Das neue Schaudepot des Ruhr Museums auf der Kokerei Zollverein

Führungen ab 27. Juni 2021

Das neue Schaudepot des Ruhr Museums auf der Kokerei Zollverein, Außenansicht

Nachdem Führungen in Kultureinrichtungen mit Gruppen von bis zu 20 Personen und einfacher Rückverfolgbarkeit nach den behördlichen Vorgaben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in Essen wieder möglich sind, öffnet das neue Zentral- und Schaudepot des Ruhr Museums ab dem 27. Juni 2021 für Gäste seine Türen und kann im Rahmen von Führungen besucht werden. Es ist ein begehbares Museumslager in der spektakulären Industriekulisse der ehemaligen Salzfabrik auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein. Das Ruhr Museum deponiert und präsentiert im Schaudepot Teile seiner Geologischen, Archäologischen und Historischen Sammlungen. Besucher*innen können im Rahmen von Führungen durch über hundert Jahre Sammlungsgeschichte streifen, Schlüsselobjekte kennenlernen und gleichzeitig einen Blick hinter die Kulissen und die Arbeitsweise eines großen natur- und kulturhistorischen Museums werfen. „Sehen können, was normalerweise nicht zugänglich ist, gehört zur Faszination des Konzepts des Schaudepots“ erläutert Prof. Heinrich Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums und Mitglied des Vorstands der Stiftung Zollverein. „Unterstützt wird dieser Eindruck noch durch die außergewöhnliche Industriearchitektur der Salzfabrik.“

Hinweis auf das neue Schaudepot des Ruhr Museums auf der Kokerei Zollverein

Eingangsbereich des Schaudepots des Ruhr Museums

Dabei unterscheidet sich das Schaudepot deutlich von klassischen Museen, da es keine Ausstellung zu bestimmten Themen, sondern die nach bestimmten Kriterien geordneten Sammlungen zeigt. Es dient als Speicher für zukünftige Ausstellungen und veranschaulicht auf beeindruckende Weise die drei Hauptaufgaben eines Museums: Sammeln, Bewahren und Erforschen.

Schaudepot des Ruhr Museums, Fahrstuhlschacht

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Natur

Der Umbau der Salzfabrik zum neuen Schaudepot des Ruhr Museums wurde im Rahmen des Bundesprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“ 2016 bewilligt und mit 3,5 Mio. € vom Bund gefördert. Die kommunalen Mittel beliefen sich auf 400.000 €. Es gehört zu einem der sechzehn bundesweit 2016 von der Bundesregierung geförderten Projekte, die Modellcharakter haben und über regionale und auch nationale Grenzen hinausstrahlen. Auf den Aufruf für das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus 2016“ waren 118 Vorschläge von Städten und Gemeinden mit einem beantragten Bundeszuschuss von rund 466 Millionen Euro eingegangen. Eine interdisziplinär besetzte Expertenjury unter dem Vorsitz des Parlamentarischen Staatssekretärs Florian Pronold hat die geförderten Projekte in ganz Deutschland ausgewählt.

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Natur

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Natur

Der Rundgang „Natur, Kultur, Geschichte“

Der Weg durch das Schaudepot des Ruhr Museums verläuft von oben nach unten. Mit dem gläsernen Panoramaaufzug fahren die Besucher*innen mit spektakulären Blicken durch die einzelnen Etagen mit ihren unterschiedlichen Sammlungen bis auf die oberste Ebene. Von dort führt der Weg über die drei Ebenen zur Natur, Kultur und Geschichte zurück in das Erdgeschoss. Der Gang durch die Zeit beginnt chronologisch mit den ältesten Sammlungsstücken der Geologie und führt über die Archäologie und die vormodernen Bestände des Mittelalters und der frühen Neuzeit in den Bereich der Industrie- und Zeitgeschichte der letzten 200 Jahre.

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Natur

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Natur

Natur
Auf der ersten Ebene „Natur“ gliedert sich die Präsentation der Naturwissenschaftlichen Sammlung in die Bereiche „Unbelebte Natur“ mit Rohstoffen, Mineralien und Gesteinen und „Belebte Natur“, also Fossilien, angefangen von Bakterien-Kolonien über Pflanzen bis hin zu Wirbeltieren. Neben Riesenkristallen, Großammoniten, einem Baumriesen und der Meeresreptilienwand werden auch ganz bedeutende Einzelsammlungen, wie die Wuppertaler Fuhlrott-Sammlung mit dem außergewöhnlichen Donnerpferd und Teile der Vester-Pflanzensammlung mit ihren Trocken- und Feuchtpräparaten öffentlich sichtbar. Eines der Highlights ist sicherlich die Präsentation der umfangreichen Ammonitensammlung des Museums.

Schaudepot des Ruhr Museums, Brückenkran der ehemaligen Salzfabrik

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Natur

Kultur
Auf der mittleren Ebene „Kultur“ mit den Bereichen Archäologie, Mittelalter und Vormoderne sorgt eine umfangreiche Schau- und Studiensammlung von über hundert Schädelrepliken eindrücklich für den Übergang von der Natur- in die vom Menschen geprägte Kulturgeschichte. Die Schädel stehen für mehr als zwei Millionen Jahre Menschheitsgeschichte. Darüber hinaus veranschaulicht eine große Anzahl an vor- und frühgeschichtlichen Ton- und Glasgefäßen sowie an Objekten aus Holz, den Eindruck der typischen materiellen Zusammensetzung einer archäologischen und vormodernen Sammlung. Sie gliedern die Ebene in die Abteilungen Keramik, Glas, Stein und Möbel, Hausrat, Landwirtschaft und Handwerk – von den antiken Hochkulturen vor tausenden von Jahren bis in die frühe Neuzeit vor der Industrialisierung.

Blick in das Schaudepot des Ruhr Museums

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Kultur, Möbel

Geschichte
Die Abteilung Industrie- und Zeitgeschichte vor allem des Ruhrgebiets der letzten 200 Jahre, die sich auf der unteren Ebene „Geschichte“ befindet, teilt die Objektwelten weniger nach ihrer Materialität, sondern mehr nach inhaltlichen Aspekten ein. Neben Bereichen wie Alltag, Freizeit, Haushalt, Warenwelt und Handwerk warten die Hinterlassenschaften von Bergbau, Eisen und Stahl ebenso wie die Phänomene Religion, Krieg, Repräsentation und Kindheit. Während des gesamten Rundgangs entstehen durch die offene Architektur nicht nur Nahperspektiven auf die Objekte, sondern inspirierende und Neugier weckende Fernperspektiven auf die Sammlungsbestände der anderen Ebenen, die neue Einblicke und überraschende Zusammenhänge der Sammlungen und ihrer Geschichte offenbaren.

Schaudepot des Ruhr Museums, Ebene Kultur, Militaria

Schaudepot des Ruhr Museums, Ebene Kultur, Inschriftenbalken

Der Umbau der Salzfabrik

Der Umbau der Salzfabrik auf der Kokerei des UNESCO-Welterbes Zollverein zum neuen Schaudepot des Ruhr Museums wurde im Rahmen des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus“ 2016 bewilligt und gefördert. Es gehört zu einem der bundesweit siebzehn von der Bundesregierung geförderten Projekte, die Modellcharakter haben und über regionale und auch nationale Grenzen hinausstrahlen. 2017 übernahm das Darmstädter Architekturbüro Planinghaus den Umbau des Gebäudes. Parallel begann die Erarbeitung einer inhaltlichen Konzeption durch das Kurator*innenteam des Ruhr Museums. Um die Umbaumaßnahmen und die gestalterische Planung der Objektpräsentation und der dafür erforderlichen Einrichtungen aufeinander abstimmen zu können, wurde von Seiten des Ruhr Museums das von Innenarchitekt Hannes Bierkämper gegründete Stuttgarter Architekturbüro südstudio beauftragt. Mit der Eröffnung des Schaudepots endet 2021 auch der Umzug des Ruhr Museums mit seinen Ausstellungen, Funktionsräumen und Depots auf das Welterbe Zollverein.

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Kultur

Schaudepot des Ruhr Museums, Riefelsarkophag mit drei Grazien, Italien, spätantoninisch bis frühseverisch, 180–200 n. Chr.

Die Architektur

Der Zweckbau aus den 1960er Jahren folgt dem Prinzip „form follows function“. Er erscheint von außen eher unauffällig. Die nur zu erahnende imposante Innenarchitektur liefert die Grundlage für eine spektakuläre Präsentation der Sammlungen des Ruhr Museums. Hinter der Fassade eröffnen sich zwei 18 Meter hohe Lichthöfe über die gesamte Gebäudetiefe von 25 Metern und die eindrucksvolle Betonskelettstruktur mit ihren Verbindungsbrücken. Sie teilen die weitestgehend offenen Grundrisse der vier Geschosse des Gebäudes in drei Abschnitte. An einigen Stellen sind diese Abschnitte mit Brücken über den Lufträumen verbunden. Mit der Umnutzung der Salzfabrik zum Magazin gingen zahlreiche bauliche Veränderungen einher. Die Anlagentechnik wurde ausgebaut und Deckenöffnungen wurden geschlossen. Zur Einrichtung von Büro-, Technik- und Sozialräumen im Erdgeschoss wurden zusätzliche Mauerwerkswände sowie zahlreiche kleinformatige Fensteröffnungen in der Südfassade neu hergestellt.

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte, Bergbau

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte, Bergbau

Diese, dem Produktionsprozess einer Salzfabrik entsprechende Innenarchitektur, wurde komplett erhalten, ebenso wie die massiven Spuren der Industrieproduktion. Das gilt auch für alle Decken des Gebäudes. Die raue Tragstruktur wurde in Dialog gesetzt mit der Einbringung eines neuen Bodens und der klimatisch erforderlichen Innen-Dämmung aller Außenwände, die einen neuen farblich einheitlichen, feuchteregulierenden Innenputz erhielten. Ergänzt wurden die neuen Strukturen durch einheitlich in weiß gehaltene Regale. „Insgesamt zeichnet sich die Inneneinrichtung durch eine Farbgestaltung aus, die sich in ihrer Neutralität im Hintergrund hält und den Objekten mit ihrer breiten Palette an Materialität und Farbigkeit eine perfekte Bühne bietet“, beschreibt Hannes Bierkämper das Konzept.

Schaudepot des Ruhr Museums, Ebene Geschichte, Bergbau

Schaudepot des Ruhr Museums, Ebene Geschichte, Bergbau

Die besondere Binnenstruktur des Gebäudes ermöglicht einmalige Blicke in die Lichthöfe und über die Lichthöfe hinweg in die anderen Etagenabschnitte sowie auf andere Ebenen des Gebäudes und sorgt so für ein fantastisches Raumerlebnis.

Schaudepot des Ruhr Museums, Ebene Geschichte, Repräsentation

Schaudepot des Ruhr Museums, Ebene Geschichte, Repräsentation

Die Geschichte der Salzfabrik

Präsentiert werden die Sammlungen heute in der unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Salzfabrik, einem nicht unterkellerten Stahlbeton-Skelettbau mit 25 Zentimeter starkem, innenseitig verputztem Sichtklinker-Mauerwerk. Errichtet wurde er 1959 im Rahmen des von Fritz Schupp geplanten Kokereikomplexes, der 1961 seinen Betrieb aufnahm. Die Salzfabrik bildet den westlichen Anfang des Gebäudeensembles der Produktions-Linie Salzfabrik, Salzlager und Salzverladung. Kokereien im Ruhrgebiet besitzen seit 1880 eine schwarze und eine weiße Seite. Auf der schwarzen Seite wird aus Kohle der für den Hochofenprozess zur Roheisenherstellung erforderliche Koks produziert. Auf der weißen Seite fielen Stoffe an, die in der Zeit vor den 1880er-Jahren als Abfallprodukte ungenutzt blieben, dann aber von der stetig wachsenden chemischen Industrie in großem Maße verwertet wurden. Zu den auf einer Kokerei anfallenden Substanzen gehörten auch Ammoniak und Schwefelsäure. Sie bildeten die Grundstoffe für die Herstellung von Ammoniumsulfat:

H2SO4 + 2 NH3 → (NH4)2SO4

Ein sogenanntes Dual-Use-Produkt. Es dient sowohl zur Herstellung von Stickstoffdünger für die Landwirtschaft, ist aber auch Ausgangsprodukt für die Produktion von Sprengstoff.

Schaudepot des Ruhr Museums, Ebene Geschichte, Stempeluhr

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte, Taufstein, Nordwestdeutschland, Anfang 17. Jhd. (Mitte)

Durch Einleiten von Kohlenstoffdioxid in konzentrierte Ammoniaklösung kann Ammonium­hydrogen­carbonat (NH4HCO3) hergestellt werden, ein Hauptbestandteil des Hirschhornsalzes, das ursprünglich durch trockene Destillation von Knochen wie Geweihen gewonnen wurde. Hirschhornsalz wurde vom Apotheker August Oetker, einer Anregung von Justus Liebig folgend, als Hauptbestandteil seines Backpulvers verwendet. Noch in den 1950er-Jahren wurde das auf der Kokerei produzierte Ammonium­hydrogen­carbonat auch in der Lebensmittelindustrie verwendet. Mitte der 1970er-Jahre wurde die Produktion von täglich 120 Tonnen auf der Kokerei Zollverein eingestellt und das Gebäude als Ersatzteil-Magazin genutzt. Mit der Stilllegung der Kokerei im Jahr 1993 endete auch diese industrielle Nutzung des Gebäudes.

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte

Die Angebote

Besichtigt werden kann das Schaudepot nur im Rahmen von Führungen. Sie dauern jeweils 90 Minuten. Die Teilnehmer*innenzahl beträgt bis zu 20 Personen.

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte

Öffentliche Führungen
Die Tour führt zu den Schlüsselstücken der drei großen Sammlungen zur Geologie, Archäologie und Geschichte. Sie bietet die einzigartige Möglichkeit, anhand von faszinierenden Exponaten die Entstehung und Geschichte der in über 100 Jahren entstandenen Sammlungen zu entdecken und vieles über die Museumsarbeit eines Regionalmuseums zu erfahren.
Jeden Samstag, Sonntag und an Feiertagen, 11 und 15 Uhr

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte

Kurator*innen führen
Wie kommt ein Objekt in die Sammlung oder ins Museum? Was macht eigentlich ein*e Museumswissenschaftler*in? In der Führung blicken Teilneh-mer*innen hinter die Kulissen der jeweiligen Sammlung und erfahren von einem*r Kurator*in alles über die Entstehung des Konzepts und dessen Um-setzung bis hin zur Eröffnung.
Jeden 3. Samstag im Monat, 15.30 Uhr

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte

Führungen für Senior*innen
Mit dem Klappstuhl und genügend Zeit geht es mit dem Aufzug zu den schönsten Stücken der Sammlungen, die für die Geschichte des Sammelns des Regionalmuseums stehen. Darunter finden sich auch zahlreiche Stücke, an die sich die eine oder der andere auch noch selbst erinnert.
Jeden 1. Samstag im Monat, 15.30 Uhr

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte

Führungen für Familien
Riesenkristalle und eine Kohlewagenparade: Gemeinsam mit einem Guide streifen Familien mit Kindern ab 6 Jahren durch die Natur, Kultur und Ge-schichte des Ruhrgebiets und lernen die Sammlungs- und Museumsarbeit anhand ausgewählter Objekte kennen und lieben.
Jeden 2. Samstag im Monat, 15.30 Uhr

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte

Die Kosten für öffentliche Führungen belaufen sich auf 10 € pro Person, 8 € ermäßigt, 3 € für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler*innen und Student*innen unter 25 Jahren.

Führungen für Schulklassen
Wie funktioniert ein Museum? Warum braucht man eine Sammlung? Anschaulich tauchen Schüler*innen in den Alltag der Museumsarbeit ein und erfahren viel über die Geschichte des Ruhrgebiets anhand von ausgewählten Objekten. Die Vielzahl und Formenvielfalt der Exponate regt dabei Fantasie und Forschergeist an.
Buchungen nach Absprache mit dem Besucherdienst Ruhr Museum

Schaudepot des Ruhr Museums, Blick in die Ebene Geschichte, Infrastruktur

Individuelle Gruppenführungen
130 € inkl. Eintritt; 140 € Fremdsprachenführungen (Englisch und Niederlän-disch) auf Anfrage; 50 € für Schüler*innen- und Student*innengruppen; 60 € für fremdsprachige Schüler*innen- und Student*innengruppen

Weitere Informationen unter www.ruhrmuseum.de.

Das neue Schaudepot des Ruhr Museums auf der Kokerei Zollverein, Außenansicht

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