvoll bewiesen, dass auch das Genre Musical dort bestens aufgehoben ist.

„Knockin’ On Heaven’s Door – Das Rock’n’Road Musical“ am Stadttheater Fürth, Dominik Hees (Martin Brest), Jonas Hein (Rudi Wurlitzer) und Sidonie Smith (Frankie). Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth

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