„Wenn Rosenblätter fallen“ am KATiELLi Theater


„Wenn Rosenblätter fallen“ – basierend auf dem Roman „Als rozeblaadjes vallen“ von Brigitte Minne (1994); Musik: Rory Six; Texte: Kai Hüsgen, zusätzliche Texte: Ellen de Clercq. Regie: Katharina Koch, Bernd Julius Arends; Bühne: Bernd Julius Arends; Kostüme: Katharina Koch; Musikalische Leitung: Mario Stork. In den Rollen: Stefanie Kirsten (Rose), Florian Albers (Till), Tamara Peters (Iris). Musiker: Mario Stork/Jan Wolf (Klavier), Chea Maerlins (Violoncello). Uraufführung: 4. November 2010, M-Lab, Amsterdam. Deutsche Erstaufführung: 6. Oktober 2011, Kehrwieder Theater, Hamburg. Premiere: 27. September 2019, KATiELLi Theater, Datteln.



„Wenn Rosenblätter fallen“


Eine gewagte Auseinandersetzung mit einem sensiblen Thema


Brigitte Minne (* 1962 in Brügge, Belgien) hat den Jugendroman „Als rozeblaadjes vallen“ geschrieben, der sich mit dem Thema Sterbehilfe auseinandersetzt und 1994 im Verlag Clavis, Hasselt erschienen ist. Rory Six (Musik) und Kai Hüsgen (Texte) bearbeiteten das Buch und schrieben ein Kammermusical für drei Personen, zu dem sie 2008 das Konzeptalbum „Wenn Rosenblätter fallen – Ein Musical über Sterbehilfe“ mit Pia Douwes (Rose), Thomas Hohler (Till) und Lucy Scherer (Iris) veröffentlichten. Im Januar 2010 fand in Wien ein Workshop mit Carin Filipčić (Rose), Rory Six (Till), Leigh Martha Klinger (Iris) und dem Creative Team statt, bei dem das Stück unter dem Titel „Ein Leben ohne Dich“ erarbeitet und weiterentwickelt wurde. Dieser mündete am Montag, 18. Januar 2010 und Dienstag, 19. Januar 2010 in eine Präsentation mit 3 Musikern, 3 Darsteller*innen und ein jeweils auf 99 Personen begrenztes Publikum auf der Bühne des Raimund Theaters Wien. Die Uraufführung unter dem Titel „Een leven zonder jou“ fand schließlich am 4. November 2010 in einer Inszenierung von Dirk Schattner mit Marleen van der Loo (Roos), Pieter van Nieuwenhuyze (Wim) und Lotte Geertsma (Iris) im M-Lab (Laboratorium voor Muziektheater) in Amsterdam statt. Vor der deutschen Erstaufführung am 6. Oktober 2011 im Kehrwieder Theater, Hamburg mit Carin Filipčić (Rose), Dirk Johnston (Till) und Jana Stelley (Iris) unter dem Titel „Wenn Rosenblätter fallen“ gab es vom 29. September bis 1. Oktober 2011 Previews im KATiELLi Theater und am 19. und 20. Oktober 2011 Folgevorstellungen daselbst. Nun haben Katharina Koch und Bernd Julius Arends „Wenn Rosenblätter fallen“ erneut mit Stefanie Kirsten (Rose), Florian Albers (Till) und Tamara Peters (Iris) auf der Bühne des KATiELLi Theaters in Szene gesetzt.

„Wenn Rosenblätter fallen“, KATiELLi Theater, Stefanie Kirsten (Rose). Foto: Martina Bialas

„Wenn Rosenblätter fallen“ ist eine ergreifende Geschichte über aufrechte Liebe und Sterbe­be­gleitung. Der 19-jährige Till lernt im Studium die gleichaltrige Iris kennen. Als sich beide näher kommen, stellt er immer mehr Ähnlichkeiten zwischen ihr und seiner an Krebs verstorbenen Mutter Rose fest, wodurch sich Till immer mehr in seine Verzweiflung und Trauer zurückzieht. In seiner Erinnerung durchlebt er noch einmal die letzten Monate mit seiner Mutter, damit er endlich Abschied von ihr nehmen kann. Schließlich gelingt es Iris, dass Till sein Trauma überwinden und loslassen kann.

„Wenn Rosenblätter fallen“, KATiELLi Theater, Florian Albers (Till) und Tamara Peters (Iris). Foto: Martina Bialas

In einzelnen Episoden erfährt der Zuschauer von Tills Jugend und seinem innigen Verhältnis zu seiner Mutter Rose. Rose ist in Tills Gedanken immer noch lebendig, wie ein Geist taucht sie ständig in seiner Erinnerung auf, selbst in unpassenden Situationen wie einem Date mit Iris. Dadurch fällt es ihm sehr schwer, loszulassen, von seiner Mutter Abschied zu nehmen. Zuerst wird nur in Andeutungen klar, dass sich Rose aufgrund ihrer unheilbaren Krebserkrankung den Tod wünscht. Lediglich in einem Zeitungsartikel, den die Mutter ihrem Sohn gibt, wird Sterbehilfe konkret beim Namen genannt. Auf der Bühne unterstützt Till schließlich seine Mutter, eine Überdosis Morphium zu sich zu nehmen, da sie es allein nicht mehr kann. In Deutschland würde die Handlung des Jungen als „Beihilfe zur Selbsttötung“ eingestuft, die bis auf Ausnahmen straffrei bliebe. Die dafür geeigneten Wirkstoffe dürfen aber für diesen Zweck nicht verordnet werden, es handelt sich deshalb u. U. um einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) oder Betäubungs­mittel­gesetz (BtMG). Ärzten ist es verboten, „Beihilfe zur Selbsttötung“ zu leisten. (Für eine rechtsverbindliche Einschätzung fragen Sie einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens.) Entscheidend ist an dieser Stelle, dass die Mutter die Überdosis Morphium, die der Sohn ihr zubereitet hat, in vollem Bewusstsein nimmt, dass sie selbst entscheidet, ob sie ihrem Leben ein Ende setzt oder nicht. Die Autoren möchten nach eigener Aussage weder befürworten noch verurteilen, sondern wollen das Publikum zur Diskussion anregen, was natürlich nur gelingen kann, wenn sich die Zuschauer auf das zugegebenermaßen sensible Thema für ein Musical überhaupt einlassen, „Wenn Rosenblätter fallen“ ist nämlich alles andere als ein Feel-Good-Musical, die es wie Sand am Meer gibt.

„Wenn Rosenblätter fallen“, KATiELLi Theater, Tamara Peters (Iris). Foto: Martina Bialas

Florian Albers (Ensemble in „Doktor Schiwago“, Ginas Begleiter/Jesus, Stimme des Gewissens in „Don Camillo & Peppone“, FreilichtSpiele Tecklenburg) überzeugt sowohl als gerade erwachsener Till als auch in den Rückblenden als Kind. Die schwierige Entscheidung, ob er seiner Mutter beim Sterben helfen soll, bringt er sehr glaubhaft und berührend auf die Bühne. Gerade hier wäre es aber aus meiner Sicht trotzdem wünschenswert, näher auf die „Beihilfe zur Selbsttötung“ einzugehen. Tamara Peters (Ensemble in „Doktor Schiwago“ und „Don Camillo & Peppone“, FreilichtSpiele Tecklenburg) kam die Aufgabe zu, mit ihrer Fröhlichkeit nicht nur Till, sondern auch das Publikum aufzuheitern, was ihr mühelos gelang. Als unbeschwerte Studentin Iris versucht sie, Tills Herz zu erobern, und weckt dabei unbeabsichtigt Erinnerungen an seine verstorbene Mutter. Stefanie Kirsten (Die Karrierefrau in „Höchste Zeit“, KATiELLi Theater, Datteln; „Maria, ihm schmeckt’s nicht“, Westfälisches Landestheater Castrop-Rauxel) spielte die Rolle der Rose mit allen Facetten sehr eindrucksvoll und überzeugend. Man kann gut nachempfinden, wie ihr der Krebs mehr und mehr zusetzt und sie schwächt. Gemeinsam mit Florian Albers hat sie das Publikum in den traurigen Szenen berührt.

„Wenn Rosenblätter fallen“, KATiELLi Theater, Florian Albers (Till). Foto: Martina Bialas

Die anrührende Vorstellung zeigt, dass auch die gewagte Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema in einem Musical möglich ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Publikum nicht durch den ursprünglichen Untertitel „Ein Musical über Sterbehilfe“ von einem Besuch abhalten lässt. Die nächsten Vorstellungen am KATiELLi Theater sind am 28. und 29. September, vom 25. bis 27. Oktober sowie vom 8. bis 10. November 2019.

„Wenn Rosenblätter fallen“, KATiELLi Theater, Stefanie Kirsten (Rose) und Florian Albers (Till). Foto: Martina Bialas

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