„Mensch und Tier im Revier“

Galerieausstellung im Ruhr Museum vom 8. Juli 2019 bis 25. Februar 2020

2019 startet das Ruhr Museum eine neue Ausstellungsreihe in seiner Galerie auf der 21-Meter-Ebene der ehemaligen Kohlenwäsche. Sie beschäftigt sich mit populären Themen zur Ruhrgebietsgeschichte und beginnt mit der Ausstellung „Mensch und Tier im Revier“ am 8. Juli 2019.

Plakat zur Ausstellung „Mensch und Tier im Revier“. © Ruhr Museum, Gestaltung: Uwe Loesch

Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier ist eine grundlegende Frage kultureller Identität. Der Mensch hat sich dem Tier seit jeher in ganz unterschiedlicher Form genähert und sein Verhalten ihm gegenüber bestimmt. Er hat es gejagt und sich von ihm ernährt, er hat es domestiziert und sich seiner als Arbeitskraft bedient, er hat es gefangen und bestaunt und er hat es als Gefährten in seine Gemeinschaft aufgenommen. Im Ruhrgebiet, dem ehemals größten industriellen Ballungsraum Europas, spielten Tiere eine besondere Rolle. Sie mussten die ungeheuren Lasten und Materialströme der Industrialisierung unter und über Tage bewegen, sie dienten in den Schlachthöfen der Ernährung von Millionen von Menschen und sie spielten als Brieftauben, Zuchthasen und Rennpferde eine wichtige Rolle im Alltag und bei der Unterhaltung.

„Mensch und Tier im Revier“, Bergmann mit Ziege vor der Kokerei Prosper, Bottrop, 1961. © Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Anton Tripp

In den letzten Jahren hat sich das Mensch-Tier-Verhältnis jedoch grundlegend verändert. Im Zeichen von zunehmendem Verzicht auf fleischliche Ernährung, dem größeren Respekt vor der Natur und dem Wunsch nach der Erhaltung aussterbender Arten und Rassen werden Tiere immer mehr als Gefährten des Menschen begriffen, als Subjekte und nicht als Objekte, und die Debatte um stärkeren Tierschutz und umfassendere Tierrechte ist in vollem Gange.

„Mensch und Tier im Revier“, Wildschweinkopf, Herkunft unbekannt, 20. Jahrhundert

Die Ausstellung in der Galerie des Ruhr Museums auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein thematisiert mit über 100 ausgewählten Objekten sowie mit weit über 100 Foto- und Filmbeispielen die verschiedensten Aspekte des Mensch-Tier-Verhältnisses. Sie wurden durch Leihgaben der LVR- und LWL-Industriemuseen, anderer Museen der Region sowie von privaten Sammlern ergänzt und zueinander in Beziehung gesetzt. Die meisten Exponate haben einen direkten Bezug zum Ruhrgebiet und sind Charakterstücke des Mensch-Tier-Verhältnisses im Industriezeitalter. Andere beziehen sich auf den Raum des heutigen Ruhrgebiets und belegen historische Mensch-Tier-Soziotope von der Eiszeit bis ins 20. Jahrhundert. Wieder andere illustrieren den Bedeutungswandel des Tieres in der Wissenschaft oder in religiösen und politischen Zusammenhängen. In ihrer Gesamtheit verdeutlichen die Objekte der Ausstellung, dass die Beziehung zwischen Mensch und Tier eine seit Jahrtausenden andauernde Machtgeschichte ist, in der dem Tier eine passive, dienende Objektfunktion zugeschrieben wurde und wird.

„Mensch und Tier im Revier“, Kuhjoch, Westfalen, 19. Jahrhundert

Die Gliederung

In den fünf Abteilungen „Tiere töten“, „Tiere nutzen“, „Tiere lieben“, „Tiere ordnen“ und „Tiere deuten“ beleuchtet die Ausstellung schlaglichtartig die Themen „Jagd – Schlachtung – Vernichtung“, „Arbeit – Produkte – Zucht“, „Gefährten – Vermenschlichung – Schutz“, „Sammeln – Erforschen – Ausstellen“ und „Alltag – Glaube – Politik“. Jedes Objekt macht auf seine Weise auf eine spezielle Variante der Mensch-Tier-Beziehung aufmerksam. Der individuelle Wert der Tiere für den Menschen hing und hängt jeweils von ihrer kulturellen Relevanz ab, die je nach Mode oder Zeitgeist Veränderungen unterliegt. An vielen der in den fünf Abteilungen gezeigten Exponate können hierfür zentrale Aspekte aufgezeigt werden. Trotz ihrer meist passiven Rolle sind Tiere jedoch mit einer eigenen Handlungs- oder vielleicht eher noch Wirkungsmacht ausgestattet. Dies zeigt sich insbesondere in solchen Mensch-Tier-Beziehungen, bei denen nicht der Nutzen und Gebrauch sondern Emotionen im Vordergrund stehen, wie gegenüber unseren Haustieren oder bei der Begeisterung für die Fremdheit, Ästhetik und Fähigkeiten von Wildtieren.

„Mensch und Tier im Revier“, Paral-Pumpzerstäuber zur Insektenvernichtung, Böhme Fettchemie, Chemnitz, 1950er-Jahre

Die Ausstellung wird eingerahmt von zwei Fotoinszenierungen. Im Eingangsbereich erwartet die Besucher eine Projektion von 45 Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die das historische Miteinander von Mensch und Tier im Ruhrrevier vergegenwärtigen. Auf einer großen Fotowand im hinteren Teil des Ausstellungsraums treten den Besucherinnen und Besuchern die wild lebenden Tiere des heutigen Ruhrgebiets in Porträtaufnahmen von Angesicht zu Angesicht und auf Augenhöhe gegenüber. Entsprechend der aktuellen ethischen Debatte, die ein Umdenken im Umgang mit Tieren fordert („Animal turn“), soll den Tieren in der Ausstellung eine aufgewertete, aktivere Stellung eingeräumt werden.

„Mensch und Tier im Revier“, Damen-Handtasche aus Reptilienleder, Afrika oder Südamerika, 1970er-Jahre

Das Projekt

Die Ausstellung und die dazugehörige Veranstaltungsreihe entstanden in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis „Mensch und Tier im Ruhrgebiet“, in dem sich das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen und die historische Fakultät Köln mit namhaften Museen des Ruhrgebiets zusammengeschlossen haben. Gemeinsam mit dem vorliegenden Katalog sind sie das Ergebnis eines umfangreichen, mehrjährigen Forschungs- und Kooperationsprojekts. Es begann im Jahr 2015 mit dem Zusammenschluss des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, dem Historischen Institut der Universität zu Köln und dem Ruhr Museum auf Zollverein zu einem Projektverbund zum Wandel der Mensch-Tier-Beziehungen in der festen Überzeugung, dass dieses Thema von immenser kultureller Bedeutung sei, sich in besonderem Maße zur historischen und kulturellen Analyse eignet und in der materiellen Hinterlassenschaft, vor allem im Ruhrgebiet, als Forschungsfeld seinen Niederschlag gefunden habe. Den Grundstock der materiellen Untersuchungsbasis bildeten von Anfang an die umfangreichen Sammlungen des Ruhr Museums, das als Vielspartenmuseum über ganz unterschiedliche Objektbereiche verfügt, von der Geologie und Mineralogie über die Archäologie, die Vormoderne und die Industrie- und Sozialgeschichte bis hin zur Fotografie. Um die Untersuchungsbasis zu verbreitern, schloss sich der Projektverbund sehr schnell mit einer Reihe anderer Museen im Ruhrgebiet zu einem Arbeitskreis „Mensch und Tier im Ruhrgebiet“ zusammen. Dazu gehören das Deutsche Bergbau-Museum Bochum, die LVR- und LWL-Industriemuseen, das Museum Folkwang und das Naturkundemuseum Dortmund. Dieser Arbeitskreis bildet die ganze Breite der Museumslandschaft im Ruhrgebiet ab und demonstriert eindrücklich die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der regionalen Museen weit über die eigenen Sparten hinaus.

„Mensch und Tier im Revier“, „Mecki bei den Chinesen“, Bilderbuch mit Illustrationen von Wilhelm Petersen, Hamburg, 1955; Meckifigur der Fa. Steiff, Giengen an der Brenz, 1960er-Jahre

Dem Charakter des Forschungsverbundes entsprechend ist die Ausstellung im Ruhr Museum der Beginn einer Reihe von Ausstellungen zum Mensch-Tier-Verhältnis, die im Frühjahr 2020 mit einer Ausstellung über die Bedeutung bestimmter Tiere für die Industrialisierung des Ruhrgebiets im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum und einer weiteren im Herbst 2021 zur Rolle der Tiere als Rohstofflieferanten für Kleidung und Mode im LVR-Industriemuseum Textilfabrik Cromford in Ratingen fortgesetzt wird.

„Mensch und Tier im Revier“, Teddybären Mecki und Zotty, Fa. Steiff, Giengen an der Brenz

Das Begleitprogramm

Neben den Ausstellungen findet ein umfangreiches wissenschaftliches Begleitprogramm statt. Es umfasst Vorträge, Gesprächsrunden, Lesungen und Filmvorführungen, das vor allem vom Kulturwissenschaftlichen Institut vorbereitet wird. Begonnen hat dieses Programm bereits im Frühjahr 2018 mit einer internationalen Tagung im Kulturwissenschaftlichen Institut mit dem Titel „Brauchen die Kulturwissenschaften einen Animal turn? Theoretische Grundlagen und konzeptionelle Probleme der Human-Animal-Studies“.

„Mensch und Tier im Revier“, Schaukelpferd, Hullern (bei Haltern am See), um 1925

Das Programm im Ruhr Museum richtet sich mit Führungen, Workshops, einem Vorlesetag und einer begleitenden Ausstellung an Kinder, Familien, Erwachsene, Senioren und Schulen. Die Vorträge im Kokskohlenbunker nehmen Bezug auf die fünf Abteilungen der Ausstellung „Mensch und Tier im Revier“. Führungen in Gebärdensprache runden das Programm ab.

„Mensch und Tier im Revier“, Blick in die Ausstellung

Der Katalog

Der 304 Seiten starke Katalog zur Ausstellung mit ca. 230 Abbildungen kostet 29,95 Euro und erscheint im Klartext Verlag, Essen 2019. ISBN: 978-3-8375-2102-3.

„Mensch und Tier im Revier“, Braunbär Max aus dem Bochumer Tierpark, 1976–2003, Präparation: Bochum, 2004

„Mensch und Tier im Revier“, Fossiles Riesenfluginsekt, Karbon, 320 Millionen Jahre

„Mensch und Tier im Revier“, Plakat der Imagekampagne „Der Pott kocht“, Kommunalverband Ruhrgebiet, Essen, 1998

„Mensch und Tier im Revier“, Himmelsglobus von Gerhard Mercator, Faksimile der Fa. Merzbach und Falk, Brüssel, 1875, mit Originalsegmenten von 1551

Die Ausstellung „Mensch und Tier im Revier“ ist vom 8. Juli 2019 bis 25. Februar 2020 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am 24., 25. und 31. Dezember geschlossen. Der Eintritt beträgt 3 Euro, ermäßigt 2 Euro, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler und Studierende unter 25 Jahren haben freien Eintritt.


Dienstag, 5. Mai 2020

Die Galerieausstellung „Mensch und Tier im Revier“ wird über das Ende der Sommerferien in NRW am 11. August 2020 hinaus bis zum 16. August 2020 verlängert. Dadurch bedingt wird die Ausstellung „Kindheit im Ruhrgebiet“ auf September 2020 verschoben.

Kommentare

Detlef hat gesagt…
Die Ausstellung ist bis zum 2. Juni 2020 verlängert worden.