„Kiss me, Kate“ am Opernhaus Bonn

„Kiss me, Kate“ – in Anlehnung an William Shakespeares „The Taming of the Shrew“ („Der Widerspenstigen Zähmung“); Musik, Liedtexte: Cole Porter; Buch: Samuel und Bella Spewack; Regie: Martin Duncan; Choreografie: Nick Winston; Choreografie der Übernahme: Ste Clough; Bühne, Kostüme: Francis O´Connor; Licht: Boris Kahnert; Sounddesign: Stephan Mauel; Musikalische Leitung: Daniel Johannes Mayr. Darsteller: Oliver Arno (Fred Graham/Petruchio), Bettina Mönch (Lilli Vanessi/Katharina Minola), Kara Kemeny (Lois Lane/Bianca), Frank Wöhrmann (Bill Calhoun/Lucentio), Stefan Viering (Harry Trevor/Baptista Minola), Christian Specht (Ralph, Inspizient), Anjara I. Bartz (Hattie, Garderobiere), Eric Rentmeister (Paul, Garderobier), Michael Schanze (Erster Ganove), Hans-Jürgen Schatz (Zweiter Ganove), Daniel Berger (General Harrison Howell), Nico Stank (Gremio, erster Freier), Thiago Silveira Fayad (Hortensio, zweiter Freier), Josef Michael Linnek (Bühnenpförtner), Sven Bakin/Eduard Katz (Taxifahrer, Techniker, Hutmacher, Militärfahrer), Taras Ivaniv (First Male Solo), Eveline Gorter (Dance Captain), Grace Simmons, Martina Vinazza, Lukas Schwedeck. Uraufführung: 18. Dezember 1948, New Century Theatre, New York City. West End Premiere: 8. März 1951, Coliseum Theatre, London. Deutsche Erstaufführung: 19. November 1955, Städtische Bühnen, Frankfurt am Main. Premiere: 27. September 2015, Theater Dortmund; 15. September 2018, Theater Bonn.



„Kiss me, Kate“


Der Broadway-Klassiker am Opernhaus Bonn


Nachdem „Kiss me, Kate“ von Cole Porter (Musik, Lyrics) und Samuel und Bella Spewack (Buch) am 30. Dezember 1948 am Broadway am New Century Theatre uraufgeführt wurde, wurde es bei der dritten Tony Awards Verleihungszeremonie im darauffolgenden Jahr – bei der erstmals Musicals ausgezeichnet wurden – mit fünf der begehrten Auszeichnungen geehrt: „Best Musical“, „Best Autor (Musical)“ an Samuel und Bella Spewack, „Best Original Score“ an Cole Porter, „Best Costume Design“ an Lemuel Ayers und „Best Producer of a Musical“ an Saint Subber und Lemuel Ayers. Es wurde im Juli 1950 an das Shubert Theatre transferiert, am 28. Juli 1951 fiel nach insgesamt 1.077 Aufführungen der letzte Vorhang. Musicals, deren Originalproduktion im En-suite-Spielbetrieb mehr als 1.000 Aufführungen erreicht haben, waren in den 1950er-Jahren noch recht überschaubar. Am 19. November 1955 wurde das Musical im Frankfurter Börsensaal erstmals in Deutschland aufgeführt, und innerhalb nur weniger Monate kamen mehrere, höchst unterschiedliche Produktionen auf die deutschsprachigen Bühnen. In der Wiener Volksoper bevorzugte man eine neue Bearbeitung von Marcel Prawy (Premiere 14. Februar 1956), die sich aber gegenüber der Übersetzung des Berliner Kabarettisten Günter Neumann nicht durchsetzte. Die aktuelle Inszenierung von Martin Duncan basiert auf dem Broadway-Revival aus dem Jahr 1999 (Martin Beck Theatre, Premiere 18. November 1999, neue Orchestrierung von Don Sebesky), mit den deutschen Texten von Günter Neumann in einer Neufassung von Peter Lund. Die Songs werden mit Ausnahme von „Schlag nach bei Shakespeare“ („Brush up your Shakespeare“) in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln präsentiert, und lediglich die Dialoge auf Deutsch. Bei der Produktion handelt es sich um eine Kooperation mit der Oper Dortmund, die dort vor drei Jahren Premiere feierte.

„Kiss me, Kate“, Theater Bonn, Ensemble. © Thilo Beu

Während einer Aufführung einer musikalischen Version der Komödie über die Zähmung der widerspenstigen Katharina durch den Frauenhelden Petruccio in Baltimore fechten die Akteure um den Regisseur und Hauptdarsteller Fred Graham und dessen Ex-Frau Lilli Vanessi auch im privaten Leben ähnliche Zwistigkeiten hinter den Kulissen aus wie die Spielfiguren auf der Bühne. Es ist ein Spiel im Spiel, bei dem beide Handlungsstränge für den turbulenten Fortgang der Handlung sorgen. Während Fred Graham noch immer Gefühle für seine ehemalige Frau empfindet, flirtet er gleichzeitig mit Lois Lane, die die Rolle von Katherinas Schwester Bianca spielt. Deren Lebenspartner Bill Calhoun sorgt für einige Verwirrung, indem er beim Glücksspiel einen Schuldschein mit Fred Grahams Namen unterschreibt, woraufhin zwei Gangster die finanziellen Forderungen bei diesem einzutreiben versuchen. Fred wiederum hindert mithilfe der beiden Revolverhelden die eifersüchtige Lilli daran, die Show vorzeitig zu verlassen und dem Werben ihres Verlobten General Harrison Howell um ihre Gunst nachzugeben. Doch bevor sich Katherina auf der Bühne folgsam mit der weiblichen Gehorsamspflicht gegenüber dem Mann einverstanden erklärt, müssen erst etliche Missverständnisse und konfliktreiche Situationen geklärt werden. Bevor jemand angesichts der MeToo-Bewegung nach einer Aktualisierung schreit: Das Equal Rights Amendment, das Frauen in den Vereinigten Staaten gleiche Rechte zusichern soll, ist bis heute nicht von den notwendigen 38 Bundesstaaten ratifiziert.

„Kiss me, Kate“, Theater Bonn, Oliver Arno (Fred Graham) und Bettina Mönch (Lilli Vanessi). © Thilo Beu

Der Londoner Darsteller, Komponist und Regisseur Martin Duncan („Pinocchios Abenteuer“, Oper Bonn, Premiere 1. Dezember 2013, Regie Martin Duncan; „Moses – Die 10 Gebote“, Theater St. Gallen, Uraufführung 23. Februar 2013, Regie Martin Duncan) hat „Kiss me, Kate“ in Bonn zusammen mit dem englischen Choreografen Nick Winston und dem englischen Ausstatter Francis O’Connor eher klassisch konservativ inszeniert, die Rahmenhandlung ist im Jahr 1948 in Baltimore angesiedelt, wo im Ford’s Theatre die letzten Proben für die Musical-Adaption von William Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ laufen. Martin Duncan vertraut auf den hohen Unterhaltungswert der Choreografien zu „Tom, Dick or Harry“, „Too Darn Hot“, „Where is the Life That Late I Led?“ oder „Bianca“ von Nick Winston, womit es die Inszenierung allerdings am Ende auf drei Stunden Aufführungsdauer bringt. Francis O’Connor hat die rückwärtige Fassade des Ford’s Theatre zeitgemäß als altes Backsteingebäude mit Feuertreppen gestaltet, die perspektivische Verzerrung soll womöglich seine besondere Größe suggerieren. Das Mittelteil kann nach vorn herausgefahren werden und verwandelt sich durch Drehung um 180 Grad in die Künstlergarderoben von Fred Graham und Lilli Vanessi. Im Gegensatz dazu ist die Szene, wo „Der Widerspenstigen Zähmung“ spielt, als Phantasiewelt mit Türmen, Burgzinnen und quietschbunt (in Padua) bzw. schwarz-weiß (in Verona) karierten Mustern gestaltet. Das Beethoven Orchester Bonn unter der Musikalischen Leitung von Daniel Johannes Mayr bringt Cole Porters womöglich erfolgreichste Partitur ansprechend zu Gehör. Wäre der Musikalische Leiter kein Mann, Bettina Mönch zerbräche bei „I Hate Men“ ganz sicher nicht dessen Taktstock. Keine Sorge, das bringt natürlich niemanden aus dem Takt.

„Kiss me, Kate“, Theater Bonn, „Tom, Dick or Harry“: Kara Kemeny (Bianca), Frank Wöhrmann (Lucentio), Nico Stank (Gremio) und Thiago Silveira Fayad (Hortensio). © Thilo Beu

Die beiden Hauptrollen Lilli Vanessi/Katherina Minola und Fred Graham/Petruchio sind in Bonn mit den Absolventen der Konservatorium Wien Privatuniversität – aktuell Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien – Bettina Mönch (Sheila Franklin in „Hair – The American Tribal Love Rock Musical“, Eva Perón in „Evita“, Audrey in „Der kleine Horrorladen (Little Shop of Horrors)“, spielt parallel die Rolle der Lois Lane/Bianca an der Oper Graz, Premiere 20. Oktober 2018) und Oliver Arno (Joe Gillis in „Sunset Boulevard“) besetzt. Die beiden Darsteller harmonieren gesanglich ausnehmend gut miteinander, das klingt nicht nur im gleichnamigen Duett der beiden wunderbar, eine Reminiszenz an den Wiener Walzer. Auch darstellerisch lässt Bettina Mönch in ihren furiosen Ausbrüchen eine gewisse Anmut durchblicken. In ihrem Song „I Hate Men“ macht sie dagegen unmissverständlich deutlich, was aus ihrer Sicht von der Spezies Mann zu halten ist. Oliver Arno weiß als gewitzter, schlagfertiger Fred Graham/Petruchio mit nahezu grenzenlosem Selbstbewusstsein zu überzeugen, sei es, dass er auf offener Szene gegenüber seiner Bühnenpartnerin handgreiflich wird oder dass er sich auch noch die Anwesenheit der beiden Ganoven zunutze macht, um Lilli zum Bleiben zu zwingen.

„Kiss me, Kate“, Theater Bonn, Hans-Jürgen Schatz (Zweiter Ganove), Oliver Arno (Fred Graham), Bettina Mönch (Lilli Vanessi) und Michael Schanze (Erster Ganove). © Thilo Beu

Viele weitere Rollen sind mit Musical-Darsteller*innen als Gäste stimmig besetzt: Kara Kemeny (Nina Rosario in „In den Heights von New York“) als Freds neuer Schwarm Lois Lane/Katherinas Schwester Bianca, die besonders mit ihrem Song „Always True to You in My Fashion“ in zweiten Akt gefällt, aber auch im Ensemble eine gute Figur macht, Frank Wöhrmann in der nahezu bedeutungslosen Rolle des Glücksspielers Bill Calhoun/Edelmanns Lucentio, der aber im zweiten Akt mit seinem Song „Bianca“ und der dazugehörigen Choreografie sowohl gesanglich als auch tänzerisch auf sich aufmerksam machen kann, Eric Rentmeister als Ankleider Paul, Nico Stank und Thiago Silveira Fayad als Biancas Freier Gremio und Hortensio, letztere verstärken auch das spielfreudige Ensemble (Eveline Gorter, Grace Simmons, Martina Vinazza, Lukas Schwedeck), das für den hohen Unterhaltungswert der choreografierten Szenen mitverantwortlich ist und den jazzig swingenden, von Eric Rentmeister angeführten Song „Too Darn Hot“ zum eindeutigen Highlight der Aufführung gestaltet. Michael Schanze und Hans-Jürgen Schatz machen als Gangsterduo mit Wiener Schmäh als Running Gag beharrlich auf sich aufmerksam. Was zwei Wiener Gangster in Baltimore zu suchen haben, will sich mir zwar nicht erschließen, ungeachtet dessen räumen die beiden mit „Schlag nach bei Shakespeare“ mächtig ab. In den Rollen von Freds Assistentin Hattie und General Harrison Howell sind Anjara I. Bartz aus dem Opernensemble und Daniel Berger als Gast zu sehen. Angesichts der Aussicht als zukünftige Präsidentengattin an der Seite von Harrison Howell ist Lillis Entscheidung gegen eine Heirat mit ihm nur zu verständlich.

„Kiss me, Kate“, Theater Bonn, „Too Darn Hot“: Eric Rentmeister (Paul, Mitte), Ensemble. © Thilo Beu

Am Ende der dreistündigen Aufführung gab es vom Premierenpublikum langanhaltenden Stehapplaus für Darsteller und Leading Team. „Kiss me, Kate“ steht mit insgesamt 11 Vorstellungen bis 5. Januar 2019 auf dem Spielplan des Theaters Bonn. Sollte jemand die Inszenierung bereits aus Dortmund kennen, Bettina Mönch und Oliver Arno in den Hauptrollen machen einen erneuten Besuch zweifellos zum Vergnügen.

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