Das Wohnen in den 1960er-Jahren

Richtfest am „Haus Stöcker“ im LWL-Freilichtmuseum Detmold

Es ist gerichtet: Mit traditionellem Spruch und der „Hillebille“, dem rhythmischen Hammerschlag der Zimmerleute, hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am Mittwoch, 21. August 2019, im LWL-Freilichtmuseum Detmold das Richtfest von „Haus Stöcker“ gefeiert. „Dieses Haus ist für die Museumspräsentation etwas ganz Besonderes, denn es ist das erste, in dem wir das Wohnen der frühen 1960er-Jahre zeigen werden“, erklärte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Es ergänzt die Darstellung der 1960er-Jahre, die mit der Tankstelle aus Siegen-Niederschelden 2013 ins Museum eingezogen ist. Das aus Burgholdinghausen (Kreis Siegen-Wittgenstein) stammende Gebäude will das LWL-Freilichtmuseum 2021 öffnen.

Gebäuderestaurator für Holz Burkhard Gemke, Museumsleiter Prof. Dr. Jan Carstensen und LWL Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger beim Einschlagen des letzten Holznagels. Foto: LWL

1797, das haben aktuelle dendrochronologische Untersuchungen an den Fachwerkbalken besstätigt, wurde das Haus auf einem Grundstück in Burgholdinghausen von dem Juden Benjamin Moses erbaut und ist damit der erste nachweisbare Hausbau eines Juden im Kreis Siegen Wittgenstein. Benjamin Moses stammte aus dem benachbarten kurkölnischen Sauerland und war der erste Jude, der sich nach den Vertreibungen des Mittelalters im Fürstentum Nassau-Siegen niederließ. Gebaut hat er ein, für damalige Verhältnisse, sehr modernes Wohnhaus, das durch einen Bruchsteinsockel besser vor der Bodenfeuchte geschützt war.

LWL-Freilichtmuseum Detmold, Siegerländer Weiler, Tankstelle, Niederschelden (Siegen, Kreis Siegen-Wittgenstein), 1951 erbaut

Fast 100 Jahre, von 1860 bis 1959, wurde das zweistöckige Fachwerkhaus mit Landwirtschaft im Nebenerwerb von der die Familie Stöcker gepachtet. In den 1950er-Jahren gab es vor allem in der Inneneinrichtung einige Veränderungen. So wurden beispielsweise ein Fernsehapparat, Kühlschrank und Telefon angeschafft, alles Geräte, die sich nur wenige Menschen zu dieser Zeit im ländlichen Westfalen leisteten.

Haus Stöcker am ursprünglichen Standort in Burgholdinghausen. Foto: LWL

Hintergrund

  • 1797: Bau des Fachwerkhauses durch den Juden Benjamin Moses. Er erwarb das Grundstück und einen Hauberganteil (Anteil am gemeinschaftlich genutzten Wald) vom Freiherrn zu Fürstenberg.
  • Moses nutzte die Haubergsparzelle als Begräbnisstelle; diese wurde später auch für andere jüdische Bestattungen aus Siegen und Hilchenbach genutzt.
  • 1831: Tod von Benjamin Moses und Heirat seines Sohnes gleichen Namens. Abwanderung der Familie von Burgholdinghausen ins benachbarte Littfeld, sie betrieb dort eine Metzgerei. Das Haus in Burgholdinghausen wurde vom Freiherrn zu Fürstenberg zurückgekauft und an Mitglieder der Familie Moses verpachtet. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren alle Familienmitglieder Moses aus Burgholdinghausen abgewandert.
  • Fast 100 Jahre, von etwa 1860 bis 1959, bewohnte die Familie Stöcker das Haus. Die Haushaltsvorstände sind hauptberuflich Bergleute, Eisenbahner, Maurer oder Postbeamte und betreiben eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb.
  • Nach 1959 wurde das Haus Nr. 5 in Burgholdinghausen für wenige Jahre von der Familie Zander bewohnt, Zanders waren vermutlich Angestellte der Forstverwaltung.
  • Von 1961 bis Ende Februar 1963 war das Haus vorübergehend Sitz der Forstverwaltung des Stahlindustriellen Albrecht Woeste (Düsseldorf), 1963 zog die Forstverwaltung in einen Neubau um.
  • 1963: Erwerb und Abbau des leerstehenden Hauses Stöcker durch das LWL-Freilichtmuseum Detmold.
  • Juni 2018: Erster Spatenstich und Beginn des Wiederaufbaus in der Baugruppe „Siegerländer Weiler" des LWL-Freilichtmuseums Detmold, Präsentation im Zustand der frühen 1960er-Jahre geplant.

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