„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“

Neue Sonderausstellung im LWL-Museum in der Kaiserpfalz

Ursprünglich vom 8. Mai bis 11. Oktober 2020 geplant, zeigt das Museum in der Kaiserpfalz des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Paderborn nun ab Freitag, 24. Juli 2020 bis 15. November 2020 die Sonderausstellung „Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“. Die Schau ist europaweit die erste, die sich mit mehr als nur einem Teilaspekt dieser scheinbar lebensfeindlichen Region befasst.

LWL-Museum in der Kaiserpfalz Paderborn

„Die Ausstellung fällt in eine Zeit, wo uns jedes Kulturvorhaben, das tatsächlich stattfindet, als großes Geschenk erscheint“, erklärte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. „Das Projekt ‚Leben am Toten Meer‘, an dem so viele internationale Leihgeber beteiligt waren, hat uns gezeigt, wie groß die Solidarität von Kultureinrichtungen untereinander auch in schwierigen Zeiten und über Landesgrenzen hinweg ist.“

Das LWL-Museum in der Kaiserpfalz zeigt vom 24. Juli bis 15. November 2020 die Sonderausstellung „Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“. Grafik: LWL

12.000 Jahre Kulturgeschicht in acht Themenfeldern
Die Sonderausstellung, die im LWL-Museum in der Kaiserpfalz bis zum 15. November läuft, zeigt 12.000 Jahre Kulturgeschichte der Region, vorgestellt in acht Themenfeldern. „Im Nahen Osten entwickeln sich manche Kulturen deutlich früher als bei uns in Westfalen“, erklärte LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind. „Daher sind die Funde vom Toten Meer nicht nur einzigartige Zeugnisse einer weit zurückliegenden Kultur. Sie faszinieren schon allein aufgrund ihres hohen Alters und des ausgezeichneten Erhaltungszustandes.“

Heute wurde das bemalte Kosmetikfläschchen aus Fayence des Ashmolean Museum in seine Vitrine gestellt. v. l. n. r.: LWL-Restaurator Andreas Weisgerber, LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger und Museumsleiter Dr. Martin Kroker

Die rund 350 Exponate stammen von 23 Leihgebern, darunter die Israel Antiquity Authorities in Jerusalem, das Israel Museum Jerusalem, das Ashmolean Museum in Oxford und das British Museum in London. Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen mehr als 2.000 Jahre alte Fragmente von Bibelhandschriften aus Qumran, die als „Jahrtausendfund“ der Archäologie gelten, sowie bis zu 8.000 Jahre alte Textilfunde und Handschriften antiker Gelehrter wie Plinius und Ezechiel.

Bemaltes Kosmetikfläschchen aus Jericho (1650–1550 v. Chr). Foto: Ashmolean Museum, University of Oxford

Paderborns enge Beziehungen zum Heiligen Land
Museumsleiter Dr. Martin Kroker erklärte: „Der Schwerpunkt des LWL-Museums in der Kaiserpfalz liegt eigentlich auf dem westfälischen Mittelalter. Mit dieser Ausstellung erschließen wir uns neue Themengebiete und Regionen. Paderborn mit seinen engen Verbindungen zur Archäologie und seinen religiösen wie kulturellen Beziehungen zum Heiligen Land erscheint geradezu prädestiniert für eine Ausstellung zum Toten Meer.“

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Modell vom Toten Meer im Eingangsbereich

Obwohl der Schwerpunkt der Ausstellung auf der Zeit bis zur Frühislamischen Epoche liegt, geht sie auch auf die Gegenwart ein: Interviews geben Einblicke in das heutige Leben in der Konfliktregion. Auch der Klimawandel ist Thema – und mit ihm das Verschwinden des Toten Meeres. „Ziel der Ausstellung ist es, die Kulturgeschichte dieser lebensfeindlich anmutenden und doch anziehenden Region vorzustellen, die auch in der Vergangenheit keine Einheit darstellte, und viel mehr bietet als nur Schreckensszenarien wie Sodom und Gomorra“, sagte Dr. Martin Kroker.

Die Themenbereiche der Sonderausstellung

Natur und Selbsterhaltung
Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Frage, warum es Menschen seit Jahrtausenden in die unwirtliche Region rund um das Tote Meer zieht. Es wird auf die Bedeutung des hohen Salzgehaltes des Sees, seiner wohltuenden Mineralien, auf das natürliche Vorkommen von Asphalt (Bitumen), die Möglichkeit des Dattelpalmenanbaus sowie die Nutzung des Balsamstrauches für Öle und Parfüm eingegangen. Oasen bieten dank Wasser aus Flussläufen (Wadis) die Möglichkeit für Ackerbau und Viehzucht.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Wellness, Kugelflasche, 2./3. Jahrhundert b. Chr., en-Tamar,  zwei Salbölfläschchen, 2. Hälfte 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr., Regavim,  und spindelförmiges Salbölfläschchen, 2. Jahrhundert v. Chr., Bestattungshöhle bei En-Gedi

Wellness
Schon in hellenistisch-römischer Zeit war die wohltuende Wirkung der Thermalquellen an den Ufern des Salzsees überregional bekannt. Gleichzeitig wirft die Darstellung der Bäderkultur ein luxuriöseres Bild auf die Region, die durch den Balsamstrauch sogar zum politischen Spielball zwischen Kleopatra/Marc Anton und Herodes wurde. Balsam wurde vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis in die byzantinische Zeit in den Oasen im südlichen Jordantal verarbeitet und war ein wertvolles Exportgut. Die botanische Bestimmung der Balsampflanze stellt indes ein bis heute nicht vollständig gelöstes Rätsel dar.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Mobilität, Pilgerflasche, Eisenzeit, Jericho

Mobilität
Steiles und felsiges Terrain gepaart mit Seespiegelschwankungen erschwerte die Mobilität entlang der Ufer. Die Schifffahrt hatte derweil mit dem hohen Salzgehalt des Sees zu kämpfen. Dennoch bewegten sich Menschen und Waren aus anderen Regionen zum Toten Meer. In der Ausstellung wird anhand verschiedener Funde aus weit entfernten Gegenden die Mobilität der Menschen am Toten Meer und ihre Vernetzung von Anatolien bis nach Ägypten dargestellt.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Höhlen, Dörfer und Städte, Blick in die Ausstellung

Höhlen, Dörfer und Städte
Ist Jericho wirklich die älteste Stadt der Welt? Wie entsteht ein Tell (Erhebung durch wiederholte Besiedlung)? Neben Antworten auf diese Fragen zeigt die Ausstellung anhand von Modellen auch die Entwicklung verschiedener Hausformen. Eine Besonderheit der Region rund um das Tote Meer sind die zahlreichen Höhlen, die von Menschen als Behausungen genutzt wurden. Vor allem in Zeiten politischer oder religiöser Verfolgung dienten sie auch als Zufluchtsorte.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Macht und Ohnmacht, Blick in die Ausstellung

Macht und Ohnmacht
Spätestens seit dem ausgehenden 2. Jahrtausend v. Chr. befinden sich die Bewohner der Region in stetem Konflikt um die Macht im Land. Berühmt sind die Palastanlagen von Jericho, Machärus und Masada, die der römische Klientelkönig Herodes errichten ließ, um seine Ansprüche zu dokumentieren. Unscheinbarer, aber ebenso aussagekräftig sind sogenannte „Iudaea Capta“ („Judäa ist erobert“) Münzen. Sie preisen die Unterwerfung Judäas durch Kaiser Vespasian bzw. seinen Sohn Titus. Eine Herrschaft, die zur Rebellion führte: Die Aufständischen suchten dabei Zuflucht in den Höhlen am Toten Meer und hinterließen Alltagsgegenstände und Schriftstücke, von denen einige in der Ausstellung zu sehen sind.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Kult und Religion, Sarg, römisch, En-Gedi

Kult und Religion
Wenn man etwas mit dem Toten Meer verbindet, dann Kult und Religion. Mit Gips überzogene Schädel und Steinmasken zeugen vom Ahnenkult in der frühen Jungsteinzeit. Aus der späten Kupfersteinzeit ist der Fund aus der „Cave of the Treasure“ („Höhle des Schatzes“) im Nahal Mischmar berühmt. Ein Teil der dort gefundenen Kupferobjekte ist in der Ausstellung zu sehen, darunter mehrere Zepter.
Die Sensation, den der Fund der Schriftrollen von Qumran in den 1950er Jahren auslöste, wird in der Ausstellung ein wenig entzaubert. Der Ausgräber, der Dominikanermönch Roland de Vaux, interpretierte die dicht bei den Höhlen gefundenen Siedlungsreste als Kloster der jüdischen Sekte der Essener – eine mittlerweile umstrittene Theorie.
Die Schriftrollen sind inzwischen ein politischer Spielball zwischen den politischen Mächten am Toten Meer. Vier originale Fragmente können in der Ausstellung gezeigt werden.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Forschen, Blick in die Ausstellung

Forschen
Römischen Autoren wie Plinius dem Älteren († 25. August 79 n. Chr. in Stabiae am Golf von Neapel) verdanken wir frühe Berichte zum Toten Meer. Pilger besuchten und beschrieben ab byzantinischer Zeit die Region. Erst seit Einsetzen des Humanismus stehen naturwissenschaftliche Untersuchungen, gepaart mit politischen und ökonomischen Interessen, im Mittelpunkt. 1848 bewies der Amerikaner William Francis Lynch, dass die Wasseroberfläche des Toten Meeres 400 m unterhalb des Meeresspiegels liegt. Ausgrabungen in der Region ab Mitte des 19. Jahrhunderts waren geprägt von der Suche nach biblischen Orten wie dem durch Posaunen zerstörten Jericho oder den durch Feuer verwüsteten Städten Sodom und Gomorra. Mit der Etablierung der Archäologie als Wissenschaft im Laufe des 20. Jahrhunderts beackerten vor allem britische Archäologen das Feld ihres Mandatsgebietes Palästina. Heutzutage sind archäologische Untersuchungen vornehmlich international geprägt. Sie zielen darauf ab, die Kulturgeschichte der Region zu rekonstruieren und zu erhalten.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Forschen, Leica-Kamera mit Kameratasche, 1950er-Jahre

Textilien
Das trockene Klima am Toten Meer ist ideal für die sonst so seltene Erhaltung von Textilien. Belege für unterschiedliche Stoffe und Webtechniken zeigen Funde von der Jungsteinzeit bis in byzantinische Zeit.

Flasche mit Wasser vom Toten Meer, gesammelt vom Forscher Gustaf Dalman, 1921. Universität Greifswald, Gustaf-Dalman-Institut. Foto: smac Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, Dirk Hanus

Zur Ausstellung „Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“ im LWL-Museum in der Kaiserpfalz Paderborn wird ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten. Dazu gehört auch eine Vortragsreihe. Den Anfang macht der Kurator der Ausstellung Dr. Martin Peilstöcker mit seinem Vortrag über die archäologische Erforschung des Toten Meeres am 20. August 2020. Ab dem 1. August 2020 werden auch wieder Gruppenführungen im LWL-Museum in der Kaiserpfalz angeboten.

Das LWL-Museum in der Kaiserpfalz Paderborn hat Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt in die Sonderausstellung „Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“ beträgt für Erwachsene 8 Euro, 4 Euro ermäßigt, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt. Es gelten die üblichen Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen, Masken- und Abstandspflicht. Gesunder Menschenverstand kann auch nicht schaden. Es dürfen sich maximal 80 Besucher gleichzeitig im Museum aufhalten.

Weitere Informationen unter www.lwl-kaiserpfalz-paderborn.de.

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, Forschen, links: Plinius der Ältere (* 23 n. Chr. in Novum Comum, † 25. August 79 n. Chr. in Stabiae am Golf von Neapel): Naturalis Historiae. Älteste bekannte Abschrift (5. Jahrhundert n. Chr.) der berühmten Naturgeschichte des Plinius. Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal.
Rechts: Buch Ezechiel, Handschrift um 450 n. Chr.

Ausstellungskatalog

„Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“
Herausgeber smac Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, Martin Peilstöcker und Sabine Wolfram
Ausstellungskataloge des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz, Band 3 (Dresden 2019)
352 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Karten und Diagrammen in einem fadengehefteten Festeinband
32,0 × 23,0 cm
ISBN: 978-3-943770-47-6
€ 29,90

Der Begleitband zur Sonderausstellung „Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land" gibt einen Einblick in die Jahrtausende alte Kulturgeschichte und die Ausgrabungsergebnisse einer scheinbar lebensfeindlichen Region.

Essays zu den Themen Forschungsgeschichte, Natur und Subsistenz, Kulturgeschichte, Wellness, Mobilität, Höhlen, Dörfer und Städte, Macht und Ohnmacht, Kult und Religion, Qumran sowie den umfangreich erhaltenen Textilresten werden ergänzt durch Beiträge zu den wichtigsten Fundorten am Toten Meer, darunter Jericho, Qumran, Masada und Machärus. Der Objektkatalog präsentiert zudem auf über 80 Seiten die Exponate der Sonderausstellung.

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