„Natürlich Blond – Das Musical“ – nach dem Roman „Legally blonde“ von Amanda Brown (2001) und der gleichnamigen Hollywood Komödie (2001) mit Reese Witherspoon; Musik, Lyrics: Laurence O’Keefe, Nell Benjamin; Buch: Heather Hach; Deutsche Bearbeitung: Ruth Deny (Buch), Kevin Schroeder und Heiko Wohlgemuth (Songtexte); Inszenierung: Felix Sommer; Choreografie: Kati Heidebrecht; Bühne: Harry Behlau; Kostüme: Martina Toeberg; Musikalische Leitung: Jürgen Knautz. Darsteller: Felice Böcker (Elle Woods), Sebastian Böhm (Emmett Forrest), Heike Hansen (Paulette Buonufonté), Marcel Bücker (Professor Callahan), Andreas Böker (Warner Huntington III), Sandra Döring (Vivienne Kensington), Anna Hansen (Brooke Wyndham), Anne Marin (Serena), Dana Rösener (Margot), Celine Bergerbusch (Pilar), Katharina Herrmann (Kate), Rainer Hansen (Dewey/
„Natürlich Blond – Das Musical“
Bunte Unterhaltung auch ohne literarisch tiefgründige Vorlage
Das Musical „Natürlich Blond“ aus der Feder von Laurence O’Keefe, Nell Benjamin (Musik & Texte) und Heather Hach (Buch) basiert auf dem Roman „Legally Blonde“ von Amanda Brown und der gleichnamigen Hollywood-Komödie mit Reese Witherspoon in der Hauptrolle aus dem Jahr 2001. Das Musical erzählt mit viel (teilweise derbem) Wortwitz und Charme die Geschichte der amerikanischen College-Blondine Elle Woods, die nach Harvard geht, um Ihren Ex-Freund Warner Huntington III, der dort Rechtswissenschaften studieren will, zurückzugewinnen. Dort entwickelt sich Elle mit tatkräftiger Unterstützung ihrer neuen Freunde Paulette Buonufonté und Emmett Forrest zu einer intelligenten und emanzipierten Jurastudentin und beweist mit Selbstbewusstsein und Herz, dass das Äußere oft zu täuschen vermag.
„Legally blonde“ brachte es am Broadway mit Laura Bell Bundy (Elle Woods) in der Inszenierung von Jerry Mitchell immerhin auf 595 reguläre Vorstellungen, am Londoner West End mit Sheridan Smith (Elle Woods) sogar auf 974 Vorstellungen. Die West End Produktion wurde mit drei Laurence Olivier Awards ausgezeichnet, als Best New Musical, Sheridan Smith (Elle Woods) als Best Actress in a Musical, und Jill Halfpenny (Paulette Buonufonté) für Best Performance in a Supporting Role in a Musical. Die Vereinigten Bühnen Wien brachten am 21. Februar 2013 die deutschsprachige Erstaufführung mit Barbara Obermeier (Elle Woods) in der Original-Inszenierung von Jerry Mitchell im Ronacher auf die Bühne, in Deutschland wartet man noch vergeblich auf eine professionelle Produktion des Feel-Good-Musicals, hier wurde es bisher lediglich von Amateur- und semiprofessionellen Theatern aufgeführt. Die deutsche Erstaufführung konnte die Musical-Company e. V. Pinneberg im Hotel Cap Polonio in Pinneberg am 10. März 2016 für sich verbuchen. Die Waldbühne Kloster Oesede in Georgsmarienhütte zeigte das Stück 2017 und 2018, und in diesem Jahr steht es bei der Freilichtbühne Coesfeld auf dem Spielplan.
Die Freilichtbühne Coesfeld e. V. wurde bereits 1951 gegründet, und seit 1986 werden aufgrund des Publikumsinteresses nur noch Musicals gezeigt. Neben bekannten Stücken wie der „West Side Story“ von Leonard Bernstein (Musik) und Stephen Sondheim (Lyrics) oder „Der kleine Horrorladen“ von Alan Menken (Musik) und Howard Ashman (Lyrics, Buch) werden auch Uraufführungen wie „Studio 54“ oder „Vanity Fair“ vom Autor und Musicalkomponisten Claus Martin gezeigt, für „Vanity Fair“ wurde die Freilichtbühne Coesfeld 2010 mit dem Deutschen Amateurtheaterpreis „amarena“ als bestes Amateurtheater in der Kategorie „Freilichttheater“ ausgezeichnet. Auch 2016 war die Freilichtbühne Coesfeld für „The Addams Family“ für den Deutschen Amateurtheaterpreis „amarena“ in der Sparte „Musik-/Tanz- oder Bewegungstheater“ nominiert, aber der „amarena 2016“ ging für „Ich bin. Aber ich habe mich noch nicht.“ an die Juniorcompany der Älteren des Leipziger Tanztheaters. Dies ist sicherlich auch ein Verdienst der Profis, die für die Einstudierung der Stücke engagiert werden. Auf der Bühne stehen aber ausschließlich Amateure, die lediglich von den Profis bei der Einstudierung der Aufführung angeleitet und unterstützt werden. Dass sich eine mindestens drei-, in der Regel vierjährige Ausbildung in Schauspiel, Gesang und Tanz nicht durch eine solche Anleitung ersetzen lässt, dürfte jedem einleuchten. Die Unterschiede zwischen Amateuren und ausgebildeten Musical-Darsteller*innen sind selbstverständlich sicht- und hörbar, es wäre traurig, wenn dem nicht so wäre. Jeder, der eine Theatervorstellung besucht, ganz gleich, ob es sich um eine professionelle Aufführung oder um eine Aufführung von Amateuren handelt, sollte sich dessen bewusst sein. Dass auch Amateure ein gewisses Talent oder Begabung für Schauspiel, Gesang oder Tanz mitbringen können, ist auch klar, nur haben diese eben einen anderen Berufsweg gewählt und dementsprechend nicht den Background einer fundierten Ausbildung in Schauspiel, Gesang und Tanz. Leider fallen die gesanglichen Leistungen des Ensembles bei „Natürlich Blond – Das Musical“ im Vergleich zu den Aufführungen in den vergangenen Jahren ein wenig ab.
Bei Aufführungen der Freilichtbühne Coesfeld kommt die Musik grundsätzlich „aus der Dose“, die Darsteller*innen singen live zu der voraufgezeichneten musikalischen Begleitung („Halb-Playback“). Von Puristen wird gern bemängelt, dass dabei das Live-Theatererlebnis verloren gehe. Der Rechteinhaber von „Natürlich Blond – Das Musical“ (Music Theatre International, New York, in Deutschland durch Musik und Bühne, Wiesbaden vertreten) gibt auf seiner Website eine Orchestergröße von 13 Musikern vor, ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wo man die auf der Freilichtbühne Coesfeld unterbringen sollte. Es wäre sicherlich kein Problem, eine Handvoll Hobby-Musiker zu finden, die gern bei den Aufführungen der Freilichtbühne Coesfeld mitwirken, aber wer möchte schon gern sein Instrument Wind und Regen aussetzen?
Der gelernte Schauspieler Felix Martin (* 1978 in Freiburg im Breisgau) war von 2012 bis 2018 als Regieassistent und Regisseur am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel und Theater Aachen beschäftigt und ist seither als freiberuflicher Regisseur tätig. Er hat „Natürlich Blond“ an der Freilichtbühne Coesfeld mit dem nötigen Tempo inszeniert, wenngleich er – womöglich mit Rücksicht auf die Kondition der Darsteller*innen – auf das kräftezehrende Seilspringen beim Aerobic Workout zu dem Song „Peitsch Dich in Form“ zu Beginn des zweiten Aktes verzichtet hat. Die schwungvollen, von Kati Heidebrecht [„Im weißen Rössl“ (2017), „9 to 5: Das Musical“ (2018), „Ich war noch niemals in New York“, Thunerseespiele 2019] einstudierten Choreografien sind ansprechend ausgefallen und fügen sich effektiv in den Handlungsablauf ein. Harry Behlau zeichnet für das Bühnenbild verantwortlich, das mit einer Häuserfront die Harvard University in Cambridge darstellen soll und sich mit zwei Drehelementen in der Häuserfront beispielsweise in einen Hörsaal verwandeln lässt. Weitere Schauplätze der Handlung wie Elle Woods’ Apartment oder Paulette Buonufontés Haarstudio werden auf Bühnenwagen von Hand auf die Bühne gefahren. Martina Toeberg [„Im weißen Rössl“ (2017), „9 to 5: Das Musical“ (2018)] zeichnet für das treffende Kostümdesign verantwortlich, das das den Personen anhaftende Klischee teilweise noch unterstreicht.
Felice Böcker hat in den vergangenen sieben Jahren in den Familienmusicals mitgespielt, zuletzt als Mogli in „Das Dschungelbuch“ (2014), Freund von Gustav in „Die Schöne und das Biest“ (2015), Darija in „Die kleine Meerjungfrau“ (2016), Tinkerbell in „Peter Pan“ (2017) und Lina in „Michel aus Lönneberga“ (2018), und ist in diesem Jahr zum ersten Mal mit einer Hauptrolle im Abendmusical betraut worden. Gesanglich und tänzerisch bereits ansprechend fehlt ihr (noch) das gewisse Etwas, um als Elle Woods auf ganzer Linie überzeugen zu können. Aber Felice Böcker ist noch jung, und mit entsprechender Förderung/
Was mir in Coesfeld schon immer negativ aufgefallen ist, ist die großzügige Nachsicht mit Zuschauern, die ihre Getränke mit in den Zuschauerraum bringen. Das führt regelmäßig dazu, dass die leeren Glasflaschen während der Vorstellung über den harten Boden poltern. „Picknick-Theater“ ist zwar an anderen Freilichtbühnen ebenfalls weit verbreitet, aber dort fällt es bei dem sandigen Untergrund eben nicht so auf, wenn Glasflaschen auf den Boden fallen. Der Klientel in Coesfeld scheint es aber nichts auszumachen, andernfalls würde man ja auf Getränke im Zuschauerraum verzichten. Das stört nicht nur, sondern ist auch respektlos gegenüber den Darsteller*innen auf der Bühne.
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