„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“


„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“; Musik: Thomas Zaufke; Libretto: Peter Lund; Inszenierung, Bühne, Kostüme: Nick Westbrock; Dramaturgie: Anne Christine Oppermann; Musikalische Leitung, Klavier: William Ward Murta. Darsteller: Theresa Christahl (Charlotte), Nicolas Boris Christahl (Robert). Uraufführung: 30. April 2000, Neuköllner Oper, Berlin. Premiere: 1. Dezember 2019, Stadttheater Bielefeld, Loft.



„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“


Das Kammermusical am Stadttheater Bielefeld


„Babytalk“ (Uraufführung 30. April 2000) war das erste gemeinsame Musical von Komponist Thomas Zaufke (* 1966 in Bremen) und Autor Peter Lund (* 1965 in Flensburg). Es folgten u. a. „Elternabend“ (Uraufführung 21. November 2003), „Kauf dir ein Kind“ (Uraufführung 23. Juni 2007), „Mein Avatar und ich“ (Uraufführung 25. November 2010) „Grimm! Die wirklich wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf“ (Uraufführung 19. März 2015) und „Kopfkino“ (Uraufführung 13. April 2017), um nur einige Produktionen zu nennen, die alle an der Neuköllner Oper Berlin uraufgefärt wurden und häufig Themen zum Inhalt haben, die nach landläufiger Meinung nicht als Grundlage für das Musikalische Unterhaltungstheater taugen. Regelmäßig sind dabei Studierende aus dem Studiengang Musical/Show der Universität der Künste Berlin als Darsteller*innen involviert, wo Peter Lund seit 2002 als Professor die Fächer Darstellendes Spiel und Integrative Arbeit unterrichtet und vielfach als Autor für die jährliche Abschlussproduktion des Studiengangs fungiert. Nach der Uraufführung von „Babytalk“ mit Frederike Haas und Léon van Leeuwenberg wurde das Musical bereits an zahlreichen Bühnen aufgeführt und ist nunmehr mit den Eheleuten Theresa (Teenage Girl in „Lazarus“; Eliza Doolittle in „My fair Lady“; Sandra Templeton/Bloom in „Big Fish“, Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen und Prinzregententheater, München; Maria Magdalena in „Jesus Christ Superstar“, Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen) und Nicolas Boris Christahl (Kassar in „Disneys Aladdin – Das Musical“, Apollo Theater, Stuttgart und Theater Neue Flora, Hamburg; U-Bahn-Geist in „Ghost – Das Musical“, Theater des Westens, Berlin) in einer Inszenierung von Nick Westbrock („Malala“, Uraufführung 5. Juli 2019, Rudolf-Oetker-Halle, Bielefeld; „John & Jen“, deutschsprachige Erstaufführung: 23. Februar 2018, Theater am Alten Markt, Bielefeld; „Avenue Q“, Premiere 10. September 2017, Stadttheater Bielefeld) im Loft des Stadttheaters Bielefeld zu sehen.

„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“, Theater Bielefeld, William Ward Murta, Theresa Christahl (Charlotte) und Nicolas Boris Christahl (Robert). © Sarah Jonek

Zum Inhalt:
Charlotte und Robert sind seit 14 Jahren ein Paar, und als die beiden über die Ziele des Lebens nachdenken, steht plötzlich der Gedanke an Nachwuchs im Raum. Beide sind gesund, haben einen Job und zwei Zimmer zuviel, alles müsste wunderbar klappen. Wenn nur die Phantasie nicht wäre, die Gedanken beginnen zu kreisen: Ist jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt? Was macht eigentlich eine Schwangerschaft mit einem Frauenkörper? Mädchen oder Junge? Auf einmal stellen sie fest, dass nach 14 gemeinsamen Jahren der Partner doch noch ein unbekanntes Wesen ist. Natürlich geht es nicht um das Kind. Auch wenn Charlotte und Robert über nichts anderes reden und singen, geht es in Wirklichkeit um die beiden selbst. Die gemeinsamen Gespräche fördern auch Details aus die Vergangenheit des Partners zutage, die man bisher noch nicht kannte. Nachdem sich Charlotte ihre Spirale beim Gynäkologen entfernen lassen hat, ist es Robert, der von Albträumen geplagt wird und nicht seinen Mann steht, wenn es darauf ankommt. Irgendwann ist Charlotte endlich schwanger und alles könnte gut werden, aber wie das Leben so spielt…

„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“, Theater Bielefeld, Theresa Christahl (Charlotte) und Nicolas Boris Christahl (Robert). © Sarah Jonek

Nick Westbrock hat die Szenen einer Ehe mit den mitunter eindeutigen Texten von Peter Lund im Loft des Stadttheaters Bielefeld nicht völlig jugendfrei in Szene gesetzt, aber das liegt in der Natur der Sache, Kinder bekommt man eben nicht vom Händchenhalten, weshalb das Theater Bielefeld die Produktion ab 15 Jahren empfiehlt. Kam die Uraufführung an der Neuköllner Oper mit einer orangefarbenen Designer Sitzgarnitur auf einem schräggestellten Plateau als Bühnenbild daher, so hat Nick Westbrock seine Bühne komplett in Schwarz gehalten: zwei schwarze Kisten sowie schwarz bezogene Matraze, Bettdecke und Kopfkissen als Requisiten. Wenn die Zuschauer das Loft vor Beginn der Vorstellung betreten, liegen die beiden Darsteller bereits unter der Bettdecke versteckt, nur die Füße schauen heraus. „Babytalk“ hält dem Zuschauer den Spiegel vor, erscheint bisweilen geradezu wie aus dem Leben gegriffen. Das kann natürlich auch schiefgehen, aber hier funktioniert es und ist keine Fehlgeburt.

„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“, Theater Bielefeld, Nicolas Boris Christahl (Robert) und Theresa Christahl (Charlotte). © Sarah Jonek

Falls sich Theresa und Nicolas Boris Christahl als Ehepaar zuvor noch nicht mit der Kinderplanung beschäftigt haben sollten, so tuen sie es spätestens jetzt auf der Bühne. Bei den beiden wird das Gefühl von Nähe, Verständnis und Vertrauen sicher nicht nur beim stimmigen Zusammenspiel auf der Bühne präsent sein, was vielen Szenen in „Babytalk“ nochmals eine besondere Intensität verleiht. Mit ihrer Spielfreude und Bühnenpräsenz begeistern sie das Publikum im intimen Loft, gesanglich machen beide sowohl solistisch als auch in den harmonischen Duetten eine gute Figur.

„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“, Theater Bielefeld, Nicolas Boris Christahl (Robert) und Theresa Christahl (Charlotte). © Sarah Jonek

Die beiden werden von William Ward Murta, seit 1984 Musical-Kapellmeister am Theater Bielefeld, virtuos am Flügel begleitet, und mir fällt auf Anhieb keine Produktion im Loft ein, bei der es anders gewesen wäre. Aber Thomas Zaufke hat das Kammermusical für Klavier, Klarinette, Kontrabass und Gitarre komponiert, bei der Uraufführung auf der Studiobühne der Neuköllner Oper – die mit 60 Zuschauerplätzen auch nicht mehr Platz bietet als das Loft – vom Trio Bettina Koch, Stefan Schätzke/Jan Semmler und Daniel Zenke gespielt. Um an dieser Stelle aus einer Ankündigung für die Uraufführung zu zitieren: „Roberts tragische Erkenntnis über „Die fremde Frau in meinem Bett“ klingt mit Klavier, Baß und Saxophon gleich um einiges bluesiger.“ Das muss letzten Endes jeder Zuhörer für sich selbst entscheiden, und wer die von einem Trio gespielte Partitur nie gehört hat, wird womöglich gar nichts vermissen. Es ist nicht der Untergang des Abendlandes, und Nicolas Boris Christahl greift auch ein paarmal selbst zur Gitarre, aber das kann natürlich keinen „vollwertigen“ Musiker ersetzen.

„Babytalk – Das Kinder-Krieg-Musical“, Theater Bielefeld, Nicolas Boris Christahl (Robert) und Theresa Christahl (Charlotte). © Sarah Jonek

Nach etwa eindreiviertelstündiger sehenswerter Vorstellung – am Theater Bielefeld wird „Babytalk“ ohne Pause gespielt – bedachte das Premierenpublikum Theresa und Nicolas Boris Christahl, William Ward Murta und Nick Westbrock mit langanhaltendem Applaus. Die nächste Vorstellung steht am 20. Januar 2020 auf dem Spielplan.

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