„Jekyll & Hyde“ – nach der Novelle „Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde“ von Robert Louis Stevenson (1886); Musik: Frank Wildhorn; Liedtexte: Frank Wildhorn, Leslie Bricusse, Steve Cuden; Buch: Leslie Bricusse; Deutsche Fassung: Susanne Dengler und Eberhard Storz; Inszenierung: Gil Mehmert; Choreografie: Simon Eichenberger; Bühne: Jens Kilian; Kostüme: Falk Bauer; Licht: Ralph Jürgens; Video: Laura Urbach; Dramaturgie: Laura Knoll; Musikalische Leitung: Philipp Armbruster/
„Jekyll & Hyde“
Die Schauernovelle als Musical am Opernhaus Dortmund
Zu den bekanntesten Werken des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson (* 13. November 1850 in Edinburgh, † 3. Dezember 1894 in Vailima, Samoa) zählen „Treasure Island“ („Die Schatzinsel“) und „Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde“ („Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“), letzteres beruht auf dem authentischen Fall des Kunsttischlers und Stadtrates William Brodie (* 28. September 1741, † 1. Oktober 1788) aus Edinburgh, der nachts Einbrüche begangen hat. Die Novelle wurde hundertfach für die Bühne adaptiert und verfilmt, Frank Wildhorn und Steve Cuden bearbeiteten die Schauernovelle für die Musicalbühne, 1986 erschien das erste Demoalbum mit 10 Songs, eingesungen von Chuck Wagner (Henry Jekyll/
Opernhaus Dortmund
Der junge Arzt und Wissenschaftler Dr. Henry Jekyll hat ein Elixier entwickelt, mit dem er das Gute vom Bösen im Menschen trennen möchte. Er bittet den Vorstand des Krankenhauses, die Wirksamkeit seines Elixiers an einem Patienten beweisen zu können, stößt dort aber nur auf Unverständnis und Ablehnung. Nachdem er die Verlobung mit Lisa Carew in der feinen Londoner Gesellschaft gefeiert hat, streift er frustriert mit seinem Freund Gabriel John Utterson durch Londons dunkle Gassen und entscheidet sich leichtsinnigerweise, seinen Kummer in einem Pub zu ertränken, wo er die Prostituierte Lucy Harris kennenlernt. In seinem Labor entschließt sich Henry Jekyll zum Selbstversuch – mit fatalen Folgen: Der sanfte, zivilisierte Henry Jekyll verwandelt sich in das hemmungslos aggressive Monster Edward Hyde, das in die „Rote Ratte“ zurückkehrt und gegenüber Lucy gewalttätig wird. Unerwartet erhält Henry Jekyll Besuch von Lucy Harris, die in der „Roten Ratte“ von einem Kunden schwer verletzt wurde, und behandelt ihre Wunden. Lucy verliebt sich unaufhaltsam in den Arzt, ohne zu ahnen, dass sein Alter Ego Edward Hyde für ihre Verletzungen verantwortlich ist. Amoklaufend tötet Edward Hyde aus Rache für ihre Ablehnung fünf Mitglieder des Krankenhausvorstandes. Über seinen Freund John Utterson lässt Henry Jekyll Lucy einen Brief mit der Bitte zukommen, London sofort zu verlassen und mit dem beigefügten Geld woanders ein neues Leben zu beginnen. Als Edward Hyde das nächste Mal bei Lucy auftaucht, verspottet er sie wegen ihrer Beziehung zu Henry Jekyll und erdrosselt sie. Bei der Hochzeit von Henry Jekyll und Lisa Carew gewinnt Edward Hyde erneut die Oberhand und droht, Lisa umzubringen…
„Jekyll & Hyde“, Theater Dortmund, David Jakobs (Henry Jekyll), Ensemble. © Björn Hickmann, Stage Picture
Regisseur Gil Mehmert („Wüstenblume“, Theater St. Gallen; „Elisabeth“, Schloss Schönbrunn; „Catch me if you can“, Staatstheater Darmstadt und Staatstheater Nürnberg; „Cabaret“, Volksoper Wien und Bad Hersfelder Festspiele; „Hair“, Bad Hersfelder Festspiele und Staatstheater am Gärtnerplatz, München; „Das Wunder von Bern“, Theater an der Elbe, Hamburg) hat nach permanent ausverkauften Vorstellungen der „West Side Story“ in der vergangenen Spielzeit Frank Wildhorns mit 1.543 regulären Vorstellungen am Broadway womöglich erfolgreichstes Musical in Dortmund in Szene gesetzt, wobei er die Handlung in London im Viktorianischen Zeitalter belässt. Bühnen- und Kostümbildner Jens Kilian („Hair“, Bad Hersfelder Festspiele und Staatstheater am Gärtnerplatz, München; „Catch me if you can“, Staatstheater Darmstadt und Staatstheater Nürnberg; „West Side Story“, DomplatzOpenAir, Magdeburg und Theater Dortmund) hat hierfür ein aufwendiges Bühnenbild geschaffen: Die wechselnden Spielorte sind jeweils auf der dreigeteilten Drehbühne zu sehen, Henry Jekylls Labor befindet sich auf der Unterbühne und wird mit einem Hubpodium in den entsprechenden Szenen auf Bühnenniveau angehoben. So gelingen alle Szenenwechsel im Handumdrehen und Umbauten können – für den Zuschauer nicht sichtbar – ohne Unterbrechung im Hintergrund stattfinden. Die opulente Ausstattung aller Spielorte ist wirklich sehenswert und liebevoll bis ins kleinste Detail. Kostümdesigner Falk Bauer („Cabaret“, Volksoper Wien und Bad Hersfelder Festspiele; „Catch me if you can“, Staatstheater Darmstadt und Staatstheater Nürnberg; „West Side Story“, DomplatzOpenAir, Magdeburg und Theater Dortmund) zeichnet für die adäquat zur viktorianischen Epoche zeitgemäßen Kostüme verantwortlich: Die Damen der feinen Londoner Gesellschaft tragen aus Duchesse gefertigte Kleider mit Cul de Paris, die Ringelstrümpfe der Damen aus dem horizontalen Gewerbe dürften dagegen reiner Phantasie entsprungen sein. Choreograf Simon Eichenberger („Wahnsinn! Das Musical mit den Hits von Wolfgang Petry“; „Das Wunder von Bern“, Theater an der Elbe, Hamburg) zeichnet für die grandiosen Choreografien insbesondere in den Szenen im Rotlicht-Milieu verantwortlich, der Leiter der Beleuchtungsabteilung am Opernhaus Dortmund Ralph Jürgens unterstützt mit seinem ansprechenden Lichtdesign die schaurige Atmosphäre in Londons dunklen Gassen. Die Dortmunder Philharmoniker bringen unter der versierten Musikalischen Leitung des Zweiten Kapellmeisters an der Oper Dortmund Philipp Armbruster Frank Wildhorns Partitur mit einer Vielzahl musikalischer Highlights wie dem Duett „Nimm mich wie ich bin“, Lucys Songs „Jemand wie Du“ und „Ein neues Leben“, Lisas „Da war einst ein Traum“ und natürlich Henry Jekylls großartigem „Dies ist die Stunde“ beeindruckend zu Gehör, mit 32 Musiker*innen ist das Orchester sogar größer als am Broadway.
„Jekyll & Hyde“, Theater Dortmund, David Jakobs (Edward Hyde), Ensemble. © Björn Hickmann, Stage Picture
Folkwang Alumnus David Jakobs (Luigi Lucheni in „Elisabeth“, Schloss Schönbrunn; Frank Abagnale Jr. in „Catch me if you can“, Staatstheater Darmstadt und Staatstheater Nürnberg; Quasimodo in „Der Glöckner von Notre Dame“, diverse Spielorte) dürfte als Rock-Tenor für die Besetzung der zwiegespaltenen Persönlichkeit als Henry Jekyll/
„Jekyll & Hyde“, Theater Dortmund, Bettina Mönch (Lucy Harris) und David Jakobs (Edward Hyde). © Björn Hickmann, Stage Picture
Bass-Bariton Morgan Moody aus dem Dortmunder Opernensemble unternimmt einmal mehr einen erfolgreichen Ausflug in die Musicalsparte. Als Anwalt Gabriel John Utterson, Henry Jekylls loyaler Freund und Bewunderer, ist er stets auf seiner Seite und überzeugt mit kraftvoller und klarer Stimme. Tom Zahner (Max von Mayerling in „Sunset Boulevard“, Oper Bonn und Stadttheater Bielefeld) nimmt als Sir Danvers Carew, Lisas Vater und Vorstandsvorsitzender des Krankenhauses, als einziger eine liberalere Haltung ein. Als gestrenge Mitglieder des Krankenhausvorstandes sind in Dortmund Georg Kirketerp (Lord Savage), Mario Ahlborn (Bischof von Basingstoke), Johanna Schoppa (Lady Beaconsfield), Thomas Günzler (Sir Archibald Proops) und Johannes Knecht (General Lord Glossop) zu erleben. Sehr blass geschminkt und anfangs unscheinbar und blutleer in historischen Unterkleidern, werden erst in Kleidung gehüllt gewichtige Persönlichkeiten aus ihnen. Sich an ihnen rächend, werden sie später von Edward Hyde auf die ein oder andere perfide Art und Weise um die Ecke gebracht, jedoch längst nicht so spektakulär wie in früheren Produktionen, in denen beispielsweise der Bischof von Basingstoke Opfer von Flammen geworden ist. Florian Sigmund (Simon Stride, Sekretär des Krankenhausvorstandes/
Nach etwa zweidreiviertelstündiger Vorstellung feierte das Premierenpublikum Darsteller*innen, Musiker*innen und Kreative mit begeistertem, langanhaltendem Stehapplaus, der selbst dann nicht enden wollte, als bereits das Licht im Auditorium eingeschaltet wurde. Folgevorstellungen von „Jekyll & Hyde“ sind am Theater Dortmund bis 2. Februar 2020 disponiert.
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