„Die Tagebücher von Adam & Eva“

„Die Tagebücher von Adam & Eva“ – nach den Kurzgeschichten von Mark Twain; Musik und Arrangements: Marc Seitz; Buch und Liedtexte: Kevin Schroeder; Creative Development: Christian Struppeck & Andreas Gergen; Regie: Christoph Drewitz; Musikalische Leitung: Nikolai Orloff; Bühne: Michael Korn; Kostüme: Regina Schill. Darsteller: Vera Bolten (Eva) und Alex Melcher (Adam). Uraufführung: 3. März 2012, Admiralspalast Studio, Berlin. Besuchte Vorstellung: 5. April 2012, KATiELLi Theater, Datteln.



„Die Tagebücher von Adam & Eva“


Ein Musical mit zwei nAkten


Die Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose im Alten Testament liest sich nicht unbedingt wie ein interessanter Bühnenstoff, doch der amerkanische Schriftsteller Mark Twain (eigentlich Samuel Langhorne Clemens, * 30. November 1835 in Florida, Missouri, † 21. April 1910 in Redding, Connecticut) schuf mit den Kurzgeschichten „Extracts from Adam´s Diary“ und „Eve´s Diary“ (Erstveröffentlichung 1904) eine satirische Auseinandersetzung mit Kirche, Religion und Bibel, und vor allem auch ein großes Plädoyer für die Liebe. Liebe auf den ersten Blick war es bei Adam und Eva wohl nicht: „Dieses neue Geschöpf mit langen Haaren ist ganz schön lästig. Ständig treibt es sich hier herum und folgt mir überall hin nach. Das behagt mir gar nicht …“ Schließlich kommt Adam aber zu dem Schluss, dass er sich wohl in Eva getäuscht hat: „Nach diesen vielen Jahren erkenne ich, dass ich mich in Eva anfangs getäuscht habe. Ich lebe viel lieber mit ihr außerhalb des Gartens als ohne sie im Garten. Früher glaubte ich, sie rede zu viel; aber nun wäre ich traurig, wenn ihre Stimme verstummte und aus meinem Leben verschwände.“ Eva wünscht sich schließlich, dass sie als Erste sterben möge, da ein Leben ohne ihn kein Leben sei, ihr Tagebuch endet mit den Worten: „An Evas Grab – Adam: Wo immer sie war, da war Eden.“ Woher Mark Twain seine Erkenntnisse nahm – im ersten Buch Mose ist davon nicht die Rede – dieses Geheimnis nahm er 1910 mit ins Grab. Doch sollte man die Tagebücher deswegen nicht leichtfertig als erfunden abtun, schließlich gehen die von Mark Twain verfassten Kurzgeschichten wie die zahllosen Geschichten um Adam und Eva, welche Judentum, Christentum und Islam den Menschen seit Jahrtausenden erzählen, von Genesis 2 – 4 aus. Marc Twains Kurzgeschichten inspirierten Marc Seitz (Musik und Arrangements) und Kevin Schroeder (Buch und Liedtexte) zu ihrem neuen Zwei-Personen-Musical „Die Tagebücher von Adam & Eva“, das versucht, die in der subjektiven Darstellung in den Tagebüchern von Mark Twain amüsant zu verfolgenden Wahrnehmungen von Adam und Eva in eine Dialog-Form für die Bühne zu übertragen. Die Idee ist nicht neu. Jerry Bock (Musik) und Sheldon Harnick (Liedtexte) („Fiddler on the Roof“) schrieben die Musical-Trilogie „The Apple Tree“, deren erster Teil „The Diary of Adam and Eve“ ebenfalls auf den Kurzgeschichten von Mark Twain basiert. „The Apple Tree“ feierte am 18. Oktober 1966 am Shubert Theatre seine Broadwaypremiere und wurde dort in 463 Aufführungen gezeigt. Barbara Harris, die im ersten Teil die Rolle der Eva spielte, wurde 1967 mit einem Tony Award als beste Musicaldarstellerin ausgezeichnet.

Zum Inhalt:
Adam und Eva laufen sich am Gang neben den Zuschauerplätzen über den Weg, und er ruft ihr zu: „Er ist weg!“ Eva: „Wer ist weg?“ Adam hält einen Zettel hoch mit den Worten: „Na, Kain. Hier steht´s: Bin weg. Kain.“ Alles auf Anfang, Eva taucht als Rucksacktourist im quietschgelben Paradies mit einigen Hügeln und Bäumen (Bühne: Michael Korn) auf, wo es sich Adam – bisher namenlos – bereits in kurzen Hosen und Muskelshirt (Kostüme: Regina Schill) gemütlich gemacht hat und in den Tag hineinlebt. Eva ist das genaue Gegenteil, hyperaktiv, sie redet unaufhörlich und ist permanent damit beschäftigt, allem und jedem einen Namen zu geben … indem sie die Welt – und auch den überrumpelten Adam – mit Zetteln ausschildert. Nichts ist mehr, wie es vorher war, Adam sei Eva „ähnlich, aber ein bisschen dämlich“, die unterschiedlichen Standpunkte werden schnell klar, und so versucht Adam, Eva aus dem Weg zu gehen, wo er nur kann, nur um kurze Zeit später doch wieder von ihr aufgespürt zu werden. Natürlich bleibt es Eva nicht verborgen, dass sie unerwünscht ist, und so redet sie mit ihrem eigenen Spiegelbild im Teich, das sie für eine „Freundin“ hält. Mit einem Mal taucht ein Zettel mit der Botschaft auf: „Dies ist der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Wer seine Früchte isst, muss sterben und sich dem Tod stellen.“ Da diese Botschaft nicht von Eva stammt, einigt man sich auf den „großen Zettelschreiber“ als Urheber. Adam nutzt die Situation prompt für sich, indem er selbst Botschaften wie „Der Mann braucht seine Ruhe, die Frau darf nicht so viel reden“ verfasst, kann er sich ein klein wenig Unabhängigkeit zurückerobern. Als sich Eva zu ihrer Freundin in den Teich stürzt, wägt Adam lange ab, was zu tun sei, rettet sie aber schließlich doch, „obwohl vieles dagegen spricht“. Eva pflückt daraufhin den verbotenen Apfel, beißt zu, und ein Blitz entfacht das Feuer im Paradies.

Am Morgen danach wachen beide nackt in der schwarzen Wildnis auf, und Adam gibt sich als der „große Zettelschreiber“ zu erkennen. Als ihn Eva wütend losschickt, nach dem verlorenen Garten zu suchen, meint Adam allein in der Wildnis einen muskelbepackten Typ mit Flügeln und Flammenschwert zu sehen. Von der Suche zurückgekehrt, stellt ihn Eva vor vollendete Tatsachen, sie werde ihn verlassen, da er ihr seine „erste Eva“ Lilith verheimlicht habe. (Anmerkung: Der Midrasch Bereschit Rabba 22,7 spricht von einer „ersten Eva“, die wieder zu Staub geworden war und um deren Besitz sich Kain und Abel gestritten haben sollen. In der mittelalterlichen Literatur wird der Gedanke weiter ausgesponnen und mit der Figur der Lilith verbunden, die eigentlich ein Dämon war.) Erstmals merkt Adam, wie viel ihm Eva inzwischen bedeutet, doch als er reumütig zu Eva zurückkehrt, hält diese ein Kind – Kain, den Adam zunächst für einen „Fisch“ hält – in ihrem Arm. Zum Beweis, dass Adam sich geändert hat, wird eine neue Hütte gebaut, Adam und Eva bekommen ein zweites Kind, und Adam spornt seine Söhne an, dem „großen Zettelschreiber“, den es offensichtlich doch geben muss, das beste Geschenk auf dem Altar – einem Werkzeugkasten – zu opfern. Aus Nebensätzen erfährt man nach diversen Zeitsprüngen von dem schlechten Verhältnis zwischen Kain und Abel, und auch von Kains Brudermord. Das Paradies bleibt natürlich für immer verloren, aber Adam muss doch erkennen, dass ein Leben ohne Eva ziemlich trostlos wäre, so dass er am Ende konstatiert: „Wo immer Eva war, da war Eden.“

Vor gut einem Jahr, am 1. April 2011 waren Vera Bolten und Alex Melcher erstmals auf der Bühne des KATiELLi Theaters zu erleben, zusammen mit Theaterbesitzer Bernd Julius Arends spielten sie in „tick, tick… BOOM!“ Nun sind sie für drei Aufführungen von „Die Tagebücher von Adam & Eva“ nach Datteln zurückgekehrt und legen als versierte und charmante Darsteller die Meßlatte für nachfolgende Inszenierungen ziemlich hoch. Ihre Charakterzeichnungen sind in komischen und auch dramatischen Szenen glaubhaft, ihre Mimik und Gestik ist einfach herrlich, und mit ihren gesanglichen Leistungen können sie sowohl einzeln als auch im Duett überzeugen. Am KATiELLi Theater setzte Nikolai Orloff die Partitur von Marc Seitz, die lyrische und jazzige Elemente vereint, mit reiner Klavierbegleitung versiert um. Persönlich hätte ich mir zwar die kleine Bandbesetzung mit Klavier, Drums/Percussion, Cello & Bass wie bei der Premiere und den folgenden Aufführungen im Studio des Berliner Admiralspalastes gewünscht, aber die reine Klavierbegleitung tut es im kleinen, familiären KATiELLi Theater auch. Als Highlights wären „Die Sterne im Regen“ und „Sei ein Mann“ zu nennen, letzterer ein rockiges Solo von Alex Melcher und der grandiose Showstopper im zweiten Akt. Während die Klischees und Ressentiments gegenüber dem anderen Geschlecht den ersten Akt über weite Strecken humorvoll tragen, bleibt der Humor im zweiten Teil ein wenig auf der Strecke. Adams Artenbestimmung seines Nachwuchses – im Musical wenig nachvollziehbar als „Fisch“ bezeichnet – über ein „Känguru“ und einen „Bären“ hin zu der Erkenntnis, dass es Jungen sind, hätte man sicher aus Twains Vorlage übernehmen können. Da die aus den Konflikten der beiden – auf der Bühne nicht präsenten – Söhne Kain und Abel und dem Brudermord resultierende Belastung der Eltern nur beiläufig erwähnt wird, bewegt diese das Publikum – verständlicherweise – auch nur wenig. Die Leistung von Vera Bolten und Alex Melcher, eine abwechslungsreiche Partitur und auch die subtil pointierten Texte von Kevin Schroeder lassen die Schwächen nach dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies aber beinahe vergessen.

Christoph Drewitz wird „Die Tagebücher von Adam & Eva“ auch für die Aufführungen vom 21. bis 29. Juli 2012 im Lottehof bei den Wetzlarer Festspielen inszenieren. Bereits vom 6. bis 28. Mai 2012 zeigt die „Stage Group Austria“ die österreichische Erstaufführung in einer Inszenierung von Karl Lindner mit Matthias Buchegger als Adam und Karoline Graf als Eva als Tournee in Leonding, Steyr und Wien. Dabei werden alle Vorstellungen simultan von Claudia Popovsky in Gebärdensprache übersetzt, wodurch die Produktion auch für gehörlose Menschen zugänglich wird.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
ich habe es in berlin gesehn. mir hat sie nicht gut gefallen - sondern es war supergut und lustig - aber zum ende auch doch nachdenklich und auch traurig. ein wunderschönes stück was ich nur jedem empfehlen kann.