„Morgens immer müde“


„Morgens immer müde“ – Der Rock-Pop-Soul-Abend der Studiengänge Musical, Jazz, Schulmusik und künstlerische Ausbildung/Instrumental-Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste; Mitwirkende: Studiengang Musical, 4. Jahrgang: Alejandro Nicolás Firlei Fernández, Nico Hartwig, Lara Hofmann, Florian Sigmund, Jessica Trocha; 3. Jahrgang: Myriam Akhoundov, Michael Berres, Lukas Mayer, Frank-Leon Petzold, Sophia Vivien Riedl, Zoe Staubli; 2. Jahrgang: Maja Lilly Dickmann, Louis Dietrich, Samuel Franco, Yasmina Hempel, Felix Alexander Rabas, Samuel Ismail Türksoy; 1. Jahrgang: Gioia Heid, Nils Karsten, Susann Ketley, Juri Menke, Kelly Panier, Benedikt Peters. Band: Florian Raepke (Trompete), Ruven Weithöner (Trompete), Madita Schmitz (Saxophon), Elias Rüttgen (Saxophon), Linus Berg (Posaune), Nicklas John (Flügel, Keyboard), Mark Meier (Gitarre), Fabian Ostermann (Gitarre), Malte Winter (Bass), Jan Helten (Drums). Weitere Musikerinnen: Linda Stachowiak/Albina Khaibullina (Violine), Louisa de Queiroz dos Santos (Violine), Milena Geraedts (Viola), Christina Schubach (Violoncello). Chorleitung: Michael David Mills; Musikalische Leitung, Arrangements: Jürgen Grimm. 2. November 2019, Folkwang Universität der Künste, Pina Bausch Theater, Essen.



„Morgens immer müde“


Der Rock-Pop-Soul-Abend der Folkwang Universität der Künste


Im Sommer 2016 wurde die 2003 gegründete Joop van den Ende Academy in Hamburg geschlossen, da sie ein reines Zuschussgeschäft war und keine Gewinne erwirtschaften konnte. Wie auch? Nun ist für Stage Entertainment die Einstellung des Spielbetriebs im Metronom Theater Oberhausen und der Verkauf des Colosseum Theaters in Essen beschlossene Sache. Obendrein hat die Betriebsgesellschaft des Duisburger Theaters am Marientor am 30. Oktober 2019 beim Amtsgericht Duisburg einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Ist das Musical im Ruhrgebiet am Ende?

Musical-Combo 2019, Lukas Mayer: „A-Yo“

Zur gleichen Zeit in Werden, einem Stadtteil im Süden der Stadt Essen, der aus der Ansiedlung um das Ende des 8. Jahrhunderts gegründete Benediktinerkloster Werden entstanden ist. Hier befinden sich in den Gebäuden der ehemaligen Abtei Werden die Hauptgebäude der Folkwang Universität der Künste, die aus der 1927 von Bühnenbildner Hein Heckroth (* 14. April 1901 in Gießen, † 6. Juli 1970 in Alkmaar, Niederlande), Choreograph Kurt Jooss (* 12. Januar 1901 in Wasseralfingen, † 22. Mai 1979 in Heilbronn) und Operndirektor Rudolf Schulz-Dornburg (* 31. März 1891 Würzburg, † 16. August 1949 in Gmund am Tegernsee) gegründeten Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen hervorgegangen ist. Im Oktober 1989 fanden an der Folkwang Hochschule für Musik, Theater, Tanz die ersten Aufnahmeprüfungen für den Studiengang Musical statt, womit dieser zu den ältesten in Deutschland etablierten Musical-Studiengängen zählt. Ulrike Frank (Katrin Flemming in „GZSZ“) gehört zu den ersten Absolventen.

Musical-Combo 2019, Sophia Riedl: „Augen auf“

30 Jahre später ist hier das Musical jedenfalls nicht am Ende, hier wird für eine bestmögliche Ausbildung der zukünftigen Musicaldarsteller*innen gesorgt, wie man sich bei der diesjährigen Musical-Combo „Morgens immer müde“ ausgezeichnet überzeugen konnte. Zumindest hatte ich nicht den Eindruck, einer Beerdigung beizuwohnen. Hier spielten an diesem Abend mehr Musiker*innen in der Band als bei so mancher kommerziellen En-Suite-Produktion im Orchester. In den vergangenen 30 Jahren haben Andreas Bongard, Merlin Fargel, Alexander Franzen, Jonas Hein, Michael Heller, Merle Hoch, David Jakobs, Serkan Kaya, Inga Krischke, Hanna Mall, Oliver Morschel, Ramesh Nair, Philipp Nowicki, Sandra Pangl, Anna Preckeler, Markus Schneider, Christian Stadlhofer, Dionne Wudu, Dirk Weiler, Thomas Winter, Richard-Salvador Wolff u. v. m. an der Folkwang Universität der Künste ihr Musicalstudium absolviert, um an dieser Stelle nur einige wenige, wahllos herausgegriffene Absolvent*innen (von 142) zu nennen. Studierende des Studiengangs Musical sind regelmäßig in die Musicalproduktionen der städtischen Theater in Bonn und Dortmund involviert, bis vor sechs, sieben Jahren auch am Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen, aber das ist eine andere Geschichte. Augenblicklich sind fünf Studierende des vierten Jahrgangs in der Produktion „Jekyll & Hyde“ am Opernhaus Dortmund zu sehen, in der Folkwang Alumnus David Jakobs die zwiegespaltene Persönlichkeit von Henry Jekyll/Edward Hyde verkörpert.

Musical-Combo 2019, Nico Hartwig: „Blackbird“, rechts im Bild Lara Hofmann

Bei der so genannten „Musical-Combo“ handelt es sich um ein regelmäßiges Projekt des Studiengangs Musical, das die in den einzelnen Fächern erlernten Fähigkeiten zusammenführen und dem Publikum präsentieren soll. Es ist Teil des Studienplans und auch der Abschlussprüfung im Studiengang Musical. Musical-Combo bedeutet, dass Sänger auf eine Combo aus Musiker*innen treffen, die u. a. im Studiengang Jazz studieren. Die angehenden Bühnendarsteller*innen lernen in diesem Projekt, Songs mit schauspielerischen und choreographischen Elementen auf der Bühne zu präsentieren. Die Arbeit im Tonstudio gehört ebenfalls zum Lernziel der Lehrveranstaltung. In der Bro­schü­re zum zwanzigjährigen Bestehen des Studiengangs Musical an der Folkwang Hochschule schildert Wolfgang Burbat, 1991 bis 2011 Professor für Musikalische Grund­aus­bildung im Studiengang Musical, dass dieses Projekt aus anfänglichen Jamsessions entstanden ist, die sich ergeben haben, da der Hauptprobenraum der Jazzabteilung unter den ersten Unterrichtsräumen des Studiengangs Musicals untergebracht war. Das dürfte zwar ab 2003 kein Problem mehr sein, denn seither beherbergt die „Weiße Mühle“ an der Schleuse Neukirchen in Essen-Werden die Unterrichtsräume des Studiengangs Musical, aber auch im Studiengang Jazz ist die Zusammenarbeit mit dem Studiengang Musical ein fester Bestandteil im Ausbildungsprofil.

Musical-Combo 2019, Zoe Staubli und Lukas Mayer: „All I ask“

Der Abend stand in diesem Jahr unter dem Motto „Morgens immer müde“, worauf es eigentlich nur eine mögliche Antwort gibt: „Wer morgens länger schläft, hält’s abends länger aus. Fang Deinen Tag doch später an, dann bleibst Du länger dran.“ Ungeachtet dessen gab es die Musical-Combo dieses Jahr sogar Monate später als sonst üblich, im Frühjahr wurde „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“ aufgeführt und der Studiengang Musical war am „Folkwang Showcase“ der Ruhrfestspiele 2019 beteiligt. Im Pina Bausch Theater waren an diesem Abend insgesamt 18 Songs aus dem Bereich Rock, Pop, Soul und Musical mit einer ausgewogenen Mischung von eher ruhigeren Arrangements und rockigen Songs zu hören. Alle Interpreten wussten auf ihre Art das Publikum zu begeistern. Gleich zu Beginn heizte Lukas Mayer dem Publikum mit „A-Yo“ von Lady Gaga mächtig ein, und auch bei Florian Sigmund mit „Livin’ on a Prayer“ von der Rockband Bon Jovi ging mächtig die Post ab. Der gebürtige Uruguayer Alejandro Nicolás Firlei Fernández erwies seiner Heimat mit „Flaca“ von Andrés Calamaro seine Reverenz, zumindest fast, Andrés Calamaro ist gebürtiger Argentinier, aber zwischen Montevideo und Buenos Aires liegen gerade einmal 213 km Luftlinie. Jessica Trocha schickte das Publikum schließlich als „sexy Vamp“ mit „Crazy in love“ von Beyoncé in die Pause.

Musical-Combo 2019, Lara Hofmann: „Morgens immer müde“ mit Sophia Riedl und Myriam Akhoundov

Setlist des ersten Teils:
  • Lukas Mayer: „A-Yo“ von Stefani Germanotta (Lady Gaga), Hillary Lindsey, Mark Ronson, Michael Tucker (BloodPop) aus dem fünften Studioalbum „Joanne“ (2016) von Lady Gaga
  • Alejandro Nicolás Firlei Fernández: „Flaca“ von Andrés Calamaro aus seinem Album „Alta suciedad“ (1997)
  • Michael Berres: „Call Me“ von Giorgio Moroder und Deborah Harry, auf dem Soundtrack des Kinofilms „Ein Mann für gewisse Stunden“ (1980) von Blondie interpretiert, Arrangement: Florian Raepke
  • Sophia Riedl: „Augen auf“ von Sarah Connor, Daniel Faust, Peter Plate, Ulf Leo Sommer aus dem achten Studioalbum „Muttersprache“ (2015) von Sarah Connor
  • Lara Hofmann: „You don’t own me“ von David Ernest White (David White Tricker), John Madara, 1963 von Lesley Gore aufgenommen
  • Leon Petzold: „Keine Maschine“ von Tim Bendzko aus seinem Album „Immer noch Mensch“ (2016)
  • Nico Hartwig: „Blackbird“ von John Lennon und Paul McCartney aus dem Doppelalbum „The Beatles“ (1968)
  • Florian Sigmund: „Livin’ on a Prayer“ von Jon Bon Jovi, Desmond Child und Richie Sambora aus dem dritten Studioalbum „Slippery When Wet“ (1986) der Rockband Bon Jovi
  • Jessica Trocha: „Crazy in love“ von Rich Harrison, Shawn Carter und Beyoncé Knowles aus dem Debütalbum „Dangerously in Love“ (2003) von Beyoncé Knowles

Musical-Combo 2019, Zoe Staubli: „Love is a lie“

Zu Beginn des zweiten Teils präsentierte der Chor des Studiengangs Musical unter der Leitung von Michael David Mills zunächst „The World goes ’round“ von John Kander (Musik) und Fred Ebb (Lyrics) aus der Musicalrevue „And the World goes ’round“ (UA: 18 März 1991, Westside Theatre, New York City) sowie „The new world“ von Jason Robert Brown aus „Songs for a new world“ (UA: 11. Oktober 1995, WPA Theatre, New York City), lediglich von Michael David Mills am Flügel begleitet. Die übrigen Titel wurden solistisch oder im Duett von den Studierenden des dritten und vierten Jahrgangs vorgetragen, unterstützt von den Kommiliton*innen mit Background-Chören und Choreografien. Wie heißt es in Abwandlung eines bekannten Zitates (von Friedrich Schiller) so schön, Platz ist auf der kleinsten Bühne. Myriam Akhoundov drehte mit dem Song „Misery Business“ der amerikanischen Alternative-Rockband Paramore rund um Sängerin Hayley Williams mächtig auf, den Hayley Williams selbst im Alter von 17 Jahren schrieb und der aufgrund der Textzeile „Once a whore, you’re nothing more, I’m sorry that’ll never change“ dem Song den Ruf einbrachte, frauenfeindlich zu sein. Mit den Songs „All I ask“ von Zoe Staubli und Lukas Mayer, „Creep“ von Florian Sigmund, „Who wants to live forever“ von Jessica Trocha ging es zunächst etwas moderater weiter, bevor Lara Hofmann, die 2017 den 2. Förderpreis im 46. Bundes­wett­be­werb Gesang Berlin im Juniorwettbewerb gewonnen hat, mit dem Titelsong der diesjährigen Musical-Combo, eine Coverversion des Liedes „Morgens bin ich immer müde“ (1960) von Trude Herr, wieder aufdrehte. Alejandro Nicolás Firlei Fernández hat nach seinem Song „Juice“ – eine großartige feministische Hymne der texanischen Sängerin und Rapperin Lizzo – die Aufgabe übernommen, die Band vorzustellen, deren Mitglieder sich daraufhin mit Improvisationen an ihren Instrumenten präsentierten, Improvisationen sind schließlich ein zentraler Aspekt des Jazz.

Musical-Combo 2019, Alejandro Nicolás Firlei Fernández: „Juice“

Setlist des zweiten Teils:
  • Chor der Jahrgänge 1 und 2 des Studiengangs Musical: „The World goes ’round“ von John Kander und Fred Ebb aus der Musicalrevue „And the World goes ’round“ (UA: 18 März 1991, Westside Theatre, New York City), ursprünglich als „But the World goes ’round“ von Liza Minnelli im Film „New York, New York“ (1977) gesungen; Arrangement: Michael David Mills
  • Chor der Jahrgänge 1 und 2 des Studiengangs Musical: „The new world“ von Jason Robert Brown aus „Songs for a new world“ (UA: 11. Oktober 1995, WPA Theatre, New York City)
  • Myriam Akhoundov: „Misery Business“ von Josh Farro und Hayley Williams aus dem zweiten Studioalbum „Riot!“ (2007) der amerikanischen Rockband Paramore
  • Zoe Staubli und Lukas Mayer: „All I ask“ von Adele Adkins, Bruno Mars, Philip Lawrence und Christopher Brody Brown aus dem dritten Studioalbum „25“ (2015) von Adele
  • Florian Sigmund: „Creep“ von Mike Hazlewood, Thom Yorke, Jonny Greenwood und Colin Greenwood, 1992 von Radiohead als Debütsingle veröffentlicht
  • Jessica Trocha: „Who wants to live forever“ von Brian May für den Soundtrack zu dem Film „Highlander“ geschrieben, aus dem 12. Studioalbum „A Kind of Magic“ (1986) von Queen
  • Lara Hofmann: „Morgens immer müde“ von Aldo von Pinelli und Werner Scharfenberg, mit dem Song vertrat die Gesangsgruppe Laing beim Bundesvision Song Contest 2012 in Berlin das Bundesland Sachsen, der Titel ist eine Coverversion des Liedes „Morgens bin ich immer müde“ (1960) von Trude Herr
  • Zoe Staubli: „Love is a lie“ von Beth Hart aus ihrem Album „Fire on the floor“ (2016)
  • Alejandro Nicolás Firlei Fernández: „Juice“ von Melissa Jefferson, Eric Frederic, Theron Thomas, Sam Sumser, Sean Small aus dem dritten Studioalbum „Cuz I Love You“ (2019) von Lizzo (Melissa Vivianne Jefferson)
Nach knapp zweistündigem Konzert hielt es niemanden im Auditorium auf seinem Platz und das Publikum bedachte alle Beteiligten auf und hinter der Bühne mit langanhaltendem Stehapplaus.

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