„Die spinnen, die Römer!“


„Die spinnen, die Römer!“ – nach Motiven aus den Komödien „Miles Gloriosus“, „Pseudolos“ und „Mostellaria“ von Titus Maccius Plautus; Musik, Liedtexte: Stephen Sondheim; Buch: Burt Shevelove, Larry Gelbart; Deutsche Fassung: Roman Hinze; Inszenierung: Klaus Christian Schreiber; Choreografie: Dominik Büttner; Bühne, Kostüme: Julia Hattstein; Puppenbau; Eike Schmidt; Dramaturgie: Jón Philipp von Linden; Musikalische Leitung: William Ward Murta. Darsteller: Jonas Hein (Pseudolus, Sklave des Hero/Prologus), Dirk Audehm (Senex, Bürger von Rom), Cornelie Isenbürger (Domina, Gattin des Senex), Merlin Fagel (Hero, deren Sohn), Laura Luise Schreiber (Philia, eine Jungfrau), Carlos Horacio Rivas (Hysterium, Sklave von Senex und Domina), Lorin Wey (Marcus Lycus, ein Kurtisanenhändler), Frank Wöhrmann (Miles Gloriosus, ein großer Hauptmann; Dance Captain), Lutz Laible (Erronius, ein alter Mann), Eike Schmidt (Der Chor [dreiköpfig]), Kurtisanen im Hause Lycus: Daria Mari (Tintinabula), Ida Groß (Panacea), Agneta Jaunich (Geminae), Laura Lehmann (Vibrata), Orsolya Ercsényi (Gymnasia), Mãdãlina Sandu (Romina). Uraufführung: 8. Mai 1962, Alvin Theatre, New York City. West End Premiere: 3. Oktober 1963, Strand Theatre, London, UK. Deutschsprachige Erstaufführung: 24. Februar 1972, Theater im Reichskabarett, Berlin. Premiere: 30. August 2020, Stadttheater Bielefeld.



„Die spinnen, die Römer!“


Die Musical Comedy am Stadttheater Bielefeld


„A Funny Thing Happened on the Way to the Forum“ war die erste Musicalproduktion, zu der Stephen Sondheim sowohl die Musik als auch die Gesangstexte schrieb. Die am 8. Mai 1962 am Broadway uraufgeführte Farce basiert auf Motiven des römischen Komödiendichters Titus Maccius Plautus, wurde 1963 mit sechs Tony Awards ausgezeichnet und mit 964 Vorstellungen am Broadway bis 29. August 1964 zum meistgespielten Werk Sondheims. Es wurde 1966 von Richard Lester mit Zero Mostel in der Rolle des Sklaven Pseudolus verfilmt, der Film kam in Deutschland unter dem Titel „Toll trieben es die alten Römer“ in die Kinos und wurde 1967 mit dem Academy Award („Oscar“) für die beste Musikadaption ausgezeichnet. Die deutsche Erstaufführung des Musicals fand am 24. Februar 1972 unter dem Titel „Auf, auf zum Forum“ am Theater im Reichskabarett in Berlin statt, und in Österreich wurde es erstmals am 2. Oktober 1987 unter dem Titel „Zuständ’ wie im alten Rom“ im Kabarett Simpl aufgeführt. In Bielefeld kommt erstmals die neue deutsche Fassung von Roman Hinze (2019) zur Aufführung.

„Die spinnen, die Römer!“, Stadttheater Bielefeld, Ensemble. © Sarah Jonek

Die Geschichte selbst spielt vor drei Häusern in der Straße zum Forum in Rom: Das erste gehört Erronius, einem verstörten alten Mann, der unterwegs auf der Suche nach seinen Kindern ist, die als Babies von Piraten entführt wurden. Das zweite ist das Haus von Marcus Lycus, der mit schönen Frauen handelt. Schließlich steht da noch das Haus von Senex, der hier mit seiner Frau Domina und seinem Sohn Hero wohnt. Außerdem leben dort noch die Sklaven Hysterium und Pseudolus. Eines Tages, als seine Eltern verreist sund und Hero mit den beiden Sklaven allein ist, gesteht er Pseudolus, dass er sich in Philia, eine der schönen Frauen aus Lycus’ Haus, verliebt hat. Pseudolus wittert seine Chance und verspricht Hero, ihn mit der Dame seines Herzens zusammen zu bringen, wenn dieser ihm dafür die Freiheit schenkt. Hero geht auf den Handel ein und schon sind beide auf dem Weg zu Lycus. Das Dumme ist nur: Philia ist bereits vertraglich dem Krieger Miles Gloriosus zugesprochen und wartet darauf, dass dieser nach Rom kommt und sie abholt. Mit viel List und Erfindungsreichtum stürzt Pseudolus von einer absurden Situation in die nächste: Unter dem Vorwand, Philia sei von einer ansteckenden Krankheit befallen, kann Pseudolus sie in Heros Haus fortlocken, wo dessen Vater Senex sie für seine neue Magd hält und ebenfalls Gefallen an ihr findet. Dadurch bekommt er natürlich zwangsläufig Probleme mit seiner Frau Domina. Als der heimkehrende Miles Gloriosus seinen Anspruch auf Philia einfordert, täuscht Pseudolus deren Tod vor und gibt seinen Freund Hysterium in Verkleidung als deren Leiche aus. Der Hauptmann lässt daraufhin eine große Totenfeier inszenieren und möchte die Leiche verbrennen lassen…

„Die spinnen, die Römer!“, Stadttheater Bielefeld, Eike Schmidt (Der Chor [dreiköpfig]) und Cornelie Isenbürger (Domina). © Sarah Jonek

Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind nach der Coronaschutzverordnung des Landes NRW in der ab dem 12. August 2020 gültigen Fassung bei Aufführungen in Theatern und Opernhäusern geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen Personen, die nicht zu den in § 1 Absatz 2 genannten Gruppen gehören, und gegebenenfalls zur Umsetzung einer Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung sicherzustellen. Wenn die Teilnehmer auf festen Plätzen sitzen, kann durch die Sicherstellung der besonderen Rückverfolgbarkeit für die Sitzplätze auf den Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den genannten Personen verzichtet werden. Bei Konzerte und Aufführungen mit weniger als 300 Zuschauern ist nicht einmal ein besonderes Hygiene- und Infektionsschutzkonzept erforderlich. Die detaillierte Umsetzung der CoronaSchVO wird durch Verfügungen der jeweiligen Kommunen geregelt, woraus ein entsprechendes Konzept für die Bühnen und Orchester der Stadt Bielefeld entwickelt wurde, das für das Sitzplatzangebot im Stadttheater eine Reduzierung von 639 Sitzplätzen (lt. Saalplan) auf etwa 220 Sitzplätze vorsieht. Es wird nur jede zweite Reihe im Auditorium genutzt und zwischen den nach § 1 Absatz 2 der CoronaSchVO zulässigen Gruppen ist jeweils ein Sitzplatz unbesetzt. Wem das Restrisiko zu groß ist, das Tragen von FFP2- oder FFP3-Atemschutzmasken bleibt den Theaterbesuchern natürlich unbenommen. Im gesamten Gebäude muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, der erst am Sitzplatz bei Beginn der Vorstellung abgenommen werden darf und beim Verlassen des Sitzplatzes wieder anzulegen ist.

„Die spinnen, die Römer!“, Stadttheater Bielefeld, Dirk Audehm (Senex). © Sarah Jonek

Klaus Christian Schreiber (Jägerbursche Robert in „The Black Rider: The Casting of the Magic Bullets“, Thalia Theater, Hamburg, Regie Robert Wilson, Uraufführung 31. März 1990) hat „Die spinnen, die Römer!“ am Stadttheater Bielefeld mit einer ausgeklügelten Personenführung auf den geforderten Mindestabstand von 1,5 Metern inszeniert und kann damit auf alternative Schutzmaßnahmen wie Schutzmasken, Mund-Nase-Bedeckungen oder flüssigkeitsundurchlässige Visiere verzichten. Gleiches gilt für die von Dominik Büttner einstudierten Choreografien, die die Spielfläche weiträumig nutzen und bei denen nie alle 16 Ensemblemitglieder gleichzeitig die Bühne bevölkern. Der Abend steht unter dem Motto „Heute wird gelacht“ und bedient alle nur erdenklichen Klischees im antiken Rom, indem (nicht nur) das Patriarchat genüsslich durch den Kakao gezogen wird. Gespielt wird im Einheitsbühnenbild von Bühnen- und Kostümbildnerin Julia Hattstein vor den drei stilisierten Häusern von Erronius, Marcus Lycus und Senex, das durch das Lichtdesign von Johannes Paul Volk stimmig akzentuiert wird. Die Drehtür in Senex’ Haus ermöglicht als Auf- und Abtrittsmöglichkeit den reibungslosen Ablauf der turbulenten Farce wie bei einem Uhrwerk. Die ebenfalls von Julia Hattstein entworfenen historisierenden Kostüme charakterisieren die Akteure ausgezeichnet. Musical-Kapellmeister William Ward Murta hat Stephen Sondheims swingbetonte Partitur für die zehn Musiker im Orchestergraben neu arrangiert; das mag dem ein oder anderen womöglich nicht so fulminant erscheinen wie vom Verlag Music Theatre International vorgesehen, aber es sind immerhin schon doppelt so viele Musiker wie ursprünglich im Arbeitsschutzkonzept für die Bühnen und Orchester der Stadt Bielefeld vorgesehen und mehr als im Orchestergraben mancher kommerzieller Veranstalter vor der COVID-19-Pandemie. In diesen Zeiten kommt man ohne Kompromisse nicht sehr weit, und ich kann versichern, wie gut es sich anhört, überhaupt endlich wieder Livemusik aus einem Orchestergraben zu hören.

„Die spinnen, die Römer!“, Stadttheater Bielefeld, Laura Luise Schreiber (Philia). © Sarah Jonek

Folkwang-Alumnus Jonas Hein (Max Garber in „Otello darf nicht platzen! – Das Musical“, Regie Thomas Winter, Premiere 1. September 2019, Stadttheater Bielefeld; Jacob Grimm in „Jacob und Wilhelm – Weltenwandler“„Jacob und Wilhelm – Weltenwandler“, Regie Jan Radermacher, Uraufführung 10. Mai 2019, Brüder Grimm Festspiele Hanau) führt als Prologus/Heros Sklave Pseudolus das Ensemble an, seine eingängige Eröffnungsnummer „Heute wird gelacht“/„Comedy Tonight“ bleibt im Ohr. Dirk Audehm und Cornelie Isenbürger sind als römischer Bürger Senex und seine herrische Frau Domina zu sehen, die ihrem Rollennamen alle Ehre macht. Laura Luise Schreiber gibt als kretische Jungfrau Philia das schöne blonde Dummchen, in das sich Folkwang-Alumnus Merlin Fargel (George Berger in „Hair – The American Tribal Love Rock Musical“, Regie Gil Mehmert, Wiederaufnahme 16. August 2019, Stiftsruine, Bad Hersfeld) als Senex’ nicht weniger naiver Sohn Hero verliebt hat. Carlos Horacio Rivas sorgt als Chefsklave Hysterium in Senex’ Haus – von Pseudolus angestiftet – ebenfalls für Turbulenzen, die ihren Höhepunkt erreichen, als er als vermeintlich tote Jungfrau Philia vor Miles Gloriosus flieht, der die verstorbene Braut ein letztes Mal küssen will, wodurch er eine chaotische Verfolgungsjagd auslöst. Folkwang-Alumnus Frank Wöhrmann (Bill Calhoun/Lucentio in „Kiss me, Kate“, Regie Martin Duncan, Premiere 15. September 2018, Theater Bonn) verleiht dem eitlen, prahlerischen Soldaten Gestalt, der Pseudolus’ Fakenews um die angebliche Seuche auf Kreta entlarvt. Lutz Laible taucht als alter Mann Erronius als Running Gag immer wieder auf, wenn er eine weitere Runde um die sieben Hügel Roms gewandert ist, um einen von Pseudolus erfundenen Fluch zu brechen, der angeblich auf seinem Haus lastet. Lorin Wey steht den Irrungen des Erronius als Kurtisanenhändler Marcus Lycus in nichts nach. Figurenspieler Eike Schmidt ist als dreiköpfiger Chor in verschiedenen Rollen (Sklaven, Bürger, Eunuchen, Soldaten) zu sehen, Klappmaulfiguren brauchen zu ihrem Figurenspieler und untereinander schließlich keinen Mindestabstand einhalten. Die Mitglieder von E-Motion Daria Mari (Tintinabula), Ida Groß (Panacea), Agneta Jaunich (Geminae) und Laura Lehmann (Vibrata) sowie Altistin Orsolya Ercsényi (Gymnasia) und Sopranistin Mãdãlina Sandu (Romina) aus dem Bielefelder Opernchor komplettieren das Ensemble.

„Die spinnen, die Römer!“, Stadttheater Bielefeld, Jonas Hein (Pseudolus) und Laura Luise Schreiber (Philia). © Sarah Jonek

Am Ende der 110-minütigen Vorstellung – es wird ohne Pause gespielt – gab es verdient langanhaltenden Applaus für alle Akteure. In diesem Zusammenhang sind mir einige wenige Zuschauer negativ aufgefallen, die bereits während der Vorstellung nach jedem Song ihre Aerosole im Auditorium verteilt haben und beim Schlussapplaus nochmals der Meinung waren, durch lautstarkes Rufen für Stimmung sorgen zu wollen. Ich empfand solches Verhalten bereits vor der COVID-19-Pandemie als eher unangenehm, nun ist es aber sogar gefährlich und kann im schlimmsten Fall tödlich enden, wenn dadurch Menschen infiziert werden und an den Folgen der Krankheit sterben. Man kann seiner Begeisterung sicherlich auch im Hinblick auf die Infektionsgefahr anderweitig Ausdruck verleihen und auf andere Theaterbesucher Rücksicht nehmen. Der Großteil der Theaterbesucher hält sich an die Regeln, daher sollte sich auch niemand von der geschilderten Ausnahme vom Theaterbesuch abhalten lassen. Es wird von Seiten des Theaters großer Wert auf die Minimierung des Infektionsrisikos gelegt. Folgevorstellungen von „Die spinnen, die Römer!“ sind augenblicklich bis 31. Oktober 2020 im Verkauf, die nächsten Vorstellungen stehen am Sonntag, 6. September, Dienstag, 8. September (Sparkassen-Tag) und Sonntag, 13. September auf dem Spielplan.

„Die spinnen, die Römer!“, Stadttheater Bielefeld, Merlin Fagel (Hero) und Jonas Hein (Pseudolus). © Sarah Jonek

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