Flic Flac mit neuer Show „Permanent“ in Duisburg

Eine stationäre Show mit Action, Adrenalin und Artistik

Flic Flac Zeltstadt auf dem Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs

Für Flic Flac haben Benno und Lothar Kastein einen modernen, völlig eigenen Stil kreiert, der vor allem auf außergewöhnliche artistische Nummern setzt. Mit seiner schwarz-gelben Warnfarbe, schrill-rockiger Musik und jeder Menge Licht-, Laser- und Pyrotechnik steht Flic Flac weniger für klassischen Manegen-Zirkus als vielmehr für ein technisch hochversiertes Show- und Bühnenkonzept der Extreme. Vor allem gewagte Motocross-Stunts, Spitzenakrobatik und Slapstick sind feste Bestandteile der Shows. Am 5. Oktober 1989 feierte „Nicht irgendein Circus“ in Oberhausen Uraufführung, 2017 kreierten die beiden Juniorchefinnen Larissa Medved-Kastein und Tatjana Kastein, die Töchter von Flic Flac Gründer Benno Kastein, die neue Show „Farblos“, wobei sie dem Stil von Flic Flac treu geblieben sind. Am 4. April 2019 ging Flic Flac in Minden auf der Kanzlers Weide mit seiner neuen Show „PUNXXX“ auf Tour, bis im März 2020 aufgrund der COVID-19 Pandemie die Lichter ausgingen. 2019 sollen knapp 610.000 Besucher eine der Flic Flac Shows besucht haben, in den 30 Jahren seit der Gründung mehr als 12 Millionen.

ein verfallener Trabant 601 als Flic Flac typische Spezialdeko

Nach anderthalb Jahren Zwangspause feierte die neue Show am 5. Oktober 2021 auf dem Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs südlich vom Hauptbahnhof Premiere. Mit Ausnahme der X-Mas-Shows in Bielefeld (22. Dezember 2021 bis 9. Januar 2022), Dortmund (20. Dezember 2021 bis 16. Januar 2022) und Nürnberg (18. Dezember 2021 bis 16. Januar 2022) sowie dem Festival der Artisten in Kassel (21. Dezember 2021 bis 16. Januar 2022) möchte Flic Flac nicht mehr auf Tournee gehen, sondern seine neue Show dauerhaft ohne Enddatum in Duisburg im neuen, 60 Meter langen Showzelt mit 1.025 Sitzplätzen zeigen, das keine Manege besitzt, sondern eine langgestreckte Bühne, die Zuschauer sitzen an den Längsseiten. Das Rundbogenzelt ohne Masten im Inneren ermöglicht von allen Plätzen ungehinderte Sicht auf die Bühne.

Blick von der Rampe an der Karl-Lehr-Straße auf das Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs

Permanent ist natürlich ein großes Wort, wer hätte 1988 gedacht, dass „Starlight Express“ 33 Jahre später noch immer im eigens errichteten Starlight Express Theater in Bochum aufgeführt wird? Doch derartig langlebige Long-Run-Produktionen sind eher die Ausnahme. Man denke nur an das Theater am Marientor, in dem die Stella AG von Januar 1996 bis November 1999 das Musical „Les Misérables“ gezeigt hat. Langfristig soll auf dem rund 30 Hektar großen Gelände des ehemaligen Rangier- und Güterbahnhofs bis 2032 das Stadtquartier „Duisburger Dünen“ nach Plänen des Teams Christoph Kohl Stadtplaner Architekten mit Fugmann Janotta und Partner mbB, Stadt+Verkehr Ingenieurbüro Terfort, ALB Akustiklabor Berlin und Happold Ingenieurbüro GmbH realisiert werden.

Flic Flac Zeltstadt auf dem Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs

In der neuen Show in Duisburg sind 48 Artisten – wenn ich mich nicht verzählt habe – mit einem Best of zu sehen, da dürfte den Flic Flac Fans das ein oder andere Highlight ganz sicher bekannt vorkommen. Hinzu kommen eine Sängerin und vier Musiker*innen (Gitarre, Bass, Schlagzeug und Violoncello). Nach dem Opening, bei dem alle Artisten und Musiker auftreten, zeigen ein BMX-Fahrer, zwei Inline-Skater und zwei Stuntscooter-Fahrer, dass man in der Halfpipe auch ohne Benzin seine Tricks ausführen kann, bevor die vier Freestyle Motocross (FMX) Fahrer der „Mad Flying Bikes“ ihre spektakulären Flugmanöver in großer Höhe präsentieren. Fliegende Motorräder sind fester Bestandteil der Shows von Flic Flac, weshalb sie auch in der neuen Show nicht fehlen.

Freestyle Motocross Fahrer der „Mad Flying Bikes“. © Flic Flac

Zdenek Polách aus Tschechien begeistert mit vollendeter Jonglage mit weißen Bällen mit schätzungsweise um die 16 cm Durchmesser – etwa so groß wie ein Handball der Größe 1, am Ende sind es insgesamt sieben Bälle. Boris Nikishkin aus Russland, der unter dem Künstlernamen Alfonse Coconut als moderner Clown insgesamt vier Auftritte in der Show hat, holt sich für seinen ersten Auftritt kurzerhand zwei Zuschauer*innen aus dem Publikum, die ihn bei seiner musikalischen Darbietung unterstützen sollen. Das Trio Dana, Olena und Sofiia („Three G“) aus der Ukraine beeindruckt als weibliche Straßengang mit athletischer Äquilibristik, in der Sinnlichkeit, Schönheit, Kraft und Stärke mit unglaublicher Körperbalance vereint sind. Sechs Bodenakrobaten zeigen auf zwei 30 cm hohen Airtrack-Bahnen – luftgefüllte Turnmatten, deren Federwirkung sich durch den Luftdruck beeinflussen lässt – dynamische Sprünge, Handstützüberschläge, Flickflacks und Salti. Die muntere Bauarbeiter-Truppe erweckt fast den Eindruck, als gäbe es für sie keine Schwerkraft. Zwei Stunt Biker – Patrick Peschel aus Tschechien und ein weiterer, mir namentlich nicht bekannter Motorradfahrer, vielleicht Adam „Special“ Peschel – zeigen auf ihren modifizierten Kawasaki-Motorrädern, dass auch am Boden außergewöhnliche Fahrmanöver möglich sind, die im regulären Straßenverkehr ein Unding wären. Die nachfolgende Luftakrobatik von Martyna „Ya Mayka“ Majak aus Polen an der Spirale erweckt den Eindruck, die Artistin windet sich an und mit der Spirale durch die Luft.

Luftakrobatik von Martyna Majak an der Spirale. © Flic Flac

Alfonse Coconut fordert nun zwei Zuschauer beim Tennisspiel heraus, es kommt spontan zu vollendeten Ballwechseln. Doch die Sache hat einen Haken: Der Tennisball befindet sich an einer Stange und wird von einem schwarz vermummten Assistenten nicht immer so geführt wie von den Tennisspielern beabsichtigt. Natürlich darf der „Globe of Speed“ bei den Highlights nicht fehlen, in dem sich zunächst drei waghalsige Biker auf ihren Motocross-Maschinen in der Stahlkugel mit 6,50 Metern Durchmesser riskante Rennen liefern. Bereits ab einer Geschwindigkeit von 20,3 Stundenkilometern überwiegt die Zentrifugalkraft die Gewichtskraft der Fahrer mit ihren Maschinen, so dass sie problemlos auch kopfüber im „Globe of Speed“ fahren können, ohne Gefahr zu laufen, herunter­zu­fallen. Weitaus schwieriger dürfte es sein, nicht mit den anderen Bikern zusammenzustoßen, wenn sich schließlich 8 Helldrivers aus Portugal, Argentinien und Kolumbien die gerade einmal 132 m² Fläche in der Stahlkugel streitig machen. Nach einer Stunde Anspannung und Nervenkitzel haben sich die Artisten und das Publikum eine Pause verdient.

man muss viele Toilettentüren öffnen, um die versteckte Kamera zu finden

Nach der Pause und einer Musikeinlage zu Beginn des zweiten Teils ermöglicht eine steile Mega Rampe insgesamt acht BMX-Fahrern, Inline-Skatern und Stuntscooter-Fahrern ihre gewagten Sprünge und Drehungen zu vollführen und hoch hinaus in die Zirkuskuppel zu fliegen. Der Brasilianer Super Silva Jr. läuft in seiner Trapeznummer mit dem Kopf nach unten an Schlaufen von einem Trapez zum zweiten, einen Fehltritt darf er sich dabei ohne Sicherung freilich nicht erlauben. Neben den bereits erwähnten vier Musiker*innen ist noch eine weitere sehr ungewöhnliche Band im Circus Flic Flac zu hören und zu sehen. Die Mitglieder der „One Love Machine Band“ sind große, pneumatisch gesteuerte Figuren, die der Berliner Kolja Kugler aus Schrottteilen zusammengebaut hat. Hier fühlen sich sicherlich auch die jüngeren Zuschauer*innen angesprochen: zu den vertrauten Intro-Klängen der Kindersendung „Löwenzahn“ werden Kolja und seine künstlichen Bandmitglieder vorgestellt: Sir Elton „Junk“, The Flute Flock, Rubble „Boom“ Tshak Drummer und der Bassplayer Afreaking „Roots“. Alena Zhuravel kombiniert in ihrer Handstandakrobatik Kraft, Geschick und Körperbeherrschung und zeigt, wie facettenreich Äquilibristik sein kann, wenn sie auf den Körpern ihrer sieben Assistenten oder auf von ihnen getragenen Plexiglas-Platten balanciert. Im anschließenden Showact parodiert Alfonse Coconut die Handstandakrobatik und erweckt zunächst den Anschein, dass er nur mithilfe eines Stahlseils imstande sei, diese ausführen zu können, um später zu zeigen, dass er Handstandakrobatik auch ohne Hilfsmittel perfekt beherrscht. Um die Bühne zu erreichen, fährt der Franzose Christophe Bruand die Treppe zwischen den beiden Zuschauerblöcken A und B links mit seinem Trial-Motorrad hinab. Der Trailfahrer beherrscht sein Maschine in Vollendung und zeigt spektakuläre Sprünge, Salti und Einrad-Tricks, sogar Sprünge über eine am Boden liegende Person, um schließlich die Arena auf dem gleichen Weg wieder zu verlassen, auf dem er gekommen ist, nämlich über die Zuschauertreppe. Auf dem „Todesrad“ vollführen die beiden Kolumbianer Robinson Valencia Lozada und Ray Freddy Valencia Bocanegra („Flying Valencias“) Kunststücke, die den Zuschauer hautnah miterleben lassen, dass ihre Darbietung höchste Konzentration und großes gegenseitiges Vertrauen erfordert. So gelingen schließlich auch Salti außen auf dem „Todesrad“.

Die „Flying Valencias“ am „Todesrad“. © Flic Flac

Nachdem Alfonse Coconut zur Überbrückung der Umbauphase die Zuschauer im Block A links in den Reihen 7 und 8 mithilfe eines Regenschirms nass gemacht hat, in nachfolgenden Vorstellungen wird er sicher an anderer Stelle im Publikum auftauchen, der Sketch ist nicht ortsgebunden, wird er selbst unversehens mitten auf der Bühne nass, woraufhin die beiden ukrainischen Artisten Yuliya Shauchenka and Valentyn Shevchenko als Duo „To be free“ ihre kraftvolle, elegante Artistik an den Strapaten im (künstlichen) strömenden Regen zeigen.

Artistik an den Strapaten mit dem Duo „To be free“. © Flic Flac

Auch in der neuen Show hält es zum Ende beim Schlussapplaus ver­ständlicher­weise keinen der Zuschauer auf seinem Sitzplatz. „Permanent“ wartet zum Neustart in Duisburg mit sensationellen artistischen Darbietungen in bekannter Flic-Flac-Manier auf. Und nichts anderes erwarten die Zuschauer bei einem Besuch des Circus Flic Flac auch.

Flic Flac Zeltstadt auf dem Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs

Ob sich das Konzept der gewünschten Open-End-Produktion im Zirkus behaupten und das bewährte Konzept der Tournee ablösen kann, muss sich erst noch erweisen. Zunächst sind Vorstellungen bis Ende März kommenden Jahres geplant, und dann muss sich zeigen, ob sich der Ansatz finanziell trägt. Man darf auch nicht vergessen, dass wir uns noch in der COVID-19 Pandemie befinden, Duisburg plant ab 1. November 2021 die Anwendung der 2G Regel für städtische Kultur- und Freizeitveranstaltungen. Auch private Veranstalter sollen ermutigt werden, ausschließlich immunisierte Personen an ihren Veranstaltungen teilnehmen zu lassen, was die Zuschauerzahlen durchaus reduzieren könnte, da augenblicklich auch getestete Personen Veranstaltungen besuchen dürfen (3G Regel).

Flic Flac Zeltstadt auf dem Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs

Kommentare