Kleine Fische, große Fische: Theresa Christahl und Andreas Gergen im Gespräch


Theresa Christahl (* 1993 in München) schloss ihr Studium im Studiengang Musical an der Bayerischen Theaterakademie August Everding München 2017 mit einem Master of Arts ab und spielte noch während ihres Studiums im Prinzregententheater die Rolle der Sandra Bloom in der europäischen und deutschen Erstaufführung von „Big Fish“ (UA 6. Oktober 2013, Neil Simon Theatre, New York City) von Andrew Lippa („The Wild Party“, The Addams Family“) und John August („Charlie and the Chocolate Factory“, Regie Tim Burton, 2005) in der Inszenierung von Andreas Gergen, in der sie nunmehr auch in Gelsenkirchen zu sehen sein wird. Mit Andreas Gergen hat sie bereits 2015 bei „The Sound of Music“ in der Produktion des Landestheaters Salzburg am Prinzregententheater zusammengearbeitet, in der sie die Rolle der Liesl gespielt hat. Dem Gelsenkirchener Publikum ist sie als Maria Magdalena aus „Jesus Christ Superstar“ bekannt, am Stadttheater Bielefeld steht sie seit September 2018 als Blumenmädchen Eliza Doolittle in „My fair Lady“ (Inszenierung Thomas Winter) noch bis Juni 2019 auf der Bühne. Beim 44. Bundeswettbewerb Gesang Berlin gewann Theresa Christahl den Preis für die beste Darstellung einer Musical-Szene (Monolog aus „Lieber schön“ von Neil LaBute und der Song „Ganz kurz/In Short“ aus „Edges“ von Justin Paul und Benj Pasek).

Plakatmotiv „My fair Lady“, Theresa Christahl (Eliza Doolittle). © Bettina Stöß/Theater Bielefeld

Andreas Gergen (* 1973 in Saarlouis) hat den Studiengang Musical/Show an der Universität der Künste Berlin absolviert und war zunächst in verschiedenen Rollen auf der Bühne zu sehen, u.a. als Cover Clopin in Disneys „Der Glöckner von Notre Dame“, bevor er sich auf eigene Inszenierungen konzentrierte. Er leitete von 2004 bis 2006 das Berliner Schlossparktheater und wechselte danach zu Stage Entertainment, wo er zusammen mit Christian Struppeck – seit 2012 Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen Wien – in die Entwicklung von „Der Schuh des Manitu – Das Musical“ und des Musicals „Ich war noch niemals in New York“ involviert war. Seit 2008 ist Andreas Gergen als freischaffender Opern-, Operetten- und Musical-Regisseur tätig. 2009 gründete er mit Christian Struppeck die Creative Agency Berlin, von 2011 bis 2017 war er als Operndirektor des Salzburger Landestheaters tätig. Andreas Gergen inszenierte mittlerweile über 80 Opern, Operetten und Musicals, zu seinen letzten Regiearbeiten für die Vereinigten Bühnen Wien zählen „I am from Austria“ und „Don Camillo & Peppone“, für die FreilichtSpiele Tecklenburg „Don Camillo & Peppone“ (Premiere 21. Juni 2019), „Rebecca“ und „Cats“, und für die Stiftung Creative Kirche „Martin Luther King – Das Chormusical“ (Uraufführung 9. Februar 2019, Grugahalle Essen) und „Pop-Oratorium Luther – Das Projekt der tausend Stimmen“. Am 10. November 2016 zeigte die Bayerische Theaterakademie August Everding/Hochschule für Musik und Theater, München im Prinzregententheater die europäische und deutsche Erstaufführung von „Big Fish“ in der Inszenierung von Andreas Gergen in Kooperation mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, die ab dem 9. März 2019 auch in Gelsenkirchen zu sehen sein wird.

Sie arbeiten meines Wissens das erste Mal am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, haben aber im Ruhrgebiet bereits das „Pop-Oratorium Luther“ inszeniert und sind augenblicklich sicher parallel noch in die Endproben zu „Martin Luther King – Das Chormusical“ involviert, erleben jetzt also quasi den „Ruhrpott total“. Würden Sie gern auf dem Absatz kehrtmachen und Reißaus nehmen?

Andreas Gergen: Ich arbeite sehr gerne im „Pott“. Die Menschen zeichnen sich durch eine direkte und unverblümte Art aus, welche mir auch sehr nahe liegt. Schließlich bin ich seit fast 25 Jahren Wahl-Berliner und ich denke, hier ähneln sich die Mentalitäten.

Sie kennen den „Kohlenpott“ schon ein wenig von Ihrem Engagement bei „Jesus Christ Superstar“, wie sieht es bei Ihnen aus? Kommen Sie gern an das Musiktheater im Revier und nach Gelsenkirchen zurück?

Theresa Christahl: Ich empfand die Atmosphäre am MiR bei „Jesus“ sehr familiär und fühlte mich gut am Theater aufgenommen, daher freue ich mich sehr wieder an diesem Haus spielen zu dürfen.
Während der Spielzeit letztes Jahr habe ich noch weitere sehr schöne Orte neben dem Theater in Gelsenkirchen entdecken dürfen, zum Beispiel den Zoo oder den Stadtgarten, auf die ich mich auch wieder sehr freue.

„Big Fish“ dürfte als Musical in Deutschland bisher nicht sonderlich bekannt sein, der ein oder andere hat vielleicht den gleichnamigen Film von Kultregisseur Tim Burton aus dem Jahr 2003 gesehen. Das Kernthema des Films – lt. Lexikon des Internationalen Films eine „Hommage ans Geschichtenerzählen“ – ist der Konflikt zwischen dem fantasievollen Geschichtenerzähler Edward Bloom und dessen eher rationalem und nüchternem Sohn William. In einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung haben Sie sich vor einiger Zeit auch als Geschichtenerzähler bezeichnet. Aus Ihrer Sicht als Regisseur, um was geht in dem Musical? Wo sehen Sie die Hauptzielgruppe? Worauf legen Sie bei Ihrer Inszenierung besonderen Wert?

Andreas Gergen: In dem Musical „Big Fish“ geht es um die Philosophie der Hauptfigur, sein Leben in die Hand zu nehmen und zum „Held der eigenen Geschichte“ zu werden. Dabei ist es egal, ob man ein einfacher Arbeiter, Beamter oder eben Handlungsreisender wie Edward Bloom ist. Es kommt darauf an, was man daraus macht. In seinen Geschichten schießt Edward natürlich oft über sein Ziel hinaus, was seinen Sohn Will fuchst. Ich finde aber, dass das eine tolle Botschaft ist, die uns alle angeht. Insofern ist die Zielgruppe ein Publikum, was sich vom Geschichten­erzählen gerne in den Bann ziehen und verzaubern lässt. Die Herausforderung in der Inszenierung liegt darin, die unterschiedlichen Erzählebenen zu verdeutlichen, denn wir wechseln sowohl in 3 unterschiedlichen Altersstufen des Protagonisten und zusätzlich in einer speziellen Phantasie-Ebene.

„Big Fish“ mit Norbert Leo Butz – zweimaliger Gewinner des Tony Award als Bester Hauptdarsteller in einem Musical für Freddy in „Dirty Rotten Scoundrels“ (2005) und Carl Hanratty in „Catch me if you can“ (2011) – als Edward Bloom in der Inszenierung von Susan Stroman – fünffache Gewinnerin des Tony Award, vier Tony Awards für die Beste Choreografie und ein Tony Award für die beste Musicalregie für „The Producers“ (2001) – wurde am Broadway nach 34 Previews und 98 regulären Vorstellungen geschlossen. Wie gehen Sie als Regisseur mit so einem „Vermächtnis“ um?

Andreas Gergen: Ich bekomme mit einem Regie-Auftrag ein Textbuch. Und wenn mir dieses gefällt, mache ich mich ohne die Altlasten anderer Produktionen auf die Reise, um die Geschichte neu und ganz individuell aus meiner Perspektive mit heutiger Relevanz zu entdecken.

Bei der Produktion am Prinzregententheater München haben Sie mit Studierenden der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Hochschule für Musik und Theater München zusammengearbeitet. Wodurch unterscheidet sich die Arbeit mit jungen Leuten von Inszenierungen mit gestandenen Darsteller*innen?

Andreas Gergen: Bei jedem Darsteller – ob jung oder erfahren – gibt es als Regisseur jeweils andere Herausforderungen. Bei der Produktion war ich neben meiner Regie-Tätigkeit auch als Mentor und Dozent tätig. Oft fehlt die Technik, die man sich erst im Laufe einer Karriere aneignet, was aber auch von Vorteil sein kann. Emotionen kamen authentischer und unvermittelter. Ich habe die Arbeit mit den Studenten bei „Big Fish“ sehr genossen. Bei gestandenen Darstellern muss man manchmal das „Sicherheitsnetz“ entfernen, um den Mut zu aktivieren, die Emotion aus dem jetzigen Moment zu entwickeln und nichts „abzuspulen“. Jeder Darsteller ist da unterschiedlich und muss von mir als Regisseur zunächst durchschaut und verstanden werden.

Das Musiktheater im Revier zeigt die Übernahme der Produktion aus München, zumindest habe ich es bisher so verstanden. Wie kann man sich das vorstellen, wird man in Gelsenkirchen einen Klon Ihrer Inszenierung aus dem Jahr 2016 zu sehen bekommen? Beabsichtigen Sie, in Gelsenkirchen Änderungen an Ihrem ursprünglichen Regiekonzept vorzunehmen? Inwiefern unterscheidet sich eine Übernahme in Ihrer Arbeit von einer Neuinszenierung?

Andreas Gergen: In Gelsenkirchen haben wir neben den beiden Hauptdarstellern die Ausstattung (Bühne und Kostüme). Es gibt viele neue Darsteller in den weiteren Rollen und im Ensemble, auf deren Fähigkeiten ich als Regisseur eingehen muss. Es handelt sich dabei um einen Mix aus Musicaldarstellern, Schauspielern und Opernsängern. Meine Aufgabe ist es nun, nur das von den Akteuren zu verlangen, was sie wirklich mit ihrem individuellen Background erfüllen können. Insofern wird es einerseits eine „Replica“ der Produktion aus München, mit vielen Anpassungen und Adaptionen in Bezug auf die Darsteller*innen. Meine Sichtweise auf die Geschichte hat sich seitdem nicht verändert und das Textbuch auch nicht – hoffe ich…

Mit Ausnahme von Benjamin Oeser (Edward Bloom) und Theresa Christahl (Sandra Bloom) stehen in Gelsenkirchen andere Darsteller*innen auf der Bühne. Da die szenischen Proben meines Wissens erst Ende Januar beginnen, bleibt nicht viel Zeit für Experimente. Welche „Freiheiten“ räumen Sie den „neuen“ Darsteller*innen ein, würden Sie ggf. auch ein gänzlich anderes Rollenprofil im Vergleich zu München zulassen?

Andreas Gergen: Jeder Darsteller bringt neue Impulse auf eine Probe und in eine Produktion mit. Für mich als Regisseur ist es gut, bereits eine Fassung zu haben, die technisch funktioniert hat. Auf die „Neuen“ werde ich bezüglich neuer Impulse und Ideen eingehen. Probenzeit dafür haben wir mehr als genug und es ist wichtig, auf den Charakter des Darstellers einzugehen. Bei „I Am From Austria“ – der erfolgreichen Long-Run Produktion aus Wien – gibt es im laufenden Spielbetrieb für jede Rolle mindestens drei Besetzungen. Ich habe die unterschiedlichen Besetzungen ermutigt, ihren eigenen Weg zu den Rollen zu finden. Die Kollegen müssen sich am jeweiligen Abend dann entsprechend an neue Farben in der Interpretation anpassen. Das hält eine Produktion, die sechs- bis siebenmal pro Woche gespielt wird, frisch und authentisch. Nur so funktioniert Theater!

Wie würden Sie allgemein Ihre Arbeit als Regisseur beschreiben? Lassen Sie Darsteller*innen freie Hand bei der Erarbeitung einer Produktion, oder drängen Sie – gegebenenfalls auch gegen deren Willen – auf die Umsetzung Ihrer Konzepte und Ideen?

Andreas Gergen: Ich verstehe mich als „Spiegel“ der Darsteller auf der Probe, gebe also Feedback aus meiner Perspektive, was innerhalb meines Konzeptes funktioniert und was nicht. Das Wissen um den gegenseitigen Respekt ist dabei die Basis, Lob und Kritik unverblümt äußern zu können. Auf meinen Proben wird die Kreativität der Darsteller sehr gefordert. Dabei halte ich es dennoch von Vorteil für einen Regisseur, eine Probe so gut wie möglich vorzubereiten, um Vorschläge und künstlerische Angebote machen zu können, falls der kreative Fluss in der Arbeit mal ins Stocken kommt.

Etwa 30 Jahre nach Einführung einer staatlichen Musicalausbildung im deutschsprachigen Raum steht inzwischen m. E. eine Vielzahl von hochqualifizierten Musicaldarsteller*innen für die Besetzung von Musicalproduktionen zur Verfügung. Davon kann man sich regelmäßig beispielsweise bei den Absolventenpräsentationen oder beim Bundeswettbewerb Gesang Berlin überzeugen. Wie schaffen Sie es bei einer Audition, innerhalb weniger Minuten aus hunderten Bewerber*innen den/die geeignete Darsteller*in für eine Rolle auszuwählen? Ist es im Laufe der Jahre schon einmal vorgekommen, dass unter den Bewerber*innen für eine Rolle niemand Ihren Vorstellungen entsprach?

Andreas Gergen: Alles kann passieren und genau das ist das spannende an der Theaterarbeit. Kein Tag ist wie der andere. Keine Audition wie eine andere… Das hängt natürlich mit der Tatsache zusammen, dass es dabei immer wieder neue Menschen gibt, die ich bei einem Vorsingen oder -sprechen kennenlernen muss. Im Laufe meiner mittlerweile 90 Produktionen habe ich natürlich viel Erfahrungen gesammelt und kann mittlerweile schnell einschätzen, wer aus meiner Sicht eine Partie übernehmen kann oder nicht.

Bei vielen Produktionen spielen äußere „Zwänge“ eine nicht unbedeutende Rolle: Am Stadttheater müssen häufig Mitglieder aus dem festem Gesangsensemble besetzt werden, das Budget ist begrenzt, der renommierte „Musicalstar“, den Sie vielleicht gern für die Hauptrolle besetzen würden, ist schlicht und ergreifend zu teuer. Auf der anderen Seite möchte man dem Publikum ein ansprechendes, optimales Ergebnis präsentieren und keinen – womöglich „faulen“ – Kompromiss. Wie bewerkstelligen Sie diesen „Spagat“?

Andreas Gergen: Diesen Spagat gab es schon immer und zu allen Zeiten. Meine Aufgabe als Regisseur besteht darin, ein künstlerisches Team zu schmieden und dabei Schwächen der Darsteller zu kaschieren und Stärken herauszuarbeiten. Erst die Ecken und Kanten machen einen Darsteller spannend, perfekt ist langweilig…

Als Intendant des Berliner Schlossparktheaters und Operndirektor des Salzburger Landestheaters waren Sie doch bestimmt auch mit Verwaltungsaufgaben betraut und kennen äußere „Zwänge“ nur zu gut. Waren Ihnen solche Aufgaben als Kreativer mitunter lästig? Würden Sie gern nochmals eine Intendanz übernehmen, oder fühlen Sie sich als freischaffender Regisseur wohler? Würden Sie gern nach den vielen Jahren „auf der anderen Seite“ erneut selbst auf der Bühne stehen oder schließen Sie das völlig aus?

Andreas Gergen: Ich habe bereits sehr viele Budgets erarbeitet und an unzähligen Finanzmeetings unterschiedlicher Unternehmen teilgenommen. Das ist neben der kreativen Seite eine Aufgabe, die ich ebenfalls mag und notwendig finde, um die Zusammenhänge einer Produktion zu verstehen. Ich liebe die Vielfältigkeit meines Berufes – sei es als Operndirektor in Salzburg, Intendant des Schlossparktheaters, freiberuflicher Regisseur oder Darsteller. Jede Zeit hat eine bestimmte Aufgabe. Und keine der vielen Möglichkeiten möchte ich persönlich für meine Zukunft ausschließen.

Sie haben in den letzten Jahren „Das Phantom der Oper“ (Premiere 29. November 2012, Ronacher) und „Love Never Dies“ (Premiere 18. Oktober 2013, Ronacher) jeweils in einer konzertanten Fassung sowie „Der Besuch der alten Dame“ (UA 16. Juli 2013, Thuner Seespiele, Premiere 19. Februar 2014, Ronacher), „Don Camillo & Peppone“ (UA 30. April 2016, Theater St. Gallen, Premiere 27. Januar 2017, Ronacher) und „I am from Austria“ (UA 16. September 2017, Raimund Theater) inszeniert, was im Zusammenhang mit der Musical-Intendanz von Christian Struppeck Kritik bzw. Widerstand gegen Ihre Personalie von VBW-Geschäftsführer Franz Patay hervorgerufen hat. Was sagen Sie zu dieser Kritik, die immerhin weitreichende Folgen hat?

Andreas Gergen: Christian Struppeck und ich sind neben der privaten Ebene seit 20 Jahren ein künstlerisches Team und das wird weiter so bleiben – sei es in Wien oder anderenorts. Und ich bin mir sicher, dass ich nach „I Am From Austria“ – dem größten Erfolg des Unternehmens – auch wieder mal für die Vereinigten Bühnen Wien arbeiten werde. Zunächst bin ich aber mal bis Ende 2020 ausgebucht, wofür ich sehr dankbar bin. Die VBW müssen sich also noch etwas gedulden…

Was wird „Big Fish“ in Gelsenkirchen auszeichnen, warum sollte man die Produktion auf keinen Fall verpassen?

Andreas Gergen: Den Gelsenkirchener Zuschauer erwartet ein episches Werk voll Fantasie und Theaterzauber, das niemand verpassen sollte, dem es gelungen ist, seine Kindheit in die Tasche zu stecken, um sie bis an sein Lebensende darin aufzubewahren – wie der bedeutende Theatermann Max Reinhardt die Begeisterung für die Darstellende Kunst beschrieb.

Theresa Christahl: „Big Fish“ ist nicht einer der typischen „Musical-Klassiker“ wie man sie in vielen Stadt- und Staatstheatern im deutschsprachigen Raum auf der Bühne sehen kann, sondern doch noch relativ neu in Deutschland. Es ist eine bunte Geschichte, die Phantasie und Wirklichkeit in einer sehr berührenden Weise miteinander verbindet und musikalisch wunderbar untermalt wird. Also jeder der gerne mal ein neues, wunderschönes Musical abseits des Musical-Mainstream kennenlernen möchte, sollte uns unbedingt besuchen kommen.

Zum Verständnis: Früher schloss man das Musicalstudium an staatlichen Hochschulen nach vier Jahren mit dem Diplom ab, inzwischen bieten die meisten staatlichen Hochschulen den Bachelor-Studiengang mit einer Regelstudiendauer von vier Jahren an. Wodurch unterscheidet sich der Master-Studiengang an der Bayerischen Theaterakademie August Everding München vom Bachelor-Studiengang? Vier Jahre sind vier Jahre, und auch in München hat der Tag nur 24 Stunden.

Theresa Christahl: Der Bachelor-Studiengang für Musicaldarsteller dauert drei Jahre an der Theaterakademie August Everding. Allgemein besteht die Möglichkeit, ein zusätzliches viertes Jahr mit dem Master Abschluss anzuhängen, um seine Ausbildung nochmals zu intensivieren und zu spezifizieren. Für dieses können sich aber auch Externe mit einem gleichwertigen Abschluss (Bachelor, Diplom, etc.) bewerben. Auch ich musste nochmal eine Aufnahmeprüfung für den Master-Studiengang ablegen. Es steht eben aber auch jedem frei, nach drei Jahren in die Berufspraxis zu gehen.
Warum der Bachelor gerade in München nur drei und nicht vier Jahre dauert, kann ich nicht genau sagen, da ich ja nur Erfahrungen in München sammeln konnte.

Wie ist es Ihnen nach Ihrem Studium bisher ergangen, haben sich Ihre Erwartungen an den Berufsalltag als Musicaldarstellerin erfüllt?

Theresa Christahl: Ich glaube in unserem Beruf ist es nicht anders als in jedem anderen. Die Schule vermittelt einem, wie das Berufsleben aussehen soll und man entwickelt seine eigenen Vorstellungen, was einen „draußen“ erwartet. Meine Erwartungen haben sich auf jeden Fall erfüllt: Es kann ein sehr schöner Beruf sein, wenn man auf der Bühne stehen, mit tollen Kollegen und Regisseuren arbeiten darf. Genauso gibt es aber natürlich auch die Schattenseiten, wenn man nach dem zehnten Vorsprechen wieder kein Angebot bekommen hat, man die meiste Zeit aus dem Koffer lebt und sich einfach nach seinen Lieben zuhause sehnt.
Das alles hört und denkt man sich in der Theorie, wie man aber selber dann in diesen Situationen mit seinen Emotionen umgeht, darauf kann einen niemand vorbereiten und kommt dann doch anders wie man es erwartet.
Trotzdem überwiegen alles in allem die positiven Seiten und ich arbeite sehr gerne in meinem Beruf.

Sie haben in ihrem bisherigen Berufsleben noch nicht mit so vielen Regisseuren zusammen­ge­arbeitet, aber was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit Andreas Gergen besonders? Erleichtert das vorherige Musical-Studium – Thomas Winter hat ebenfalls vor seiner Tätigkeit als Regisseur den Studiengang Musical absolviert – die Zusammenarbeit von Darsteller und Regisseur?

Theresa Christahl: Ich habe Andreas schon als Studentin kennenlernen dürfen, da mein gesamter Jahrgang für das Gastspiel der Salzburger Produktion von „The Sound of Music“ in München als Musical-Ensemble engagiert wurde. Damals durften wir ein paar Tage mit Andreas proben und da hatte ich schon große Lust, nochmal mit ihm zu arbeiten. In Proben mit ihm herrschen meistens gute Laune und eine angenehme Stimmung, was es einem sehr leicht macht, sich in die jeweilige Situation fallen zu lassen.
Ganz allgemein gesagt kann ich basierend auf meiner bisherigen Erfahrung sagen, dass es durchaus nicht schadet, wenn der Regisseur einen gewissen Background als Darsteller hat. Das Verständnis für Vieles ist einfach da und man muss sich oft nicht groß erklären.

Andreas Gergen: Als Regisseur, der selber auf der Bühne stand, kann ich sehr gut nachvollziehen, wie ein Darsteller in den unterschiedlichen Stadien einer Produktion empfindet. Sei es auf der Probe oder vor einer Premiere – oft geht es um Ängste und Hemmungen, die man dem Darsteller als Regisseur nehmen oder in Spielfreude umwandeln muss. Vertrauen und die nötige Sensibilität spielt da eine große Rolle.

Sandra tritt im Stück sowohl als etwa zwanzigjährige Studentin Sandra Templeton als auch als etwa fünfzigjährige Ehefrau Edwards und Williams Mutter Sandra Bloom in Erscheinung. Im Film werden diese beiden Figuren von zwei verschiedenen Darstellerinnen gespielt. In die Rolle einer zwanzigjährigen Studentin können Sie sich sicherlich problemlos hinein­ver­setzen, aber wie steht es um die etwa fünfzigjährige Ehefrau und Mutter?

Theresa Christahl: Ich glaube der Schlüssel ist bei Figuren, die in unterschiedlichen Altersstufen dargestellt werden, im Äußeren klar zu sein. Wie ist die Körperlichkeit der Person in diesem Alter, wie schnell bewegt sie sich überhaupt etc. Da kann man sich viel in dem eigenem Umfeld und im alltäglichen Leben abgucken. Bei den Emotionen ist das schon schwieriger, denn natürlich weiß ich (noch) nicht, wie man sich als Mutter oder gar Großmutter fühlt, aber ich denke wenn man bei den Grundgefühlen wie der Verlust eines geliebten Menschens oder die Liebe zu seiner Familie bleibt, kann man das auch gut für sich selbst umsetzen.

Sie spielen bis Juni 2019 auch noch das Blumenmädchen Eliza Doolittle in „My fair Lady“, das am Stadttheater Bielefeld vor ständig ausverkauftem Haus im Repertoire gezeigt wird. Sie werden also während der Proben zu „Big Fish“ einige Male zwischen Gelsenkirchen und Bielefeld pendeln (müssen). Ich nehme an, dass das Engagement in Gelsenkirchen bereits vor dem Angebot aus Bielefeld fixiert war, „Big Fish“ sollte ja ursprünglich bereits in der Spielzeit 2017/2018 am Musiktheater im Revier gezeigt werden. Nun ist die Rolle des Blumenmädchens bedeutend umfangreicher als die der Sandra Bloom. Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt – vielleicht ganz kurz – darüber nachgedacht, „Big Fish“ in Gelsenkirchen abzusagen? Wer wird für Sie in der Vorstellung am 9. März – dem Premierendatum von „Big Fish“ – in Bielefeld das Blumenmädchen spielen?

Theresa Christahl: Nein, da es nie ein Problem war, die beiden Produktionen zu verbinden. Desweiteren ist mir Loyalität zu den Häusern und meinen Verträgen sehr wichtig, deswegen gab es für mich die Option „Big Fish“ abzusagen nicht.
Ich bin aber sowohl dem Musiktheater im Revier als auch dem Theater Bielefeld dankbar, dass sich beide Produktionen so wunderbar vereinen ließen. Leider ist mir bisher nicht bekannt, wer für mich am 9. März die Eliza übernehmen wird.

Nach Plänen für die Spielzeit 2019/2020 zu fragen, dürfte im Augenblick verfrüht sein, da die meisten Stadt-/Staatstheater ihre Spielpläne erst im Frühjahr vorstellen, aber gibt es Rollen, für die Sie brennen und die Sie auf jeden Fall gern (irgendwann) spielen möchten?

Theresa Christahl: Auf „Traumrollen“ möchte ich mich nicht versteifen. Ich habe bis jetzt in meiner bisherigen Laufbahn einige tolle Rollen spielen dürfen, für die ich sehr dankbar bin, und freue mich auf jede, die noch kommt.

Viel Erfolg für die Probenarbeit zu „Big Fish“ und toi, toi, toi für die Premiere am 9. März 2019 im Großen Haus.

Anmerkung: Nadine Stöneberg (Eliza Doolittle in „My fair Lady“, Oper Wuppertal, Premiere 22. Oktober 2017, Regie Cusch Jung) übernimmt am 9. März die Rolle der Eliza Doolittle in Bielefeld.


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