„Rock of Ages“


„Rock of Ages“ – Musik, Texte: diverse; Buch: Chris D’Arienzo; Deutsche Übersetzung: Holger Hauser; Musikalische Arrangements und Orchestrierung: Ethan Popp; Regie, Musikalische Leitung: Tankred Schleinschock; Choreografie: Barbara Manegold; Bühnenbild: Elke König; Kostüme: Maud Herrlein. Besetzung: Stuart Sumner (Drew Boley), Lisa-Marie Sumner (Sherrie Christian), Hannes Staffler (Lonny Barnett, Dennis’ Assistent), Patrick Sühl (Stacee Jaxx, exzentrischen Rockstar/Sherries Vater), Mike Kühne (Dennis Dupree, Besitzer des Clubs „The Bourbon Room“/Produzent/Chor), Tobias Schwieger (Franz Kleinmann, Projektentwickler/Stylist/Chor), Samira Hempel (Regina McKaig, Stadtplanerin/Hure/Chor), Peti van der Velde (Justice Charlier, Besitzerin der Tabledance-Bar „Venus“), Guido Thurk (Hertz Kleinmann, Projektentwickler), Mario Thomanek (Bürgermeister/Demonstrant/Ja’Keith (Paul) Gill, Manager/Taschendieb/Barkeeper/Produzent), Catherine Chikosi (Kellnerin/Hure/Groupie/Chor), Franziska Ferrari (Constance Sack, Reporterin des Rolling Stone/Girl/Hure/Demonstrantin/Groupie/Chor), Vesna Buljevic (Sherries Mutter/Demonstrantin/Candy/Putzfrau). Lippe-Saiten-Orchester: Tankred Schleinschock (Keyboard), Jürgen Knautz (Bass), Marco Bussi (Schlagzeug), Claus Michael Siodmok (Gitarre), Matthias Fleige (Gitarre). Uraufführung: 27. Juli 2005, King King, Los Angeles, Kalifornien. Broadway-Premiere: 7. April 2009, Brooks Atkinson Theatre, New York City. West End-Premiere: 27. September 2011, Shaftesbury Theatre, London. Deutsche Erstaufführung: 7. Juni 2018, Theater Ulm. Österreichische Erstaufführung: 18. Juli 2018, Pölz-Halle, Amstetten. Premiere: 14. Juni 2019, Parkbad Süd, Castrop-Rauxel. Besuchte Vorstellung: 5. September 2020, Theater Marl.



„Rock of Ages“


Das Jukebox-Musical zur Spielzeiteröffnung am Theater Marl: das rockt!


Seit März diesen Jahres waren die Theater aufgrund der COVID-19-Pandemie geschlossen, doch zu Beginn der neuen Spielzeit 2020/2021 darf wieder gespielt werden – mit Hygiene- und Abstandsregeln sogar vor Publikum. Zur Eröffnung der Spielzeit stand am Theater Marl das Musical „Rock of Ages“ als Gastspiel des Westfälischen Landestheaters auf dem Spielplan, ein Jukebox-Musical mit mehr als 30 großen Rock-Hymen der 1980er-Jahre wie „We built this city“ (Starship), „Waiting for a girl like you“ und „I want to know what love is“ (Foreigner), „Wanted dead or alive“ (Bon Jovi), „Here I go again“ (Whitesnake), „The final countdown“ (Europe), „Hit me with your best shot“ (Pat Benatar), „Can’t fight this feeling“ und „Keep on loving you“ (REO Speedwagon), „Renegade“ (Styx), „Don’t stop believin’“ (Journey) u. v. a. Da ist die Handlung eher zweitrangig. Der Hit-Song „Rock of Ages“ von Deff Leppard kommt im Musical allerdings überhaupt nicht vor. Die Namen der Sänger und Bands sind teilweise bereits in Vergessenheit geraten, aber ihre Songs sind in Erinnerung geblieben und verleiten mitunter zum Mitsingen – was man im Auditorium in Zeiten der COVID-19-Pandemie ohne Mund-Nasen-Bedeckung im Hinblick auf das Infektionsrisiko tunlichst unterlassen sollte! Das Musical feierte am 7. April 2009 im Brooks Atkinson Theatre seine Broadway-Premiere und wurde bis 18. Januar 2015 in 2.328 regulären Vorstellungen am Broadway gespielt. „Rock of Ages“ wurde 2011 in der Regie von Adam Shankman mit Alec Baldwin (Dennis Dupree), Mary J. Blige (Justice Charlier), Tom Cruise (Stacee Jaxx), Catherine Zeta-Jones (Patricia Whitmore) u. a. verfilmt.

„La Tortuga“ von Wolf Vostell, 1987/93, auf den Kopf gestellte Lokomotive 52 2751 mit Schlepptender vor dem Theater Marl

Lonny Barnett führt als Altrocker durch die Handlung: Ende der 1980er-Jahre arbeitet der angehende Rockstar Drew Boley als Kloputzer im „Bourbon Room“ für dessen Besitzer Dennis Dupree, einem Club am Sunset Strip in West Hoolywood, in dem noch „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ den Ton angeben. (Wem der Sunset Strip nichts sagt, der Abschnitt des Sunset Boulevards zwischen Hollywood und Berverly Hills avancierte Ende der 1970er-Jahre zu einem Ballungsraum der Glam-Metal-Szene.) Dort beherrscht Altrocker Stacee Jaxx die Bühne und lässt bei den Groupies nichts anbrennen, während Drew Boley davon träumt, sowohl die Bühne als auch Sherrie Christian zu erobern, die gerade aus Paola, Kansas, am Sunset Strip angekommen ist und Schauspielerin werden möchte. Drew kann Dennis überzeugen, Sherrie als Kellnerin einzustellen, doch als die deutschen Projektentwickler Hertz Kleinmann und sein Sohn Franz auftauchen, um dem wilden „Sex, Drugs and Rock’n’Roll-Gedöns“ am Sunset Strips mit deutscher Gründlichkeit ein Ende zu bereiten und dort eine Shopping-Mall zu errichten, holen sie die Romantiker schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Sherrie lässt sich zwar zu einem Rendezvous mit Drew überreden, doch der ist zu schüchtern, ihr seine Liebe zu gestehen, so dass sie sich mit Stacee Jaxx einlässt, aber der sorgt dafür, dass Dennis sie entlässt. Auf der Suche nach einem neuen Job bietet ihr Justice Charlier Arbeit in ihrer Tabledance-Bar „Venus“ an. Derweil müssen Dennis und Lonny den „Bourbon Room“ aufgeben und gestehen sich ihre Gefühle füreinander ein. Irgendwann vertraut Sherrie Justice ihre Liebe zu Drew an, und wie in jeder „Boy Meets Girl“-Geschichte heißt es schließlich „Ende gut, alles gut“.

Zu Beginn des Abends wurden die Zuschauer von Bürgermeister Werner Arndt begrüßt, der in Anbetracht der gelichteten Zuschauerränge auch den Zuschauern dankte, die wieder das Theater besuchen, und eine Lanze für die Akteure brach, die aufgrund der COVID-19-Pandemie lange nicht auftreten konnten. Regisseuer Tankred Schleinschock erläuterte kurz die Anpassungen seiner Inszenierung, bevor die Show schließlich beginnen konnte. „Rock of Ages“ vom Westfälischen Landestheater feierte bereits im Sommer letzten Jahres Premiere, und im Gegensatz zu neuen Inszenierungen, die erst im Rahmen der gültigen Arbeitsschutzkonzepte unter Einhaltung des Mindestabstandes entstanden sind und daher ohne alternative Schutzmaßnahmen auskommen, wurde „Rock of Ages“ dahingehend angepasst, dass alle Darsteller durchgehend flüssig­keits­un­durchlässige Visiere oder eine Mund-Nase-Bedeckung sowie dunkle Einmal­hand­schuhe tragen, die Musiker sitzen hinter Schutzscheiben. Wer es vorher nicht wusste hat im Rahmen dieser Erläuterung gleich das Ende der „Boy Meets Girl“-Geschichte erfahren, und warum sich Lisa-Marie und Stuart Sumner auch auf der Bühne küssen dürfen, obwohl sie nicht miteinander verwandt sind. Durch die Verwendung der Visiere kommt es sowohl zu akustischen Veränderungen der durch Mikroports aufgenommenen und verstärkten Stimmen der Darsteller als auch zu optischen Irritationen, wenn diese das auf sie gerichtete Scheinwerferlicht reflektieren und daher das Gesicht hinter dem Visier für den Zuschauer gar nicht mehr sichtbar ist. Mag sein, dass sich dieser Effekt durch eine AR-Beschichtung der Visiere abmildern ließe, aber auf die akustischen Veränderungen hätte dies keinerlei Einfluss.

„Rock of Ages“ ist mit sechs Darsteller*innen aus dem festen Ensemble am WLT und sieben Gästen stimmig besetzt, im Zusammenspiel überzeugen Lisa-Marie und Stuart Sumner als junge Liebende Sherrie Christian und Drew Boley, es würde einen wohl eher wundern, wenn dem nicht so wäre. Für Hannes Staffler und Mike Kühne als Lonny Barnett und „Bourbon Room“-Besitzer Dennis Dupree hält „Rock of Ages“ auch noch ein Happy End bereit, bevor Hannes Staffler Dennis Dupree als Erzähler sterben lässt und den „Bourbon Room“ selbst übernimmt. Für Patrick Sühl als Stacee Jaxx hat die Geschichte jedoch kein gutes Ende: nachdem er der Unzucht mit Minderjährigen überführt wurde, macht er sich lieber aus dem Staub. Peti van der Velde weiß als stimmgewaltige, fürsorgliche Stripclub-Besitzerin Justice Charlier für sich einzunehmen. Samira Hempel stellt sich als engagierte Stadtplanerin Regina McKaig erfolgreich den profitgierigen Projektentwicklern aus Deutschland in den Weg, die von Guido Thurk und Tobias Schwieger als Vater-Sohn-Gespann Hertz und Franz Kleinmann verkörpert werden. Das Lippe-Saiten-Orchester mit Tankred Schleinschock (Keyboard), Jürgen Knautz (Bass), Marco Bussi (Schlagzeug), Claus Michael Siodmok (Gitarre) und Matthias Fleige (Gitarre) ist im Hintergund in das tourneetaugliche Bühnenbild von Elke König integriert und sorgt mit rockigen Tönen für Begeisterung beim Publikum.

Theater Marl, davor die „Himmelsachse“ von Vera Röhm, 1996/1998

Nach 160-minütiger Vorstellung (einschließlich 30 min Pause) gab es Stehapplaus für die Akteure auf der Bühne, die fünf Musiker blieben – ob gewollt oder ungewollt sei dahingestellt – im dunklen Hintergrund, und auch zu einer Zugabe konnte man sich trotz langanhaltenden Beifalls nicht durchringen. Am Theater Marl steht am kommenden Dienstag, 8. September 2020, als weiteres Musical „Der kleine Horrorladen“ als Gastspiel des Landestheaters Detmold auf dem Spielplan, „Rock of Ages“ vom Westfälischen Landestheater ist das nächste Mal am kommenden Mittwoch, 9. September 2020, im Saalbau Witten zu sehen.

Kommentare