70. Bad Hersfelder Festspiele ziehen erfolgreiche Bilanz

Der Zuschauerpreis 2021 geht an Philipp Büttner und Götz Schubert

Ein großartiges Ergebnis können die 70. Bad Hersfelder Festspiele vermelden, die gestern Abend mit der Abschluss-Gala „Lieder überm Regenbogen“ zu Ende gingen: Über 42.000 Menschen besuchten in der Zeit vom 1. Juli bis zum 8. August 2021 die Aufführungen der Festspiele, die Gesamtauslastung lag bei 94 Prozent (in die Bilanz wurde die Erhöhung der Kapazität um über 300 Plätze pro Aufführung in der Stiftsruine eingerechnet, die seit dem 23. Juli durch die neue Coronavirus-Schutzverordnung in Hessen möglich wurde.) Ursprünglich konnten die Festspiele nur mit 36.750 Karten in den Verkauf gehen, durch die Erhöhung der Sitzplatzkapazität standen nach dem 23. Juli rund 45.000 Plätze zur Verfügung. Vier Stücke wurden bei den Bad Hersfelder Festspielen gezeigt: Die europäische Erstaufführung des „Club der toten Dichter“, die Uraufführung des Musicals „Goethe!“, das Familienstück „Momo“ und die Komödie „Extrawurst“ in einer Tennishalle. „Ich wollte in dieser Krisenzeit bewusst Stücke präsentieren, die Mut machen, das hat sich ausgezahlt. Ich bin begeistert und sehr glücklich über diese Festspielbilanz“, sagt Intendant Joern Hinkel und betont, dass die Festspielplanung unter solch unsicheren Corona-Bedingungen ein Kraftakt und eine riesige Herausforderung für das gesamte Team gewesen sei. „Noch zwei Wochen vor unserem Premierenwochenende war nicht sicher, ob wir überhaupt würden spielen können. Dass wir heute auf ein solch erfolgreiches Ergebnis blicken können, verdanken wir der Geschlossenheit aller Beteiligten: der Stadtpolitik, dem gesamten Team, den Förderern, Sponsoren sowie den vielen ehrenamtlichen Helfern, die die Festspiele mit ganzer Kraft unterstützten. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Bad Hersfeld, festlich beleuchtete Stiftsruine

Corona-bedingt wurden während der Festspiele zwei Stücke weniger als üblich gezeigt, ebenso wurde die Festspieldauer um zwei Wochen verkürzt und der Festspieletat daher mit insgesamt sechs Millionen Euro im Vergleich zu 2019 um 1,5 Millionen Euro gekürzt.

Der Bundeszuschuss lag bei 670.000 Euro, der Landeszuschuss bei 770.000 Euro und der Zuschuss des Kreises Hersfeld-Rotenburg bei 200.000 Euro. „Dass unsere Förderer uns Zuschüsse in gleicher Höhe zusagten, ohne vorher zu wissen, was für Festspiele unter Corona-Bedingungen überhaupt möglich sein werden, ist ein außerordentlicher Vertrauensbeweis und das Signal, dass Kultur für eine Gesellschaft unverzichtbar ist“, betonen Festspielintendant Joern Hinkel und die kaufmännische Leiterin Andrea Jung. Sie freut sich neben der positiven Zuschauer-Bilanz auch darüber, „dass die Festspiele in diesem Jahr mehr jüngere Gäste anlocken konnten.“ Das bundesweite Medieninteresse sei riesig gewesen.

Um die Bundesnotbremse zu umgehen, hatten sich die Festspiele gemeinsam mit der Stadtpolitik ganz kurzfristig dazu entschlossen, den Eröffnungs-Termin vom 26. Juni auf den 1. Juli zu verschieben. Die richtige Entscheidung! Dazu Bürgermeister Thomas Fehling: „Die Anstrengungen der Festspiele wurden belohnt, die Menschen haben das kulturelle Angebot mit großer Freude, Dankbarkeit und Disziplin angenommen. Das freut mich sehr. Genauso positiv sind die Rückmeldungen zur Bad Hersfelder Politik: Sie hatte seinerzeit für den jetzigen Festspielerfolg mutig und geschlossen die finanziellen Voraussetzungen geschaffen.“

Die Eröffnung war Dank des prominent besetzten Festaktes trotzdem glanzvoll, auch wenn die Festspiele in diesem Sommer auf den Roten Teppich verzichten mussten. Der hessische Ministerpräsident und Schirmherr der Festspiele Volker Bouffier und die Bundesjustiz- und Familienministerin Christine Lambrecht machten in emotionalen Reden deutlich, wie lebensnotwendig Kultur für die Gesellschaft sei. Dies unterstrich auch die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn mit ihrem Besuch.

„Der Club der toten Dichter“, Bad Hersfelder Festspiele 2021, Götz Schubert (John Keating). © Bad Hersfelder Festspiele/S. Sennewald

Einen Bestwert erzielte das Eröffnungsstück „Der Club der toten Dichter“ mit Götz Schubert als Lehrer John Keating in der Hauptrolle, das am 1. Juli in der Stiftsruine seine europäische Erstaufführung feierte. Alle Plätze waren bereits vor der Premiere ausverkauft, rasend schnell gingen auch die jeweils 300 Plätze weg, die durch die Erhöhung der Sitzplatzkapazität ab 23. Juli zusätzlich angeboten werden konnten. Über 17.000 Menschen besuchten die 22 Aufführungen des „Club der toten Dichter“, was einer Auslastung von 100 Prozent entspricht. Joern Hinkel hat das Stück inszeniert und mit dem Dramaturgen Tilman Raabke die Textfassung für die Bad Hersfelder Festspiele geschrieben, nachdem er die Rechte für die europäische Erstaufführung für den Kino-Welterfolg von 1989 erhalten hatte und sich mit dem amerikanischen Drehbuchautor, dem Oscarpreisträger Tom Schulman, stetig austauschte. „In meiner Klasse werden Sie wieder lernen, für sich selbst zu denken! Sie werden lernen, Worte und Sprache zu genießen. Ganz gleich, was man Ihnen auch erzählt: Worte und Gedanken können die Welt verändern.“ Mit diesen Worten beschreibt der Lehrer John Keating in „Der Club der toten Dichter“ seine Art zu unterrichten und bringt einen Prozess in Gang, der alle verändert. Götz Schubert wurde für seine Darstellung als John Keating mit dem Großen Hersfeldpreis ausgezeichnet. Außerdem wurden im „Club der toten Dichter“ Hannes Hellmann, Thorsten Nindel, Till Timmermann, Nico Ramon Kleemann, Philipp Quell, Leonard Dick, Oscar Hoppe, Simon Stache, Manuel Nero, Stefan Reis, Steffen Recks, Nell Pietrzyk, Peter Englert, Eli Riccardi und Constanze Feulner vom Publikum gefeiert.

„Jung, wild und sexy“ – so wurde der Goethe wahrgenommen, den man in diesem Sommer erlebte. Am 3. Juli hatte die Uraufführung des Musicals „Goethe!“ von Gil Mehmert (Buch und Regie), Martin Lingnau (Musik) und Frank Ramond (Songtexte) seine von den meisten Kritikern und dem Publikum umjubelte Premiere. Über 15.000 Besucherinnen und Besucher erlebten das Musical „Goethe!“, was bei 24 Aufführungen einer Auslastung von 87 Prozent entspricht. ,„Dafür, dass wir ein bis dahin unbekanntes Musical auf die Bühne der Bad Hersfelder Festspiele gebracht haben, bin ich mit den Zuschauerzahlen sehr zufrieden“, meint Festspielintendant Hinkel. Leider habe hier die kurzfristige zusätzliche Mehrkapazität nicht so kraftvoll zu Buche geschlagen wie beim „Club der toten Dichter“. Joern Hinkel weiter: „Das Musical besuchen erfahrungsgemäß Fans aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Manche nehmen weite Anreisen auf sich. Da wir mit den ursprünglich kommunizierten 600 Sitzplätzen von „Goethe!“ und einer Auslastung von 95 Prozent nahezu ausverkauft waren, hat die plötzliche Aufstockung um 300 Plätze vermutlich nicht mehr jeden Musical-Gast von außerhalb so schnell erreicht.“

„GOETHE!“, Bad Hersfelder Festspiele 2021, Philipp Büttner (Johann Goethe) und Abla Alaoui (Lotte Buff)

Das Musical in Kooperation mit Stage Entertainment erzählt von Goethes Liebe zu Charlotte Buff und dem Beginn seiner Karriere. Auch hier eroberte das Ensemble schnell die Herzen der Zuschauer. Abla Alaoui und Philipp Büttner spielten, sangen und tanzten die Hauptrollen, weitere bekannte Musical-Darsteller wie Christof Messner, Thomas Hohler, Rob Pelzer, Karen Müller, Detlef Leistenschneider, Mischa Mang, Peter Knauder, Pascal Cremer, Florian Minnerop, Leon Petzold, Claudio Gottschalk-Schmitt, Jurriaan Bles, Inga Krischke, Eva Zamostny, Isabel Waltsgott, Claudia Artner, Marije Louise Maliepaard und Lina Gerlitz gehörten zum Ensemble. Es spielte das Orchester der Bad Hersfelder Festspiele unter der Leitung von Christoph Wohlleben.

„Momo“, Bad Hersfelder Festspiele 2021, Janina Stpper (Momo), Puppen: Meister Hora und Kassiopeia. © Bad Hersfelder Festspiele/S. Sennewald

Für kleine und große Festspielbesucher hat Intendant Joern Hinkel „Momo“ nach dem Roman von Michael Ende vom 2. bis 18. Juli auf den Spielplan gesetzt. Unter der Regie von Georg Büttel spielten Janina Stopper, Günter Alt, Sebastian Brummer, Nadine Germann, Otto Beckmann, Andreas Bittl, Thomas Pfertner, Veronika Hörmann, Anna Knott, Pia Kolb, Aki Tougiannidis, Kiara Brunken und die Band der Bad Hersfelder Festspiele unter der Leitung von Christoph Wohlleben für Zuschauer aus allen Altersgruppen. Ein großer Erfolg! 4.527 Personen kamen in die Stiftsruine, um Momos Kampf und Abenteuer um die gestohlene Zeit zu erleben, bei acht Aufführungen lag die Auslastung bei 94 Prozent.

Die moderne Komödie „Extrawurst“ (Regie: Bettina Wilts), die an einem ganz ungewöhnlichen Spielort gezeigt wurde, riss das Publikum jeden Abend zu wahren Lachsalven hin, die bei aller Komik aber auch manches Mal im Halse stecken blieben. Vom 4. Juli bis zum 1. August luden die Schauspieler Carsten Hentrich, Dirk Hoener, Parbet Chugh, Laura Puscheck und Johann Anzenberger zu einer Mitgliederversammlung eines Tennisclubs der ganz besonderen Art in die Bad Hersfelder Tennishalle auf der Unteraue ein. Der Vorstand des Vereins muss über die Anschaffung eines neuen Grills entscheiden. Eigentlich keine große Sache – bis Vorstandsmitglied Melanie Pfaff den Vorschlag macht, einen zweiten, eigenen Grill für Erol Oturan, das einzige türkische Mitglied des Clubs zu finanzieren… 2.785 Personen ließen sich bei einer Kapazität von 156 Plätzen die „Extrawurst“ in der Tennishalle schmecken, was bei 24 Aufführungen und insgesamt 3.744 Plätzen eine Auslastung von rund 74 Prozent ergibt. „Es hat etwas gedauert, bis sich herumgesprochen hatte, dass es noch ein Stück in der Tennishalle gibt. In den letzten zehn Tagen war das Stück jeden Tag ausverkauft“, analysiert Andrea Jung das Ergebnis.

Gut besucht war auch das Rahmenprogramm der Festspiele: Nachdem zu Beginn der langen Festspielgeschichte „Jedermann“ in der Stiftsruine gezeigt wurde, stand „Jedermann“ auch im Jubiläumsjahr auf dem Programm der 70. Bad Hersfelder Festspiele. Der „Jedermann“, den man in diesem Sommer sah, war allerdings ganz anders: Philipp Hochmair zeigte am 26. Juli in der Stiftsruine „Jedermann Reloaded!“ Begleitet von seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ hat er Hofmannsthals Stück als apokalyptisches Sprech-Konzert, getrieben von Gitarrenriffs und experimentellen Sounds der Band angesiedelt. Ein besonderes Erlebnis! „Der Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns wurde am 30. Juli vom Orchester der Bad Hersfelder Festspiele unter der Leitung von Christoph Wohlleben in der Stiftsruine als Familienkonzert aufgeführt, Hannes Hellmann las die Texte aus dem Kinderbuch von Michael Quast und Sybille Hein dazu.

Der Late-Night-Talk „Nachteulen“ mit Gastgeber Dominic Mäcke avanciert immer mehr zur Kultveranstaltung. Im kleinen Kreise um Mitternacht gestaltete er die Gespräche mit den Künstlern der Festspiele ganz persönlich, es wurde gesungen, improvisiert, rezitiert. Wegen des schlechten Wetters mussten alle vier Veranstaltungen der „Nachteulen“ von der Wiese im Park in die Stiftsruine verlegt werden. 80 eingefleischte Late-Night-Fans ließen sich pro Abend von den „Nachteulen“ faszinieren.

„Die Sicherheit des Publikums und des gesamten Teams hatte für uns oberste Priorität. Insgesamt wurden während der Proben- und Festspielzeit hinter den Kulissen über 6.000 Corona-Tests durchgeführt. Wir hatten keinen einzigen Corona-Fall unter den 300 Mitarbeitern“, erklärt Andrea Jung und fügt hinzu: „Ohne die vielen freiwilligen Helfer und das große Engagement des DRK, die die Festspiele bei der Umsetzung des Hygienekonzeptes unterstützten, wären die Festspiele nicht möglich gewesen. Dafür unseren herzlichsten Dank!“

Der andauernde Regen und die kalten Tage haben dazu geführt, dass nicht so viele Menschen wie sonst im Park rund um die Ruine flanierten. „Dass in den sechs Wochen kaum die Sonne schien, hat aber zum Glück der guten Stimmung bei den Besuchern in der Stiftsruine keinen Abbruch getan“, so die Festspielleitung.

„Lieder überm Regenbogen“, Bad Herfelder Fetspiele 2021, Florian Minnerop, Inga Krischke und Christof Messner. © Bad Hersfelder Festspiele/S. Sennewald

Die 70. Bad Hersfelder Festspiele endeten am 8. August 2021 mit der Abschluss-Gala „Lieder überm Regenbogen“ – moderiert vom Intendanten der Bad Hersfelder Festspiele, Joern Hinkel. Mit dabei waren u. a. Christof Messner, Inga Krischke, Florian Minnerop („Goethe!“), Simon Stache („Der Club der toten Dichter“) und als Gäste Bettina Mönch, die zuletzt in „Hair – The American Tribal Love Rock Musical“ als Sheila Franklin und in „Die letzten fünf Jahre“ als Cathy Hiatt in Bad Hersfeld auftrat, und David Arnsperger, den das Publikum in Bad Hersfeld aus „Titanic“ als Heizer Frederick Barrett kennt.

„Lieder überm Regenbogen“, Bad Herfelder Fetspiele 2021, Bettina Mönch. © Bad Hersfelder Festspiele/S. Sennewald

Im Rahmen der festlichen Abschlussgala wurde auch der diesjährige Zuschauerpreis an Philipp Büttner, der den jungen Johann Goethe im Musical „Goethe!“ gespielt hat, und Götz Schubert, der als kluger Lehrer John Keating in „Der Club der toten Dichter“ auftrat, verliehen. Die beiden Hauptdarsteller lagen in der Gunst der Zuschauer gleichauf.

Der begehrte Zuschauerpreis wurde in diesem Jahr zum 26. Mal vergeben. In den vielen Jahren seit 1995 haben erst einmal zwei Darsteller*innen den Preis gleichzeitig erhalten. Im Jahr 2009 bekamen ihn Leah Delos Santos und Christian Alexander Müller für ihre Rollen in der „West Side Story“. Bekannte Musicaldarsteller*innen, die mit dem Zuschauerpreis ausgezeichnet wurden, sind Pia Douwes (Sally Bowles in „Cabaret“, 1996), Olegg Vynnyk (Jean Valjean in „Les Misérables“, 2007), Jan Ammann (Henry Jekyll/Edward Hyde in „Jekyll & Hyde“, 2008), Leah Delos Santos und Christian Alexander Müller (Maria und Tony in der „West Side Story“, 2009), Michael Schanze (Tevje, der Milchmann in „Anatevka“, 2012), Sandy Mölling (Eliza Doolittle in „My faur Lady“, 2016) und Katharine Mehrling (Funny Brice in „Funny Girl“, 2019).

„Lieder überm Regenbogen“, Bad Herfelder Fetspiele 2021. © Bad Hersfelder Festspiele/S. Sennewald

Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten einen Silberring, den der Bad Hersfelder Goldschmied Matthias Laufer-Klitsch gemeinsam mit Volker Lechtenbrink entwickelt hat, der von 1995 bis 1997 Intendant der Bad Hersfelder Festspiele war. Die Ringe werden im Atelier des Juweliers von der Goldschmiedemeisterin Birgit Greß gefertigt. Er zeigt die Bögen der Stiftsruine, eine lachende und eine weinende Maske als Symbol für das Theater sowie die Schwurhand Karls des Großen (die sich einst als steinerne Skulptur über der unversehrten Stiftskirche befand) als Symbol für die (reichs-)klösterliche Vergangenheit der Spielstätte.
Bad Herfelder Fetspiele 2021, Feuerwerk. © Bad Hersfelder Festspiele/S. Sennewald

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