Folkwang Showcase 2021 bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen

Die Veranstaltung macht unbedingt Lust auf Mehr

Der Kreis Recklinghausen lag am 8. Juni 2021 in der Inzidenzstufe 2, womit Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen in geschlossenen Räumen für bis zu 500 Zuschauerinnen und Zuschauer mit Ne­ga­tiv­test­nach­weis, sichergestellter besonderer Rückverfolgbarkeit und Einhaltung des Mindestabstandes zulässig sind. Da ich bisher nicht mit COVID-19 infiziert gewesen bin und auch nach der Auf­he­bung der Priorisierung nicht den Hauch einer Chance auf einen Impftermin habe, benötige ich zum Besuch von Theaterveranstaltungen einen Negativ­test­nachweis, und damit fing das „Theater“ auch schon an: In der Apotheke „um die Ecke“ wurde ich mit meinem Begehren abgewiesen, da ich keinen Zugriff auf den Buchungsserver hatte. Persönliche Terminvereinbarung sei unmöglich, und ich garantiere diesem Apotheker, dass es unmöglich sein wird, dass ich diese Apotheke in diesem Leben nochmal aufsuchen werde. Ganz offensichtlich war man dort um die Vergütung von knapp 20 Euro für einen Bürgertest nicht verlegen, bekanntlich haben andere Mütter auch schöne Töchter. Nächster Versuch in einem Testzentrum, das den kostenlosen Bürgertest mit oder ohne Termin anbietet. In der Tat war ich dort bei der morgendlichen Öffnung des Testzentrums der einzige Interessent weit und breit, so dass ich nach Aufnahme der persönlichen Daten sofort einen Coronaschnelltest durchführen lassen und den ausgedruckten Testnachweis auf dem Heimweg abholen konnte. Am Ende war durch den vergeblichen Besuch in der Apotheke dennoch mehr Zeit zum Teufel gegangen als die Vorstellungsdauer des Folkwang Showcase 2021 am Abend.

Theater Marl

Am 15., 16. und 18. Mai 2019 gab es erstmals das Folkwang Showcase bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen in Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste mit Studierenden aus den Studiengängen Schauspiel, Gesang/Musiktheater, Physical Theatre, Musical, Jazz und Tanz unter der Künstlerischen Gesamtleitung von Prof. Bruno Klimek, im vergangenen Jahr brach die COVID-19-Pandemie über uns herein, und in diesem Jahr dürfen endlich wieder Kultur­ver­anstaltungen vor Publikum stattfinden. So kann/konnte am 8., 9. und 10. Juni 2021 der Folkwang Showcase im Theater Marl einer reduzierten Anzahl von Zuschauern präsentiert werden. Während im Auditorium von allen Zuschauern jederzeit eine FFP-2-Atemschutzmaske bzw. ein me­di­zi­ni­scher Mund-Nasen-Schutz zu tragen ist, brauchten die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne glücklicherweise – anders als bei meinem letzten Besuch im Theater Marl im September 2020 – weder Masken noch Schutzhandschuhe tragen. So bekam man als Zuschauer zumindest den Eindruck, dass auf der Bühne langsam wieder Normalität einkehrt. Der Folkwang Showcase gibt auch in diesem Jahr einen schönen, wenn auch kleinen Überblick zu den an der Folkwang Universität der Künste angebotenen Studiengängen der darstellenden Künste Schauspiel, Populäre Musik, Physical Theatre, Musical, Gesang/Musiktheater, Tanz und Instrumental­aus­bildung. Jedes Jahr entstehen im Rahmen der vielfältigen Ausbildung so viele Projekte, dass es gar nicht so einfach sein dürfte, hieraus ein Best-of zusammenzustellen.

Max Poerting und Ansgar Sauren, Alumni Studiengang Schauspiel, eröffneten den Abend ab Saalöffnung mit dem Sketch „Contraphonium“ von Michael Frayn, in dem sie auf den einzigen Einsatz eines Musikers in Takt 973 im zweiten Akt warten und den sie sich bereits für ihre Eigenarbeit im 2. Studienjahr ausgesucht hatten. Singer-Songwriterin Kira Hummen, Studentin am Institut für Populäre Musik, konnte ihren gefühlvollen Song „Wait“ auch schon bei der Konzertreihe „Wild Card“ in der Philharmonie Essen präsentieren und ist damit bei Spotify zu finden. Elina Brams Ritzau und Wayne Götz, Alumni Physical Theatre, wollen mit ihrer Arbeit „Reminant“ dazu anregen, über den Einfluss der eigenen Vergangenheit auf die Gegenwart und die Zukunft nachzudenken. Was passiert, wenn einen die Vergangenheit einfach nicht loslässt.

Die Studierenden im vierten Jahrgang Musical Maja Lilly Dickmann, Louis Dietrich, Yasmina Hempel, Felix Alexander Rabas und Samuel Ismail Türksoy, der in der vergangenen Woche im 50. Bundeswettbewerb Gesang Berlin 2021 den mit 2.000 € dotierten Walter Jurmann Preis gewonnen hat, wussten sowohl im Ensemble als auch solistisch mit einer Reihe von Musicalsongs in einer Unplugged-Version zu überzeugen, lediglich begleitet von Michael David Mills am Flügel auf der Seitenbühne, ebenso Kejti Karaj, Studierende im Master-Studiengang Gesang/Musik­theater, mit einer Arie aus Puccinis „Suor Angelica“, begleitet von Anna-Maria Dafova am Flügel.

„… didladid“, Djamila Polo, 3. Jahrgang B. A. Tanz. Foto Alessandro De Matteis

Mit ihrer beim Folkwang Showcase 2021 mit extremen Körperpositionen performten Choreographie „… didladid“ gewann Djamila Polo schon den mit 600 € dotierten Preis in der Kategorie „Best Solo Newcomer“ beim Internationalen Tanzfestival SoloDuo NRW + friends 2020. Daneben konnte sie auch im Publikums-Voting punkten und gewann den Publikumspreis.
Mihajlo Milošev. © Nadia Sarycheva

Nochmals klassisch wird es, wenn Mihajlo Milošev ein Werk von Joseph Haydn virtuos auf dem Akkordeon interpretiert, bevor Sevak Avagyan, Yu-Hung Huang, Ko-Yun Liao, Alba Ruiz Guarido, Kennie Boultbee und Alena Shornikova mit der zeitgenössischen Tanzchoreografie „Ein Haushalt“ von Henrietta Horn den achtzigminütigen kurzweiligen Abend beenden.

„Ein Haushalt“ von Henrietta Horn für 6 Tänzerinnen und Tänzer. Foto Franziska Götzen

„Ein Haushalt“ von Henrietta Horn für 6 Tänzerinnen und Tänzer. Foto Franziska Götzen

Der Besuch des Schaufensters – eine mögliche deutsche Übersetzung des englischen Wortes „showcase“ – macht Lust auf Mehr, sowohl im Allgemeinen als auch im Besonderen. Ich denke da beispielsweise an das in die Spielzeit 2021/22 verschobene Folkwang-Musical 2021 „She loves me“ am Theater Solingen, das noch nicht wie das Folkwang-Musical 2020 „Grand Hotel“ unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Medien unbemerkt hinter verschlossenen Türen über die Bühne gegangen ist. Da kann man nur hoffen, das der Ausweichtermin nicht in einer möglichen vierten Welle der COVID-19-Pandemie liegt, in der Kulturveranstaltungen vor Publikum erneut untersagt werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt… Im Gegensatz zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen und entgegen der Coronaschutzverordnung erlaubt die Folkwang Universität der Künste „aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens bis auf Weiteres keine Veranstaltungen mit Publikum“. Die SommerWerkStatt Musiktheater 2021 „’s wird eh furchtbar …“ wird lediglich als Livestream gezeigt. Was muss denn geschehen, damit an Folkwang Veranstaltungen mit Publikum wieder erlaubt werden?

„Ein Haushalt“ von Henrietta Horn für 6 Tänzerinnen und Tänzer. Foto Franziska Götzen

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