Die Spielzeit 2019/20 am Theater Bielefeld

„Die Zukunft ist Geschichte“

In der Spielzeit 2019/20 verbinden sich die Jahrestage zweier einschneidender historischer Ereignisse, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind: 75 Jahre liegt das Ende des Zweiten Weltkrieges zurück und damit auch die Geburt der Vereinten Nationen, vor 30 Jahren fiel die Mauer. Die Idee eines friedlichen Zusammenlebens über Ländergrenzen hinaus, wie sie sich in den Vereinten Nationen wiederfindet, war einmal reine Utopie – sie wurde Wirklichkeit und ist damit bestes Beispiel für einen optimistischen Blick in eine gestaltbare Zukunft.

Stadttheater Bielefeld

Das Motto der Spielzeit 2019/20 knüpft daran an. „Die Zukunft ist Geschichte“ hat nichts mit einem rückwärtsgewandten Blick und einer Ignoranz der aktuellen Themenlage zu tun. Ganz im Gegenteil: »Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart«, sagte Richard von Weizsäcker. Leider agieren gegenwärtig einige Machthaber genau so. Sie blenden geschichtliche Fakten aus oder verbiegen sie, um undemokratische Handlungen zu legitimieren. Der Philosoph Oskar Negt spricht von den drei großen Entwertungen der Gegenwart: »der Entwertung der Erfahrung«, »der Entwertung des Erinnerns« und »der Entwertung der Bindungen«. Deshalb gilt es umso mehr, antidemokratischen Kräften entgegenzutreten und mit der Erinnerungskultur verantwortungsvoll umzugehen. Die Zukunft aktiv zu gestalten, erfordert Tatkraft und Reflexion zugleich. Alles, was kommt, ist das Resultat unseres gegenwärtigen Handelns. Und die Vergangenheit sollte uns dabei ein stetiger Ratgeber sein.

Die Geschichte ist fragil, sie ist voller Widersprüche und birgt eine Vielfalt von Sichtweisen. Das Theater Bielefeld will sich mit den Geschichten zur Geschichte, die in der Spielzeit 2019/20 auf den Bühnen erzählt werden, spielerisch erinnern, will die Gegenwart befragen und die Zukunft erobern.

Zum Spielzeitauftakt wird es direkt turbulent: Der Startenor lässt auf sich warten – Gott sei Dank nur im Stück, denn das Musiktheater eröffnet die Saison mit einer Musicalfassung von Ken Ludwigs beliebter Komödie „Otello darf nicht platzen!“ (Premiere 1. September 2019), die jedes gängige Klischee über mittelgroße Opernbetriebe lustvoll aufs Korn nimmt. Nicht minder lebhaft geht es in Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ (Premiere 28. September 2019) zu. Figaro heiratet seine Susanna! Das sollte der schönste Tag im Leben sein. Aber ausgerechnet am Hochzeitsmorgen gesteht Susanna ihrem Bräutigam, dass auch sein Dienstherr ein Auge auf sie geworfen hat. Auf unnachahmliche Weise verschmelzen Musik und Poesie zu einer spritzigen Komödie, die gleichzeitig die tiefsten menschlichen Sehnsüchte fühlbar macht. Es folgt ein unbestrittener Höhepunkt von Giuseppe Verdis spätem Opernschaffen: „Aida“ (Premiere 30.November 2019) lässt in jedem Takt ein Musikdrama erkennen, wie es nur aus großer Reife und Leidenschaft in Musik und Wort entspringen kann. Die zweite Spielzeithälfte wendet sich im Januar der Urgeschichte der Menschheit zu. Peter Eötvös thematisiert in seiner 2013 uraufgeführten Oper „Paradise reloaded (Lilith)“ (Premiere 18. Januar 2020) den Mythos von Lilith, der ersten Frau Adams. Eine Frau steht auch im Mittelpunkt von Charles Gounods „Faust“ (Premiere 29. Februar 2020). Der Komponist nahm zwar Johann Wolfgang Goethes Tragödie zur Vorlage, konzentrierte sich aber auf die darin enthaltenen individuellen Schicksale und formte sie mit ohrwurmverdächtigen Melodien und verführerischen Arien zu einem berührenden lyrischen Werk, das bis heute zu den meistgespielten französischen Opern gehört. Eine originär amerikanische Oper schrieb Leonard Bernstein mit „A Quiet Place“ (Premiere 25. April 2020), wählte dafür aber ein so aktuelles wie zeitloses Thema: das „Schlachtfeld“ Familie. Schaurig-schön wird es, wenn alle drei Sparten sich Tom Waits’ „The Black Rider“ (Premiere 23. Mai 2020) widmen, der modern-absurden musikalischen Version der Volkssage vom „Freischütz“. Schließlich endet die Musiktheatersaison mit Sergej Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“. Eine fantasievolle, vergnügliche Märchenwelt mit zahlreichen Enterhaken in der Realität offenbart sich in dieser Oper, die aus dem Revolutionsjahr 1917 stammt, als sich die russische Kunstszene gerade neu erfand. Wiederaufgenommen werden Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ (Wiederaufnahme 5. Oktober 2019) und David Bowies „Lazarus“ (Wiederaufnahme 9. Oktober 2019).


„Otello darf nicht platzen! – Das Musical“ (Premiere 1. September 2019, Stadttheater)

„Otello darf nicht platzen! – Das Musical“ – nach der Komödie von Ken Ludwig (1986); Musik: Brad Carroll; Gesangstexte, Buch: Peter Sham; Deutsche Bearbeitung: Roman Hinze; Inszenierung: Thomas Winter; Choreografie: Dominik Büttner; Bühne, Kostüme: Ulv Jakobsen; Dramaturgie: Jón Philipp von Linden; Musikalischer Leiter: William Ward Murta. Darsteller: Dirk Audehm (Henry Saunders, Direktor der Cleveland Grand Opera), Jonas Hein (Max Garber, Saunders gutmütiger Assistent), Jeannine Michèle Wacker (Maggie Saunders, Henrys Tochter), Joshua Farrier (Tito Merelli, der weltbekannteste Tenor und notorischer Schwerenöter), Roberta Valentini/Carina Sandhaus (Maria Merelli, Titos Ehefrau), Navina Heyne (Diana Divane, verführerische Sängerin), N. N. (Julia, Vorsitzende der Cleveland Opera Gesellschaft), Vladimir Lortkipanidze (Harry, Liftboy), Carlos Horacio Rivas (Bernie Guter, Inspizient), Evelina Quilichini (Anna 1, Dame der Operngilde), Franziska Hösli (Anna 2, Dame der Operngilde), Michaela Duhme (Anna 3, Dame der Operngilde/Dance Captain), Paata Tsivtsivadze (Bürgermeister von Cleveland), Krzysztof Gornowicz (Mickey, Polizist), Mark Coles (Joe, Polizist), Yun-Geun Choi, Christin Enke-Mollnar, Patricia Forbes (Presseleute), Michaela Ataalla, Vladimir Lortkipanidze, Sofio Maskharashvili, Ramon Riemarzik, Seung-Koo Lim (Hotelpersonal). Uraufführung: 27. Juni 2007, Utah Shakespearean Festival, Cedar City, Utah. West End Premiere: 15. Juni 2011, Gielgud Theatre, London. Premiere: 1. September 2019, Stadttheater Bielefeld.

Cleveland, Opernhaus. Zur Galavorstellung von Verdis „Otello“ wird Startenor Tito Merelli erwartet. Die Damen der Operngilde sind schon seit Wochen völlig aus dem Häuschen und das ganze Theater vibriert vor Aufregung. Die Vorfreude wendet sich langsam in Unruhe, als der illustre Gastsänger nach der Generalprobe immer noch nicht eingetroffen ist. Theaterdirektor Henry Saunders ist der Verzweiflung nahe, schließlich hat sich kein Geringerer als Präsident Roosevelt angekündigt – wir schreiben Herbst 1934, um die Vorstellung zu erleben. Zum Glück hat Max, Regieassistent mit gesanglichen Ambitionen, genug Mumm in den Knochen, um die Partie zu übernehmen – nicht nur die des Otello, sondern auch gleich die des Tito Merelli! Der ist zwar inzwischen endlich im Haus, hat aber nach einem lautstarken Krach mit seiner Gemahlin eine viel zu große Menge Beruhigungstabletten geschluckt und ist nicht mehr wachzukriegen. Max spielt und singt seine Rolle so gut, dass niemand die Verwechslung überhaupt bemerken würde – wären da nicht gleich mehrere ambitionierte Damen, die immer schon mal eine Nacht mit Tito Merelli verbringen oder ihm zumindest vorsingen wollten. Als der echte Tito Merelli erwacht, ist das Chaos perfekt…

Nimmt Ken Ludwigs beliebte Komödie schon jedes gängige Klischee über mittelgroße Opernbetriebe lustvoll aufs Korn, lässt die im klassischen Broadwaystil gehaltene Musicalfassung von Peter Sham und Brad Carroll das Geschehen auf und hinter der Bühne erst so richtig authentisch werden. Und das schon lange, bevor die hauseigene Primadonna beim nächtlichen Privatcasting dem Stargast quasi alle großen Sopran-Opernarien im Schnelldurchlauf um die Ohren schmettert…


„Lazarus“ (Wiederaufnahme 9. Oktober 2019, Stadttheater)

„Lazarus“ – nach dem Roman „The Man Who Fell to Earth“ von Walter Tevis (1963); Musik, Lyrics: David Bowie; Buch: Enda Walsh; Deutsche Bearbeitung: Peter Torberg; Inszenierung: Michael Heiks; Choreografie: Gianni Cuccaro; Bühne: Annette Breuer; Kostüme: Franziska Gebhardt; Video: Sascha Vredenburg; Dramaturgie: Jón Philipp von Linden; Musikalische Leitung: William Ward Murta. Darsteller: Nikolaj Alexander Brucker (Thomas Jerome Newton), Christina Huckle (Elly, Newtons Assistentin), Susanne Schieffer (Girl [Marley]), Oliver Baierl (Valentine), Alexander Stürmer (Zach), Jan Hille (Ben), Michaela Duhme (Teenage Girl 1), Jeannine Michèle Wacker (Teenage Girl 2), Theresa Christahl/Ulrike Figgener (Teenage Girl 3), Cornelius Gebert (Michael), Henriette Nagel (Japanerin/Maemi), Mitglieder von E-Motion. Uraufführung: 7. Dezember 2015, New York Theatre Workshop in Manhattan. Europäische Erstaufführung: 8. November 2016, Kings Cross Theatre, London. Deutschsprachige Erstaufführung: 3. Februar 2018, Schauspielhaus Düsseldorf. Premiere: 18. Mai 2019, Wiederaufnahme: 9. Oktober 2019, Stadttheater Bielefeld.

„Ich will zurück zu den Sternen.“ – 1976 spielte David Bowie als Thomas Newton die Titelrolle im Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“ von Nicolas Roeg: Er landet als unsterblicher Außerirdischer auf der Erde, um Wasser für seinen Heimatplaneten zu suchen, gründet ein Milliardenunternehmen, verliebt sich unglücklich und scheitert letztendlich an der Kälte der menschlichen Zivilisation. Das Attribut des Außerirdischen blieb an Bowie zeitlebens haften, und so war es nur konsequent, dass er Jahrzehnte später das Schicksal des Thomas Newton erneut aufgriff und zum Bühnenstück formte. Im Musical „Lazarus“ treffen wir ihn in seiner New Yorker Wohnung. Vereinsamt kämpft Newton, der sich dem irdischen Dasein ergeben hat, mit dem Gin und den Geistern der Vergangenheit, als ein rätselhaft unwirkliches Mädchen bei ihm auftaucht. Längst ist ihm seine Unsterblichkeit zum Fluch geworden und er sehnt sich nach Erlösung.

„Lazarus“ ist Ausdruck eines überaus starken Ichs, des Gesamtkunstwerks, das die Persönlichkeit David Bowie zeitlebens in sich vereinte. Songs wie „Absolute Beginners“, „This is not America“, „The Man Who Sold the World“ und „Heroes“ durchziehen den Plot und machen „Lazarus“ zu einer eigenwilligen Bühnenkreation, angesiedelt zwischen Rockkonzert, Schauspiel und Installation.

Kaum verwunderlich, dass „Lazarus“ autobiografische Züge trägt: Der biblische Kranke gleichen Namens, der von Jesus zurück ins Leben geholt wird, mag für David Bowie eine Symbolfigur gewesen sein, als er selbst an Krebs erkrankte. Als David Bowie einen Monat vor seinem Tod gemeinsam mit Co-Autor Enda Walsh der Uraufführung in New York beiwohnte, ahnte niemand etwas davon: „Ich will zurück zu den Sternen.“


„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“ (1. Dezember 2019, Stadttheater, Loft)

„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“; Musik: Thomas Zaufke; Libretto: Peter Lund; Inszenierung, Bühne, Kostüme: Nick Westbrock; Dramaturgie: Anne Christine Oppermann; Musikalische Leitung: William Ward Murta. Darsteller: Theresa Christahl (Charlotte), Nicolas Boris Christahl (Robert). Uraufführung: 30. April 2000, Neuköllner Oper, Berlin. Premiere: 1. Dezember 2019, Stadttheater Bielefeld, Loft.

Charlotte und Robert wollen ein Kind. Beide sind gesund, haben einen Job und zwei Zimmer zuviel, alles müsste wunderbar klappen. Wenn nur die Phantasie nicht wäre. Natürlich geht es nicht um das Kind. Auch wenn Charlotte und Robert über nichts anderes reden und singen, geht es in Wirklichkeit um die beiden selbst. Das erste gemeinsame Musical des Duos Thomas Zaufke/Peter Lund wurde im April 2000 mit Frederike Haas und Léon van Leeuwenberg an der Neuköllner Oper uraufgeführt und seitdem an zahlreichen Bühnen nachgespielt.


„A Quiet Place“ (Premiere 25. April 2020, Stadttheater)

„A Quiet Place“ – die Fortsetzung von Leonard Bernsteins Oper „Trouble in Tahiti“ (1952); Musik: Leonard Bernstein; Kammerfassung: Garth Edwin Sunderland; Libretto: Stephen Wadsworth; Deutsche Bearbeitung: Paul Esterhazy; Inszenierung: Maaike van Langen; Bühne und Kostüme: Dieuweke van Reij; Dramaturgie: Jón Philipp von Linden; Musikalische Leitung: Gregor Rot. Darsteller: Frank Dolphin Wong (Old Sam, Dinahs Mann), Cornelie Isenbürger (Dede, Dinahs Tochter), Caio Monteiro (Junior, Dinahs Sohn), Daniel Pataky (François, Dedes Mann), Nohad Becker (Susie, Dinahs Freundin), Enrico Wenzel (Bill, Dinahs Bruder), Moon Soo Park (Doc, Dinahs Arzt), Katja Starke (Mrs. Doc, dessen Frau), Lorin Wey (Bestattungs-Unternehmer), Carlos Horacio Rivas (Analytiker), N. N. (Sam als junger Mann), N. N. (Dinah). Uraufführung: 17. Juni 1983 an der Houston Grand Opera, Houston, Texas. Premiere: 25. April 2020 voraussichtlich 4. Juni 2021, Stadttheater Bielefeld.

Eine Familie, die sich auseinandergelebt hat und nun wiedertrifft, wiedertreffen muss: Anlass ist der Unfalltod der Mutter. Da ist ihr zurückbleibender Mann Sam, ein Patriarch, dem es immer ein wenig an Empathie und Liebesfähigkeit gemangelt hat. Da ist die widerspenstige Tochter Dede, die mit dem attraktiven Franzosen François verheiratet ist. So attraktiv, dass auch Junior, Dedes Bruder, eine Affäre mit ihm hat. Es gibt weitere Figuren, „hilflose Helfer“ in der Konstellation der auseinandergefallenen Familie, die sich voller Vorurteile und verschütteter Emotionen begegnet. Ein unerwartet auftauchender Brief der Mutter bringt Lebenslügen zum Einsturz und fordert die Familienmitglieder heraus. Themen, die so trivial wie zeitlos relevant sind, dass sie Handlungsmotive für gleich eine ganze Batterie von TV-Soaps bilden, aber auch Bühnenstücke von US-Autoren geprägt haben: Tracy Letts’ „Eine Familie (August: Osage County)“ etwa war vor rund 10 Jahren in Bielefeld zu sehen.

Leonard Bernstein wollte mit „A Quiet Place“ eine originär amerikanische Oper schreiben: „Ein durchkomponiertes Musiktheaterstück in unserer eigenen Wort- und Musiksprache, die irgendwie sowohl der Broadway-Tradition als auch der ›ernsten Musik‹ Achtung erweist“, schrieb er hierzu. 1951/52 hatte er mit „Trouble in Tahiti“ eine bissige Satire über die brüchige Fassade einer amerikanischen Vorstadtfamilie komponiert. „A Quiet Place“ nimmt, durchaus autobiografisch gefüttert, den Handlungsfaden von „Trouble in Tahiti“ wieder auf und verhandelt die Geschichte des dortigen jungen Ehepaars Dinah und Sam weiter.

Update
„A Quiet Place“ wurde wegen der COVID-19-Pandemie in die Spielzeit 2020/2021 verschoben.


„The Black Rider – The Casting of the Magic Bullets“ (Premiere 23. Mai 2020, Stadttheater)

„The Black Rider – The Casting of the Magic Bullets“ – nach der alten Volkssage „Der Freischütz“ von Johann August Apel; Musik und Texte: Tom Waits; Buch: William S. Burroughs; Deutsche Bearbeitung: Wolfgang Wiens; Original­in­sze­nie­rung: Robert Wilson; Inszenierung, Bühne: Michael Heicks; Choreografie: Gianni Cuccaro; Kostüme: Anna Sörensen; Video: Sascha Vredenburg; Dramaturgie: Anne Christine Oppermann; Musikalischer Leiter: William Ward Murta. Darsteller: Christina Huckle (Stelzfuß), Stefan Imholz (Erbförster Kuno, Herzog), Thomas Wolff (Förster Bertram), Nicole Lippold (Anne, seine Frau), Leona Grundig (Käthchen, deren Tochter), Jan Hille (Schreiber Wilhelm), Nikolaj Alexander Brucker (Jägers­bur­sche Robert/Wilderer/Georg Schmid), Oliver Baierl (Wilhelms Onkel/Herzog), Kjell Brutscheidt (Bielefelder Studio) (Bote des Herzogs/Erscheinung/Vogel/Wärter), Melissa Cosseta (Brautjungfer/Erscheinung/Vogel), Noriko Nishidate (Brautjungfer/Stelzfuß’ Double/Erscheinung/Vogel), Tommaso Balbo (Brautjungfer/Junger Kuno/Erscheinung/Vogel/Wärter), Simon Wolant (Brautjungfer/Wilhelms Double/Jagdgehilfe/Erscheinung/Vogel/Wärter). Uraufführung: 31. März 1990, Thalia-Theater, Hamburg. Premiere: 23. Mai 2020 12. September 2020, Stadttheater Bielefeld.

„The Black Rider“ ist eine moderne Musiktheater-Version von „Der Freischütz. Eine Volkssage“, der ersten Geschichte einer Sammlung von Geister- und Spukgeschichten, die Johann August Apel (* 17. September 1771 in Leipzig, † 9. August 1816 in Leipzig) 1811 im ersten Band des Gespensterbuches zusammen mit Friedrich August Schulze (unter dem Pseudonym Friedrich Laun) herausgegeben hat, Friedrich Kind hat auf dessen Grundlage in enger Zusammenarbeit mit Carl Maria von Weber das Opernlibretto zu „Der Freischütz“ geschrieben. Hamburg hatte sich als erste „Musical-Stadt“ in Deutschland etabliert, und Thalia-Intendant Jürgen Flimm war an einem anspruchsvollen Gegenentwurf zu den beiden Lloyd-Webber-Produktionen „Cats“ (Premiere in Hamburg: 18. April 1986) und „Phantom der Oper“ (Premiere in Hamburg: 29. Juni 1990) gelegen. Er verpflichtete für die Neugestaltung der Freischütz-Sage den amerikanischen Regisseur Robert Wilson, der sich den Songschreiber Tom Waits und den Schriftsteller William S. Burroughs (Buch) ins Boot holte. Robert Wilson und Tom Waits hatten ihre eigenen Drogen-Erfahrungen gesammelt und wollten die Geschichte der Freikugeln als „Analogie zu den Verheißungen der Heroinschüsse“ verstanden wissen. William S. Burroughs war auf geradezu makabre Weise für das Thema prädestiniert, er hatte am 6. September 1951 unter Alkoholeinfluss aus Versehen bei einem mutwilligen Wilhelm-Tell-Spielchen seine eigene Frau erschossen. Dramaturg Wolfgang Wiens übersetzte die fragmentarischen Texte nur teilweise ins Deutsche und trug damit entscheidend zum witzig-schrägen Libretto bei. Nach seiner spektakulären Uraufführung am Thalia-Theater in Hamburg (Premiere: 31. März 1990) ist das gleichermaßen schräge wie romantische Musical „The Black Rider – The Casting of the Magic Bullets“ mit überwältigendem Erfolg um die Welt gegangen – am 23. Mai 2020 wird es am Stadttheater Bielefeld Premiere feiern.

Die Geschichte kennt man: Der Schreiber Wilhelm hat sich in die Försterstochter Käthchen verliebt, und auch sie erwidert seine Gefühle. Doch der standesbewusste Förster Bertram besteht auf einem Jäger als Schwiegersohn, für ihn wäre der junge Jägersbursche Robert genau der richtige Kandidat: „Es muss ein Jäger sein, so will´s der Brauch!“ Doch Käthchen liebt nun einmal den Schreiber Wilhelm, so stellt der Vater schließlich eine Bedingung: Mit einem „Probeschuss“ soll Wilhelm seine Zielsicherheit unter Beweis stellen, um sich als Schwiegersohn zu qualifizieren. Doch dafür muss Wilhelm erst einmal schießen lernen. Dabei erweist er sich als ziemlich untalentiert, und nimmt nur zu gern die Hilfe des undurchsichtigen Pegleg (ein Slangausdruck für den Teufel) an, der ihm eine Hand voll „Freikugeln“ zu Verfügung zur Verfügung stellt, mit denen man alles treffen kann, was der Schütze treffen will. Damit ist auch der untalentierte Schreiber ein treffsicherer Schütze, der leichte Erfolg macht ihn regelrecht süchtig, und so sind die Freikugeln bald aufgebraucht. Daher muss sich Wilhelm in der Wolfsschlucht neue Kugeln gießen, doch diesmal verlangt Pegleg seinen Preis: „Seven bullets. Six are yours and hit the mark. One is mine and hit the dark.“ Das Ende ist tragisch, beim entscheidenden Probeschuss trifft die siebte von Wilhelm abgefeuerte Kugel Käthchen, woraufhin Wilhelm vollends verrückt wird.

Update
„The Black Rider“ wurde wegen der COVID-19-Pandemie in die Spielzeit 2020/2021 verschoben.

Kommentare