„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“


„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“ – Musik: Bob & Bill (Guy Dubuc, Marc Lessard); Co-Composer, Liedtexte: Andreas Carlsson; Deutsche Bearbeitung: Daniel Große Boymann; Idee, Regie: Philippe Decouflé; Szenische Regie, Handlung: West Hyler; Regie, Choreografie (Hamburg): Sergio Trujillo; Creative Director: Jean-François Bouchard; Acrobatic Designer: Shana Carroll; Choreografie: Shana Carroll, Daphné Mauger; Bühne: Jean Rabasse; Kostüme: Philippe Guillotel; Lighting Design: Patrice Besombes, Howell Binkley; Sound Design: John Shivers; Projektionen: Olivier Simola, Christophe Waksmann; Musikalische Leitung: Klaus Wilhelm. Darsteller: Pasquale Aleardi (A. J. Golden), Vajèn van den Bosch (Indigo), Anton Zetterholm (Joey Montgomery), Laura Panzeri (Gina), Patrick Adrian Stamme (Robbie), Aaron Sebastian Dewitz (Buster), Ignacio Adarve, Tom Ammirati, Andrew und Kevin Atherton (Strapaten-Performance), Gasya Atherton, Jack Cameron Atherton (Hand zu Trapez), Amanda Carrero Padrön (Tanzensemble), Martin Charrat, Gabriel Costa, Paulo de Souza, Jean-Philippe Deltell, Sasha Di Capri, Dmytro Dudnyk (Einrad), Thomas Evans (Hand zu Trapez), Tamäs Fischer (Tanzensemble), Calum Flynn (Tanzensemble), Roberto Freitas Griespach, William Geary (Tanzensemble), Laura Hills (Tanzensemble), Alessio Impedovo (Tanzensemble), Dorival Junco (Tanzensemble), Igor Karpovich, Roman Karpovich, Emil Korfitz Stenhoj, Audrey Labeau (Hand zu Trapez), Petter Linsky, Alessia Losavio (Tanzensemble), Christopher McGreevy, Beatrice Mechilli (Tanzensemble), Guillaume Mesmin, Philippe Normand-Jenny, Jessica Scorpio (Tanzensemble), Anastasia Shkandybina (Einrad), Maksim Soprunov, XL (Xiau-Ling) Wee, Tomasz Wilkosz. Broadway-Premiere: 25. Mai 2016, Lyric Theatre, New York City. Premiere: 14. April 2019, Theater Neue Flora, Hamburg. Besuchte Vorstellung 13. April 2019.



„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“


„Alles kann passieren, und zwar jederzeit“


Im April 2019 brachte die Cirque du Soleil Entertainment Group und Stage Entertainment das Broadway-Spektakel „Cirque du Soleil Paramour“ („Paramour“: der oder die Geliebte) als Europa-Premiere (Premiere 14. April 2019) im Theater Neue Flora auf die Bühne. Erstmals in Deutschland ist damit eine neue Art von Musical zu erleben. „Cirque du Soleil Paramour“ verbindet atem­be­raubende Weltklasse-Artistik des Cirque Nouveau mit einer traditionellen Musical­ge­schichte. Das Ergebnis ist ein einmaliges ästhetisches Gesamtkunstwerk mit hohem Unterhaltungswert. Szenen aus der „Cirque du Soleil“-Show „Iris“ von Philippe Decouflé, die vom 25. September 2011 bis 19. Januar 2013 im Dolby Theatre in Los Angeles gezeigt wurde, wurden in das Musical integriert, beispielsweise die Strapaten-Performance der Atherton Zwillinge. „Cirque du Soleil Paramour“ wurde als erste „Cirque du Soleil“-Show am Broadway aufgeführt, Previews begannen am 16. April 2016 am Lyric Theatre, wo die Show am 25. Mai 2016 Premiere feierte und bis 16. April 2017 mit 366 regulären Vorstellungen gezeigt wurde.

„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“, „Hollywoods Pracht“: Pasquale Aleardi (A. J.), Ensemble. © John Davis

Das Musical spielt zu Zeiten der goldenen Ära Hollywoods, in der die Sterne heller leuchteten und der Glamour noch mehr glitzerte: Bunt, mitreißend und in den spektakulären Höhen, in denen die Artisten des kanadischen „Cirque du Soleil“ fernab aller Schwerkraft die Luft zu ihrer Bühne machen. Der charismatische Regisseur A. J. Golden ist auf der Suche nach einem neuen Talent für seinen nächsten Kino-Hit. Zufällig begegnet er der Nachtclubsängerin Mildred Williams, auf die er bei einem Auftritt mit dem Komponisten und Pianisten Joey Montgomery aufmerksam wird. In ihr sieht er seinen zukünftigen Star, und bietet ihr einen Filmvertrag an, Joey Montgomery, mit der Mildred Williams befreundet ist, engagiert A. J. Golden prompt, um den Titelsong für seinen Film zu komponieren. A. J. hat eine Vision für seinen Film „Paramour“, der quasi ein best of aller bisherigen Filme werden soll. Bezeichnenderweise verliebt sich A. J. bei jedem neuen Film in seinen zukünftigen Star, dementsprechend verliebt er sich auch in Mildred Williams, der er den Künstlernamen Indigo gibt. Die hegt allerdings auch Gefühle für Joey Montgomery, und als die beiden sich küssen, verlangt A. J. den Artisten bei den Filmaufnahmen rasend vor Eifersucht Höchstleistungen ab, die sie zuvor noch niemals geprobt haben. In zunehmendem Maße versucht A. J., Indigo für sich zu gewinnen, und bietet Joey Montgomery sogar Geld an, damit er das Feld räumt. Schließlich muss sich Indigo zwischen ihrer Liebe zu Joey und dem Erfolg entscheiden, den ihr A. J. bieten kann…

„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“, „The Dream“: Chinese Pole. © John Davis

Aus dem internationalen Ensemble mit 51 Mitgliedern sind an jeder Vorstellung drei Haupt­dar­steller, drei Nebendarsteller, 20 Artisten und 10 Tänzer beteiligt. Der Schweizer Schauspieler Pasquale Aleardi (Billy Flynn in „Chicago“, Ambassador Theater, New York City und Palladium Theater, Stuttgart) – einem breiten Publikum aus über 80 nationalen und internationalen Kino- und TV-Produktionen bekannt – ist als charismatischer Regisseur A. J. Golden zu sehen, der kein Nein akzeptieren kann und vor Eifersucht zum „rasenden Tier“ mutiert. Anton Zetterholm (Tony in der „West Side Story“, DomplatzOpenAir Magdeburg und Theater Dortmund) – dem Hamburger Publikum als Dschungelheld Tarzan aus dem gleichnamigen Musical bekannt – verkörpert den Underdog Joey Montgomery, der sich als Pianist im Nachtclub verdingt und seiner „Milly“ als Komponist womöglich nie den Erfolg bieten kann wie Regisseur A. J., aber dennoch um seine Liebe kämpft und seinem Widersacher im zweiten Akt schlussendlich Paroli bieten kann. Die Dritte im Bunde ist die 21-jährige gebürtige Holländerin Vajèn van den Bosch (Gloria Estefan in „On your Feet!“, Beatrix Theater, Utrecht; Lauren in „Kinky Boots“ ab Oktober 2019 auf Tournee in den Niederlanden), die als Mildred Williams aus Indiana Joey als Muse zur Inspiration verhilft und als Filmstar Indigo für A. J. zum Objekt seiner Begierde wird, sich diesem aber erfolgreich widersetzt. Im Liebesduett mit Anton Zetterholm im zweiten Akt harmonieren beide sehr gut miteinander, und auch am Stahlseil über der Bühne fliegend macht sie eine gute Figur. In dieser Szene wird sie nämlich nicht von einer Artistin gedoubelt. In den Nebenrollen sind Laura Panzeri (Cover Jasmin in „Disneys Aladdin – Das Musical“, Theater Neue Flora, Hamburg) als A. J. Goldens Assistentin und frühere Geliebte Gina – Künstlername Lavender Rose – und Patrick Adrian Stamme („Das Wunder von Bern“, Theater an der Elbe, Hamburg; Cover Udo in „Hinterm Horizont“, Operettenhaus Hamburg) als Robbie zu sehen, weiterhin Aaron Sebastian Dewitz alias Herr Kasimir als Buster, der mit seiner Pantomime die Gefühle der Hauptdarsteller zum Ausdruck bringt und als eine Art Amor fungiert. Bereits in der Pause stimmt er die Zuschauer auf den zweiten Teil der Vorstellung ein, es lohnt sich also auf jeden Fall, rechtzeitig wieder in den Theatersaal zurückzukehren. Von den Artisten bleiben Dmytro Dudnyk und Anastasia Shkandybina mit ihrer gemeinsamen Ein­rad­nummer in der Nachtclubszene in Erinnerung, selbstredend die Atherton Zwillinge Andrew und Kevin mit ihrer Strapaten-Performance in der „Kleopatra“-Szene, bei der sie hoch über den Köpfen der Zuschauer bis in den vorderen Bereich des Auditoriums fliegen, und schließlich Audrey Labeau als Indigo Double in einer Hand-zu-Trapez-Akrobatik mit Jack Cameron Atherton und Thomas Evans, bei der die Dreiecksbeziehung zwischen Indigo, Joey und A. J. artistisch umgesetzt wird, während Vajèn van den Bosch, Anton Zetterholm und Pasquale Aleardi ihre Beziehung schauspielerisch und gesanglich ausleben. Die Hand-zu-Trapez-Akrobatik wird alternierend auch von Gasya Atherton mit Martin Charrat und Guillaume Mesmin vorgeführt.

„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“, „Love Triangle“: Audrey Labeau als Indigo Double in einer Hand-zu-Trapez-Akrobatik mit Jack Cameron Atherton und Thomas Evans. © John Davis

„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“ spielt im Goldenen Zeitalter der Traumfabrik Hollywood, dementsprechend wird auf diverse Filmgenres wie Historien- und Monumentalfilm, Western, Film noir und Horrorfilm angespielt. Das Bühnenbild von Jean Rabasse und das Kostümdesign von Philippe Guillotel sind bestmöglich auf die jeweilige Szene angepasst. In einigen Szenen lässt Originalregisseur Philippe Decouflé das Bühnengeschehen mit Live-Projektionen verschmelzen (Projektionen: Olivier Simola, Christophe Waksmann), beispielsweise in der Szene, in der berühmte Filmplakate nachgestellt werden. Die sechsköpfige Band unter der Musikalischen Leitung von Klaus Wilhelm bleibt für die Zuschauer unsichtbar, in nahezu allen Szenen gibt es eine durchgehende Orchesterbegleitung (Underscoring). Neben den bunten rasanten Ensemblenummern mit jeweils bis zu 36 Darstellern, die innerhalb der Geschichte meist Probeaufnahmen oder zu drehende Szenen aus A. J. Goldens neuem Film darstellen, gibt es zwischendurch Dialogszenen, die das Geschehen hinter den Kulissen der Traumfabrik Hollywood zeigen. Hier entwickelt sich die Dreiecksgeschichte jeweils weiter, Mildred macht Probeaufnahmen, lernt ihr Handwerkszeug als Schauspielerin und wird später zum Star Indigo. Das bringt einerseits Ruhe und Struktur in die temporeiche Show und ermöglicht gleichzeitig aber auch, dass dahinter neue Drehorte vorbereitet werden können. Die Abläufe greifen jeweils in schneller Folge reibungslos ineinander. Indigo entwickelt sich sehr geschickt zum Star und versteht es, sich dem Einfluss des dominanten Regisseurs A. J. beizeiten zu entziehen. Joey verfolgt stets sein Ziel, als Musiker erfolgreich zu sein, aber in Wahrheit bleibt er immer an der Seite seiner Jugendfreundin, in der Hoffnung, sie bald heiraten zu können. Dies bringt er zum Ausdruck, indem er – als eine Art Running Gag – diesen Wunsch auf seine Mutter projiziert: „Phantastisch, aber warum bist du noch nicht verheiratet?“

„Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“, „Everything (The Lovers Theme)“: Vajèn van den Bosch (Indigo) und Anton Zetterholm (Joey). © John Davis

Am Ende feierte das Publikum stehend die beeindruckende Vorstellung und bedachte Darsteller*innen, Artisten und Tänzer*innen mit viel Applaus. „Cirque du Soleil Paramour – Das Musical“ bietet mit einer gelungen Kombination aus Schauspiel, Gesang, Tanz und Artistik Unterhaltung auf höchstem Niveau für alle Altersgruppen.

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