60 Jahre Musiktheater im Revier


Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, Großes Haus

Am 15. Dezember 1959 wurde das neue Stadttheater in Gelsenkirchen am Kennedyplatz im Großen Haus mit William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ mit Jürgen von Manger-Koenig (* 6. März 1923 in Ehrenbreitstein, † 15. März 1994 in Herne) als Schnauz, der Kesselflicker u. v. a. in einer Inszenierung von Hans Hinrich eröffnet, erster Generalintendant der „Städtischen Bühnen Gelsenkirchen“ im neuen Stadttheater (ab der Spielzeit 1958/1959, also noch vor der Eröffnung am Kennedyplatz) war Hans Hinrich (* 27. November 1903 in Berlin, † 30. Oktober 1974 in Berlin). Übrigens, die Spielzeit 1959/1960 der „Städtischen Bühnen Gelsenkirchen“ wurde am 21. September 1959 mit der Rossini-Oper „Der Barbier von Sevilla“ am Theater der Stadt Marl eröffnet, da sich die Bauzeit des neuen Stadttheaters um 15 Monate verlängert hatte. 1954 hatte die Stadt Gelsenkirchen einen Wettbewerb für den Neubau ausgeschrieben, den die Arbeitsgemeinschaft der Architekten Harald Deilmann (* 30. August 1920 in Gladbeck, † 1. Januar 2008 in Münster), Max von Hausen (* 25. Oktober 1919 in Münster, † 9. März 1995 auf Lanzarote), Ortwin Rave (* 13. Oktober 1921 in Siegen, † 15. Dezember 1992 in Münster) und Werner Ruhnau (* 11. April 1922 in Königsberg, † 6. März 2015 in Essen) für sich entscheiden konnte. Unter Federführung von Werner Ruhnau wurde der außerordentlich umstrittene Entwurf umgesetzt, am 22. Juni 1956 legte Gelsenkirchens Oberbürgermeister Robert Geritzmann (* 9. Februar 1893 in Essen, † 12. September 1969 in Gelsenkirchen) den Grundstein für das Gebäude, das in 41 Monaten Bauzeit mit 19 Millionen DM Baukosten zu Buche schlug, geplant waren 10,8 Millionen DM.

Außenansicht des Theaters der „Städtischen Bühnen Gelsenkirchen“ im Eröffnungsjahr 1959. Foto städt. Bühnen Gelsenkirchen

Die heute renommierten Künstler Robert Adams (* 5. Oktober 1917 in Northampton, Großbritannien, † 5. April 1984 in Great Maplestead, Essex), Paul Dierkes (* 4. August 1907 in Cloppenburg, † 25. März 1968 in Berlin), Yves Klein (* 28. April 1928 in Nizza, † 6. Juni 1962 in Paris), Norbert Kricke (* 30. November 1922 in Düsseldorf, † 28. Juni 1984 in Düsseldorf) und Jean Tinguely (* 22. Mai 1925 in Freiburg im Üechtland, † 30. August 1991 in Bern) wirkten von Anfang an bei Planung und Ausführung des vom Bauhaus beeinflussten Theaterbaus mit. Der englische Bildhauer Robert Adams gestaltete das 20 × 3 m große Betonrelief an der Außenwand der Kassenhalle, Paul Dierkes gestaltete das Putzrelief an der Rundwand des Foyers im Großen Haus.

Musiktheater im Revier, Großes Haus

Musiktheater im Revier, Westfoyer im Großen Haus

Gemeinsam mit Werner Ruhnau entwickelte Yves Klein die „Blauen Überspannungen“ und Schwammreliefs in den beiden Garderoben und Foyers, die eine Größe von 20 × 7 m an den Seitenwänden und 10 × 5 m an den Stirnwänden haben und zu seinen größten und bedeutendsten Arbeiten zählen. Yves Klein ist für seine monochromen Bildkompositionen bekannt, die monumentalen Wandarbeiten im Musiktheater im Revier wurden in von Werner Ruhnau, Ernst Oberhoff und Yves Klein gemeinsam entwickelten „Gelsenkirchener Blau“ ausgeführt. Bereits 1957 soll Yves Klein bei einem Besuch der Baustelle voller Euphorie prophezeit haben: „Dieses wird das Foyer des Jahrhunderts.“ Ob er Recht behalten hat, davon kann sich jeder Theaterbesucher bei einem Vorstellungsbesuch im Großen Haus selbst überzeugen.

Schwammrelief im Westfoyer, Detail

Farbtonne und Probe des „Gelsenkirchener Blau“ im Ruhr Museum, Objekt von Werner Ruhnau zum 50. Geburtstag des Musiktheaters Gelsenkirchen, Originalmaterialien, 1958/59

Das „Große Relief in zwei Ebenen“ von Norbert Kricke ist an der Außenwand des Kleinen Hauses zu sehen, für die Stirnwände des Foyers im Kleinen Haus entwickelte Jean Tinguely bewegliche Mechanische Reliefs. Jean Tinguely ist vor allem durch seine beweglichen, maschinenähnlichen Skulpturen (teilweise in Kollaboration mit seiner zweiten Ehefrau Niki de Saint Phalle) bekannt. Ich habe die Mechanischen Reliefs im Kleinen Haus allerdings noch niemals in Bewegung gesehen.

Musiktheater im Revier, Kleines Haus, „Großes Relief in zwei Ebenen“ von Norbert Kricke

Nachdem die „Städtischen Bühnen Gelsenkirchen“ die Sparte Schauspiel aufgegeben hatten, gab der zweite General­in­ten­dant Günter Roth (* 30. März 1925 in Hannover, † 11. August 2015) dem Stadttheater den Namen „Musiktheater im Revier“. Nach Günter Könemann (* 1931 in Frankfurt an der Oder) holte Claus Leininger (* 17. Januar 1931 in Mannheim, † 22. Februar 2005 in Wiesbaden) als vierter General­in­ten­dant Bernd Schindowski (* 1947 in Hagen) als Ballettdirektor (1978 bis zu seinem Ruhestand 2011) als Nachfolger von Jorge Sansinanea (1973 bis 1978) an das Haus. Unter Ludwig Baum, der von 1988 bis 2001 Intendant in Gelsenkirchen war, fusionierte das Musiktheater im Revier 1996 mit den Wuppertaler Bühnen zum „Schillertheater NRW“, doch bereits 2000 beschloss der neu gewählte Wuppertaler Stadtrat mit der neuen Mehrheit aus CDU und FDP das Ende der Fusion, so dass Peter Theiler (* 1956 in Basel) als siebter General­in­ten­dant ab 2001 wiederum das Musiktheater im Revier leitete. Michael Schulz (* 1966 in Soltau) übernahm schließlich 2008 als achter General­in­ten­dant die Leitung des Hauses, sein Vertrag wurde unlängst bis 2023 verlängert. Unter seiner Ägide übernahm Bridget Breiner (* 1974 in Windham, Connecticut, USA) ab der Spielzeit 2012/2013 bis 2018/2019 die Ballettdirektion, gefolgt von Giuseppe Spota (* 1983 in Bari, Italien) ab der laufenden Spielzeit.

Zur Feier des runden Geburtstages werden eine Reihe von Jubiläumsveranstaltungen angeboten, den Anfang macht das Podiumsgespräch „Spielraum der Demokratie – Das Musiktheater im Revier als Ort demokratischer Repräsentation“ am 3. Dezember 2019. Am Samstag, 14. Dezember 2019 findet der eigentliche Festakt statt, gefolgt von der Filmnacht unter dem Motto „Das MiR im Film“. Am Sonntag, 15. Dezember 2019 führt General­in­ten­dant Michael Schulz persönlich durch das Haus. Dabei wird er bestimmt die ein oder andere Anekdote zum Besten geben. Ob es jedoch noch Zeitzeugen gibt, die 60 Jahre MiR selbst erlebt haben, entzieht sich meiner Kenntnis.

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