„And the world goes ’round“

Konzert in der Krypta der Stiftsruine Bad Hersfeld

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden die Bad Hersfelder Festspiele 2020 Mitte April diesen Jahres abgesagt. Da Kulturveranstaltungen unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregelung der jeweils gültigen Corona-Schutzverordnung wieder stattfinden dürfen, wurde das Festival „Bad Hersfeld – Stadt der Geschichten“ unter dem Motto „Ein anderer Sommer“ organisiert, das an fünf Wochenenden im Juli und August 2020 mit rund 100 Veranstaltungen Konzerte, Schauspiel, Kabarett, Lesungen, Malaktionen, Gastspiele, Talkrunden, Ausstellungen, Nachtschichten und Liederabende bietet. Während ursprünglich die Uraufführung von „Goethe! – Das Musical“ von Martin Lingnau (Musik), Frank Ramond (Liedtexte) und Gil Mehmert (Buch) in einer Inszenierung von Gil Mehmert mit Sabrina Weckerlin (Lotte Buff) und Philipp Büttner (Johann Wolfgang Goethe) vorgesehen war, hatte man sich im Rahmen des „anderen Sommers“ auf das Kammermusical „Die letzten fünf Jahre“ in einer Inszenierung von Gil Mehmert in der Stiftsruine und das Konzert „And the world goes ’round“ mit Bettina Mönch (Gesang) und Gil Mehmert (Gitarre) in der Krypta der Stiftruine am zweiten Festivalwochenende verständigt. Die Krypta im Ostchor ist normalerweise durch die Bühne überbaut und für Besucher der Bad Hersfelder Festspiele gar nicht einsehbar, außerhalb der Festspielzeit müssen die Bühneneinbauten und die Zuschauertribüne allerdings abgebaut werden und die Stiftsruine kann dann besichtigt werden.

Rathaus Bad Hersfeld

Für 29.59 Uhr am 25. Juli 2020 terminiert, konnte das Konzert allerdings erst am Sonntag kurz nach Mitternacht („Mitternacht – unerwartete Entwicklung… Ich vergaß, das Licht zu löschen.“) beginnen, da zuvor die Besucher der vorherigen Veranstaltung „Zu den Sternen“ die Stiftsruine verlassen mussten und erst danach der Einlass für das Konzert beginnen konnte. Bereits beim Einlass in die Stiftsruine ist mir unangenehm aufgefallen, dass die Abstandsmarkierungen in den Wartezonen scheinbar nur für Dumme gelten, wer bei freier Platzwahl gute Plätze ergattern möchte, setzt wie eh und je seine Ellenbogen ein und prescht an den vorn wartenden Besuchern vorbei.

Katharinenturm

Eigentlich braucht man zur Person von Bettina Mönch („Songs for a new world“, Opernhaus Dortmund, Regie Gil Mehmert, Premiere 27. September 2020; Lucy in „Jekyll & Hyde“, Opernhaus Dortmund, Regie Gil Mehmert, Premiere 12. Oktober 2019, Wiederaufnahme 28. Februar 2021; Sally Bowles in „Cabaret“, Volksoper Wien, Regie Gil Mehmert, Wiederaufnahme 22. Oktober 2020, Opernhaus Dortmund, Regie Gil Mehmert, Premiere September 2021) und Gil Mehmert („Wüstenblume“, Theater St. Gallen, Uraufführung 22. Februar 2020, Wiederaufnahme 20. November 2020; „Songs for a new world“, Opernhaus Dortmund, Premiere 27. September 2020; „Jekyll & Hyde“, Opernhaus Dortmund, Premiere 12. Oktober 2019, Wiederaufnahme 28. Februar 2021; „Das Wunder von Bern“, Theater an der Elbe, Hamburg, Uraufführung: 23. November 2014) nicht viele Worte zu verlieren, sind doch beide in der Musicalszene seit langem etabliert und bestens bekannt.

Stiftsruine Bad Hersfeld, Apsis

Bettina Mönch hat am Konservatorium der Stadt Wien (seit November 2015 Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien) Musikalisches Unterhaltungstheater (Musical, Operette, Chanson) studiert und ihr Studium 2004 mit Auszeichnung abgeschlossen. Ihr erstes Engagement in einer Hauptrolle nach dem Studium erhielt sie 2004 als Amneris in „Aida“ von Elton John (Musik) und Michael Kunze (Text) am Colosseum Theater in Essen, später hat sie diese Rolle auch in der Tournee Produktion von Stage Entertainment verkörpert. Beim Bundeswettbewerb Gesang Berlin 2007 konnte sie sich vor der Folkwänglerin Dionne Wudu im Hauptwettbewerb Musical durchsetzen und gewann den ersten Preis des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Dionne Wudu gewann den zweiten Preis aus Mitteln der LOTTO-Stiftung Berlin.

Stiftsruine Bad Hersfeld, Querschiff

Gil Mehmert hat zunächst ein Musikstudium in Köln begonnen und absolvierte anschließend den Regiestudiengang bei August Everding an der Musikhochschule München. Bis 2003 war er u. a. als Regisseur und Hochschullehrer an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München tätig, im selben Jahr wurde er auf eine Professur an die Folkwang Universität der Künste in Essen berufen. Beim DomplatzOpenAir 2013 in Magdeburg hat Gil Mehmert Bettina Mönch zum ersten Mal in seiner Inszenierung von „Les Misérables“ (Premiere 21. Juni 2013) als Fantine besetzt. Seit 2018 sind Bettina Mönch und Gil Mehmert miteinander verheiratet.

Stiftsruine Bad Hersfeld, Westwerk und Glockenturm

Bettina Münch ist für das Konzert nochmals in einen Teil der Rollen geschlüpft, die sie auch schon im Rahmen ihrer Laufbahn als Musicaldarstellerin verkörpert hat. Wobei sie inzwischen so viele Partien gespielt hat, dass es sicher die doppelte Zeit gebraucht hätte, auch nur einen einzigen Song aus allen Produktionen zu präsentieren, in die sie involviert gewesen ist. Darüber hinaus gab es auch noch zwei Chansons und den 4 Non Blondes Song „What’s up“ aus deren Debütalbum „Bigger, Better, Faster, More!“ (1982) zu hören. Gekonnt hat sie die Anstrengungen des hinter ihr liegenden Probentages überspielt und den Songs dadurch noch eine besondere Note verliehen. Gil Mehmert hat das überschaubare Publikum in der Krypta beinahe familiär mit auflockernden Moderationen unterhalten und seine Frau virtuos an der Gitarre/Ukulele begleitet. So hat er u. a. von seinem Erlebnis als Straßenmusiker vor dem Centre national d’art et de culture Georges-Pompidou in Paris berichtet, bei dem er viele Silbermünzen von den Zuhörern in seinen Hut bekommen hat, aber nach einer Stunde feststellen musste, dass er lediglich den Gegenwert von etwa 15 Euro eingenommen hatte. Dennoch sah er zuversichtlich in seine Zukunft als Straßenmusiker zusammen mit Bettina Mönch.

„Ein anderer Sommer“, „And the world goes ’round“, Armin Kahl, Bettina Mönch und Gil Mehmert. Stiftsruine Bad Hersfeld, Krypta. Foto Steffen Sennewald. © Bad Hersfelder Festspiele

Bettina Mönch und Armin Kahl (Tick in „Priscilla – Queen of the Desert“, Theater St. Gallen, Regie Gil Mehmert, Premiere 23. Februar 2019; Dr. Fritz Hagedorn in „Drei Männer im Schnee“, Staatstheater am Gärtnerplatz, München, Regie Josef E. Köpplinger, Uraufführung 31. Januar 2019; Tick in „Priscilla – Königin der Wüste“, Staatstheater am Gärtnerplatz, München, Regie Gil Mehmert, Premiere 14. Dezember 2017; Benedikt Schack in „Schikaneder – Die turbulente Liebesgeschichte hinter der Zauberflöte“, Raimund Theater Wien, Regie Trevor Nunn, Uraufführung 30. September 2016) proben augenblicklich das Kammermusical „Die letzten fünf Jahre“ in einer Inszenierung von Gil Mehmert, das am 31. Juli 2020 in der Stiftsruine aus der Taufe gehoben wird, und so saß Armin Kahl als special guest im Publikum und interpretierte gemeinsam mit Bettina Mönch und Gil Mehmert zwar keinen Song aus „Die letzten fünf Jahre“, sondern die beiden Songs „Ich glaub, das schlägst Du nie“ aus „Shrek – Das Musical“ und „Always on my mind“ aus „Priscilla, Queen of the Desert“.

„Ein anderer Sommer“, Stiftsruine Bad Hersfeld, Krypta

Setlist des etwa 90-minütigen Konzerts

  • „Cabaret“ (Sally Bowles) aus „Cabaret“ von John Kander (Musik) und Fred Ebb (Text)
  • „Easy to be hard“ (Sheila) aus „Hair – The American Tribal Love Rock Musical“ von Galt MacDermot (Musik), Gerome Ragni und James Rado (Text)
  • „I don’t know how to love him“ (Mary Magdalene) aus „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Text)
  • „What’s up“ (4 Non Blondes Song) von Linda Perry
  • „Someone to watch over me“ (Polly Baker) aus „Crazy for you“ von George Gershwin (Musik) und Ira Gershwin (Text)
  • „Die Katze“, Chanson von Matthias Hass (Musik) und Frank Ramond (Text)
  • „Sex“, Chanson von Benedikt Eichhorn (Musik) und Thomas Pigor (Musik, Text)
  • „Bring on the men“ (Lucy) aus „Jekyll & Hyde“ von Frank Wildhorn
  • „Die Wahrheit“ (Amneris) aus „Aida“ von Elton John (Musik) und Michael Kunze (Text)
  • „Ich glaub, das schlägst Du nie“ aus „Shrek – Das Musical“ von Jeanine Tesori (Musik), Kevin Schroeder und Heiko Wohlgemuth (Text), Bettina Mönch (Prinzessin Fiona) im Duett mit Armin Kahl (Shrek)
  • „Always on my mind“ aus „Priscilla, Queen of the Desert“ von Wayne Carson, Mark James und Johnny Christopher, Armin Kahl (Tick) im Duett mit Bettina Mönch (Benjamin)
  • „I dreamed a dream“ (Fantine) aus „Les Misérables“ von Claude-Michel Schönberg (Musik) und Herbert Kretzmer (Text)
  • „Lament“ (Eva) aus „Evita“ von Andrew Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Text)
  • „But the world goes ’round“ aus „New York, New York“ von John Kander (Musik) und Fred Ebb (Text)

Stiftsruine Bad Hersfeld, Krypta

Langanhaltender Applaus belohnte die Künstler nach dem etwa 90-minütigen Konzert für ein einmaliges Erlebnis in der besonderen Atmosphäre der Krypta, die für dieses Event zweifellos den idealen Rahmen geboten hat.

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