„Thrill Me – Die Leopold & Loeb Story“

„Thrill Me – Die Leopold & Loeb Story“ – nach der wahren Geschichte der „thrill killers“ Nathan Leopold and Richard Loeb; Musik, Lyrics und Buch: Stephen Dolginoff; Deutsche Bearbeitung: Bernd Julius Arends; Inszenierung: Nico Rabenald; Musikalische Leitung, Klavier: Jan Wolf; Bühne: Alexander Arnold, Udo Lutz; Kostüme: Karin Alberti; Sounddesign: Marc Bartels. Darsteller: Bernd Julius Arends (Nathan Leopold) und Dominik Schulz (Richard Loeb). Sprecher: Björn Jung und Helmut Sanftenschneider (Bewährungskommission), Timon Hoffmann (Radionachrichtensprecher). Uraufführung: 2003, Midtown International Theatre Festival, New York City. Off-Broadway Premiere: 16. Mai 2005, The York Theatre at St. Peters, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 5. Oktober 2012, KATiELLi Theater, Datteln.



„Thrill Me – Die Leopold & Loeb Story“


Deutschsprachige Erstaufführung am KATiELLi Theater in Datteln


Das Musical „Thrill Me – Die Leopold & Loeb Story“ beruht auf der wahren Geschichte von Nathan Leopold und Richard Loeb, die 1924 einen Jungen umbrachten, um das „perfekte Verbrechen“ zu begehen. Die Originalproduktion von „Thrill Me: The Leopold & Loeb Story“ wurde 2003 beim Midtown International Theatre Festival in der Regie von Martin Charnin gezeigt. Vom 16. Mai 2005 bis 21. August 2005 folgte die Off-Broadway Produktion der York Theatre Company, und vom 5. bis 30. April 2011 wurde es in London am Tristan Bates Theatre aufgeführt. Die Produktion wurde vom Charing Cross Theatre am West End übernommen und dort vom 17. Mai bis 11. Juni 2011 gezeigt. Nun erlebt das Musical in der Deutschen Fassung von Bernd Julius Arends seine Deutschsprachige Erstaufführung am KATiELLi Theater in Datteln, Bernd Julius Arends (Nathan Leopold) und Dominik Schulz (Richard Loeb) verkörpern die beiden „Thrill Killers von Chicago“. Knapp zwei Jahre nach Eröffnung seines KATiELLi Theaters am 20. November 2010 im ehemaligen Lichtburg-Kino in Datteln zeigt Theaterbesitzer Bernd Julius Arends „Thrill Me – Die Leopold & Loeb Story“ als dritte eigene Musicalproduktion – nach „tick, tick… BOOM!“ im April 2011 und „King Kong – Das Musical“ im Februar 2012.

Foto Ilona Voss, Plakatdesign Phine.Licht/Phillip Niggemeier

Spoilerwarnung: Der folgende Abschnitt enthält die historischen Fakten zum „Verbrechen des Jahrhundert“. Um den Text sichtbar zu machen, muss dieser markiert werden.

Chicago 1924 – Nathan Freudenthal Leopold, Jr. (* 19. November 1904 in Chicago, Illinois, † 29. August 1971 in Puerto Rico) und Richard Albert Loeb (* 11. Juni 1905 in Chicago, Illinois, † 28. Januar 1936 in Joliet, Illinois), zwei Studenten aus wohlbehüteten Elternhäusern, brauchen ständig den ganz besonderen Kick. Anfangs sind es kleinere Strafdelikte wie Einbruch, Diebstahl und Brandstiftung. Aber schon sehr bald findet Richard das alles viel zu banal. Ihm fehlt der Reiz, der Nervenkitzel. Er plant das perfekte Verbrechen, einen Mord. Nathan, der aus Liebe zu Richard alles für ihn macht, wird ihm dabei helfen. Es soll das perfekte Verbrechen im Sinne Friedrich Nietzsches werden. Leopold und Loeb waren außergewöhnlich intelligent, Nathan Leopold hatte bereits das College abgeschlossen und war Jurastudent an der Universität von Chicago. Richard Loeb war der jüngste Absolvent in der Geschichte der Universität von Michigan und plante, ebenfalls an der Universität von Chicago Jura zu studieren. Aber sind die beiden wirklich intelligenter als der Rest der Welt? Am 21. Mai 1924 entführten sie den 14 Jahre alten Sohn des Millionärs Jacob Franks, Robert „Bobby“ Franks, erschlugen ihn und versteckten seine Leiche in einem Graben unter den Eisenbahnschienen der Pennsylvania Railroad nördlich von Wolf Lake in Hammond, Indiana. Um die Identifikation zu erschweren, übergossen sie die Leiche mit Salzsäure. Im Anschluss versuchten sie eine Entführung vorzutäuschen und verlangten Lösegeld, die Löse­geld­forderung hatten sie auf einer Schreibmaschine Modell „Underwood No. 3“ geschrieben, die sie bei einem Einbruch bei Richard Loebs früherer Studentenverbindung an der Universität von Michigan, Ann Arbor am 10. November 1923 gestohlen hatten. Doch bevor Franks´ Eltern das Lösegeld bezahlen konnten, fand Tony Minke die Leiche des Jungen. Eine Hornbrille mit außergewöhnlichen Scharnieren, die neben der Leiche gefunden wurde, führte Detective Hugh Patrick Byrne schließlich zu Nathan Leopold. Als Nathan Leopold und Richard Loeb gefasst und verhört wurden, fielen ihre fingierten Alibis wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Beide gestanden die Tat, beschuldigten aber den jeweils anderen des eigentlichen Mordes. Der mit ihrer Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt Clarence Darrow (* 18. April 1857 in Kinsman, Ohio, † 13. März 1938 in Chicago, Illinois) konnte Richter John Richard Caverly (* 6. Dezember 1861 in London, England, † 4. August 1939 auf einer Seereise nach Bermuda) in seinem Plädoyer davon überzeugen, Nathan Leopold und Richard Loeb nicht mit dem Tod durch den Strang zu verurteilen, da beide Angeklagten noch minderjährig waren. Stattdessen wurden sie am 10. September 1924 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe für den Mord und zu weiteren 99 Jahren Gefängnis für die Entführung verurteilt. Am 28. Januar 1936 wurde Richard Loeb unter der Dusche von seinem Zellengenossen James E. Day mit einem Rasiermesser attackiert und erlag seinen Verletzungen. In seiner Autobiografie „Life Plus 99 Years“ bezeichnet Nathan Leopold die Behauptung von James E. Day, Richard Loeb habe ihn sexuell belästigt und er habe in Notwehr gehandelt, als albern und lächerlich. Am 20. Februar 1958 wurde bei der fünften Anhörung vor dem Bewährungsausschuss seinem Antrag auf Freilassung entsprochen und Nathan Leopold am 13. März 1958 auf Bewährung auf freien Fuß gesetzt. Er verbrachte die Jahre bis zu seinem Tod im August 1971 in Puerto Rico, um dem Medienrummel zu entgehen. Soweit die historisch gesicherten Fakten. Patrick Hamilton ließ sich von der Geschichte zu seinem Theaterstück „Rope“ inspirieren, das Alfred Hitchcock in „Cocktail für eine Leiche“ verfilmt hat, und Meyer Levin hielt sich in seinem Roman „Compulsion“ eng an die bekannten Fakten, änderte lediglich die Namen der Akteure. Der Roman wurde 1959 verfilmt, Orson Welles spielte die Rolle des Rechtsanwalts.

Stephen Dolginoff (Buch, Musik und Lyrics) erzählt die Geschichte von Nathan Leopold und Richard Loeb in Rückblenden. Das Musical „Thrill Me – Die Leopold & Loeb Story“ beginnt mit dem fünften Anhörungstermin vor dem Bewährungsausschuss, der im Musical auf den 13. März 1958 datiert wird, bei der Nathan Leopold alle Fakten des „Verbrechens des Jahrhunderts“ in der Hoffnung auf Freilassung offen legt. Er erinnert sich an die Ereignisse, die sich 1924 in Chicago zugetragen haben, und der Zuschauer kann seinen Schilderungen anhand des Bühnengeschehens folgen. In der atmosphärisch dichten Inszenierung von Nico Rabenald werden die Fragen des Bewährungsausschusses aus dem Off eingespielt (Sprecher: Björn Jung und Helmut Sanftenschneider), Bernd Julius Arends (Nathan Leopold) steht bei den Anhörungsszenen jeweils unter einer flackernden Glühbirne, so dass leicht zwischen 1958 und 1924 unterschieden werden kann. Naturbelassenes Holz mit der Anmutung von Europoolpaletten ist der herausragende Werkstoff des Bühnenbildes von Alexander Arnold, ein auf Rollen fahrbarer Kasten dient als Bett und durch die beiden Scheinwerfer erkennbarer Roadster. Einfach, aber höchst eindrucksvoll. Um die Phantasie der Zuschauer zu beflügeln, werden Projektionen eingesetzt, beispielsweise wird ein Bild der Lösegeldforderung in Höhe von 10.000 Dollar gezeigt. Karin Alberti hat die beiden Akteure passend zu den 1920er Jahren gekleidet, wie man es von historischen Fotos aus dieser Zeit kennt. Ein altes Radio, zwei alte Telefonapparate, ein Brecheisen und natürlich eine alte Schreibmaschine, mehr Requisiten sind nicht nötig, um das „Verbrechens des Jahrhunderts“ hautnah miterleben zu können. Der Musikalische Leiter Jan Wolf bringt Stephen Dolginoffs Partitur für die Zuschauer nicht sichtbar hinter den Kulissen am Klavier zu Gehör und unterstützt die beiden Darsteller auf der Bühne makellos.

Dominik Schulz verleiht der Figur des Richard Loeb die erforderliche Gefühlskälte, Arroganz, und berechnenden Egoismus, optisch kann er von Natur aus mit jeder Menge Sexappeal aufwarten. Die Brutalität, mit der er bei dem Mord zu Werke geht, kann einem schon das Fürchten lehren. Die entscheidende Frage nach der Motivation für den Mord wird im Musical für Richard Loeb damit beantwortet, dass er davon überzeugt ist, ein „Übermensch“ im Sinne Friedrich Nietzsches zu sein, wobei es dem Zuschauer überlassen bleibt, selbst zu ergründen, was Nietzsche mit diesem Begriff meint. Da ist Nathan Leopolds Motiv sehr viel greifbarer und verständlicher, er hat alles nur aus Liebe getan. Er wollte die ganze Zeit nur mit Richard Loeb zusammen sein. Bernd Julius Arends lässt sich als hoffnungslos in Richard Loeb verliebter Nathan Leopold glaubhaft zu dessen Werkzeug machen, unterwürfig bettelt er um dessen Liebe und freut sich wie ein Kind über jede noch so kleine Zuneigung. Dementsprechend unterzeichnet er den Vertrag, der ihm Richards sexuelle Zuneigung im Gegenzug zu seiner Komplizenschaft bei Richards Verbrechen zusichert, auch nur widerwillig. Doch auch für Nathan Leopold wendet sich irgendwann das Blatt, als er erkannt hat, wie es ihm tatsächlich gelingen kann, immer mit Richard Loeb zusammen sein.

Das Musical „Thrill Me – Die Leopold & Loeb Story“ ist anspruchsvolle Unterhaltung, mit dem dem KATiELLi Theater erneut eine beeindruckende deutschsprachige Erstaufführung gelungen ist. Das Stück steht noch bis zum 28. Oktober 2012 auf dem Spielplan. Tickets unter 0177 9776356.

Kommentare