„Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County)“

„Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County)“ – nach dem Roman „The Bridges of Madison County“ von Robert James Waller (1992); Musik, Liedtexte: Jason Robert Brown; Buch: Marsha Norman; Deutsche Bearbeitung: Wolfgang Adenberg; Regie, Bühnenbild: Christian Alexander Müller; Kostüme: Stefan Stanisic; Musikalische Leitung: Heiko Lippmann. Darsteller: Christian Alexander Müller (Robert Kincaid, Fotograf), Maike Switzer (Francesca Johnson), Udo Eickelmann (Richard „Bud“ Johnson, ihr Mann), Lukas Weinberger (Michael Johnson, ihr Sohn), Nina Bülles (Carolyn Johnson, ihre Tochter), Laura Schneiderhan (Marian, Roberts Ex-Frau/Chiara, Francescas Schwester/Country-Sängerin), Anja Gutgesell (Marge) und Steffen Friedrich (Charlie, Francescas Nachbarn). Uraufführung: 1. August 2013, Williamstown Theatre Festival, Williamstown, Massachusetts. Broadway Premiere: 20. Februar 2014, Gerald Schoenfeld Theatre, New York City. Deutsche Erstaufführung: 18. März 2017, Theater Trier. Premiere: 28. April 2017, Stadthalle Chemnitz. Wiederaufnahme: 25. Oktober 2018, Theater am Ring, Villingen-Schwenningen. Besuchte Vorstellung: 27. Oktober 2018, Rheinhausen-Halle, Duisburg.



„Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County)“


Das Kammermusical als Kooperation von Heartmade Productions und der Konzertdirektion Landgraf auf Tournee


Von Robert James Wallers 1992 erschienenem Debütroman „The Bridges of Madison County“ wurden weltweit 60 Millionen Exemplare verkauft. Er wurde bis 8. Oktober 1995 für 164 Wochen in der Bestsellerliste der New York Times gelistet, davon allein 72 Wochen auf der Spitzenposition. Der Roman wurde 1994 in einer Adaption von Richard LaGravenese unter der Regie von Clint Eastwood mit Meryl Streep (Francesca Johnson) und Clint Eastwood (Robert Kincaid) verfilmt und kam am 2. Juni 1995 in die Kinos. Jason Robert Brown („Songs for a new world“, „Parade“, „The last five years“) und Marsha Norman („The secret garden“, „The Color Purple“) adaptierten den Stoff für die Musicalbühne, am 20. Februar 2014 feierte das Musical am Gerald Schoenfeld Theatre seine Broadway-Premiere. Jason Robert Brown wurde hierfür mit zwei Tony Awards (Best Original Score, Best Orchestrations) ausgezeichnet. Wenige Wochen nach der Deutschen Erstaufführung in der Bearbeitung von Wolfgang Adenberg brachte die 2012 von Nadine Wagner und Christian Alexander Müller gegründete Produktionsfirma Heartmade Productions das Musical ab 28. April 2017 im Kleinen Saal der Stadthalle Chemnitz auf die Bühne. Ab 25. Oktober 2018 ist das Musical als Kooperation von Heartmade Productions und der Konzertdirektion Landgraf auf Tournee zu sehen, am 27. Oktober 2018 wurde eine Vorstellung in der Rheinhausen-Halle in Duisburg-Rheinhausen gezeigt. Weitere Aufführungen bundesweit bis 24. November 2018.

„Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County)“, Maike Switzer (Francesca Johnson). © Jörg Singer

Das Musical handelt von Francesca Johnson aus Neapel, die in den 1960er-Jahren seit vielen Jahren mit ihrem Mann „Bud“ und ihren beiden fast erwachsenen Kindern Michael und Carolyn auf einer Farm in Winterset, Madison County im US-Bundestaat Iowa lebt. Während diese zu einer Land­wirt­schafts­aus­stellung nach Indianapolis, Indiana gefahren sind, trifft sie auf den Fotografen Robert Kincaid aus Bellingham, Washington, der Fotos für eine Reportage über die gedeckten Brücken von Madison County, Iowa, für das Magazin National Geographic aufnehmen möchte und auf der Suche nach einer dieser Brücken ist. Dabei handelt es sich um Holzbrücken, die mit einem Dach versehen sind, um die tragenden Holzbalken vor Verwitterung zu schützen. Nachdem sie vergeblich versucht hat, ihm den Weg zur Roseman Bridge zu beschreiben, begleitet sie ihn schließlich. Als sie von der Brücke zurückkehren, bittet Francesca Robert ins Haus, bietet ihm Eistee an und lädt ihn zum Abendessen ein. Am nächsten Morgen geht sie erneut zur Roseman Bridge, in der Hoffnung, Robert dort beim Fotografieren wiederzusehen. Robert schenkt ihr ein Exemplar des National Geographic, in dem seine Fotos aus Neapel abgedruckt sind, was sie zu Tränen rührt. Sie lädt ihn erneut zum Abendessen zu sich nach Hause ein, und aus der zufälligen Begegnung entwickelt sich eine leidenschaftliche Affäre. Robert bittet Francesca schließlich, mit ihm zu kommen, doch sie entscheidet sich, bei ihrer Familie zu bleiben…

„Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County)“, Christian Alexander Müller (Robert Kincaid) und Maike Switzer (Francesca Johnson). © Jörg Singer

Christian Alexander Müller legt in seiner schlüssigen Inszenierung des Kammermusicals den Schwerpunkt auf die Gefühlswelten von Francesca Johnson und Robert Kincaid und verzichtet vollständig auf technische Effekte. Sein Bühnenbild kommt ohne konkrete Bilder der Landschaft und der Roseman Bridge aus, die durch 12 vom Ensemble auf die Spielfläche getragene, rote Stühle symbolisiert wird. Robert Kincaids Truck wird durch schwarze Stühle symbolisiert, der Kühlschrank mit den abgerundeten Ecken im Retro-Design, ein Küchenschrank und der Tisch mit ein paar Stühlen versetzen den Betrachter in die Küche auf der Farm der Familie Johnson in Winterset. Kostümbildner Stefan Stanisic hat sich bei seinem Kostümdesign am 60er-Jahre Stil orientiert. Das zehnköpfige Orchester unter der Musikalischen Leitung von Heiko Lippmann kann es locker mit dem Klangkörper kommerzieller Großproduktionen aufnehmen und bringt Jason Robert Browns anspruchsvolle Partitur mit einer eingängigen Mischung aus Musical-Balladen, Folk- und Country-Songs sowie Liedern mit klassischen Opernanklängen ansprechend zu Gehör. Zu bemängeln ist an der Vorstellung in der Rheinhausen-Halle das Licht, das die Darsteller*innen insbesondere im ersten Akt häufig im Dunkeln stehen ließ, so dass diese merklich nach einer Position auf der Bühne gesucht haben, auf der sie zumindest teilweise zu sehen waren, mitunter allerdings nur mit zur Hälfte beleuchtetem Gesicht. Womöglich handelt es sich hierbei lediglich um technische Unzulänglichkeiten in der Rheinhausen-Halle, die ein adäquates Lichtdesign nicht zuließen, was hoffentlich bei den anderen Veranstaltungsorten der Tournee nicht der Fall ist. Ich kann an dieser Stelle aber nur mutmaßen…

In den Hauptrollen sind – wie bei der Premiere in Chemnitz – Maike Switzer (Svetlana in „Chess“, Theater Chemnitz; Königin Anna in „Die drei Musketiere“, Gandersheimer Domfestspiele 2016) als Francesca Johnson und Christian Alexander Müller (Jesus von Nazareth in „Jesus Christ Superstar“, Gandersheimer Domfestspiele 2015; Fred Graham/Petruchio in „Kiss me, Kate“, Staatstheater Nürnberg) als Robert Kincaid zu sehen. Mit ihrer Bühnenpräsenz tragen die beiden erfahrenen Musicaldarsteller die Handlung des Kammermusicals und lassen das Schicksal der Protagonisten mitfühlen, auch gesanglich zeigen sich Maile Switzer und Christian Alexander Müller bestens disponiert. Längst hat sich Francesca mit ihrem Leben in Iowa arrangiert, als Robert auftaucht, der vergessene Bedürfnisse in ihr weckt und in ihr seine große Liebe findet, an die er nach seiner gescheiterten Ehe mit Marian schon nicht mehr geglaubt hat. Udo Eickelmann (Athos in „Die drei Musketiere“, Gandersheimer Domfestspiele 2016) hat die Rolle von Francescas fleißigem und zuverlässigem Ehemann Richard „Bud“ Johnson bereits in Chemnitz gespielt, dessen Vorstellungen von einem beschaulichen, ländlichen Leben sich nicht unbedingt mit dem decken, was sich Francesca in ihrer Jugend erträumt hat. Lukas Weinberger (Marius Pontmercy in „Les Misérables“, Felsenbühne Staatz, 2018) als Michael Johnson lässt die Entwicklung vom rebellischen Taugenichts zum Erwachsenen, der erfolgreich sein Medizinstudium aboslviert hat, ebenso glaubhaft nachvollziehen wie Nina Bülles (Cover Baby, Cover Lisa in „Dirty Dancing“, Tournee 2017) als Carolyn Johnson, die zum Ende des zweites Aktes bereits verheiratet ist und deren kleine Tochter getauft wird. Laura Schneiderhan kann als Roberts Ex-Frau Marian/Francescas Schwester Chiara/Country-Sängerin mit ihren Songs „Another Life und „State Road 21“ auf sich aufmerksam machen. Anja Gutgesell und Steffen Friedrich sind als Francescas neugierige Nachbarn Marge und Charlie zu sehen, letzterer hat die Rolle von Marges Ehemann auch schon in Chemnitz gespielt. Während Francesca und Robert zum Song „Get Closer“ aus dem Radio im Hintergrund miteinander tanzen, begeistert Anja Gutgesell mit einer furiosen Tanzeinlage auf dem Tisch.

„Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County)“ von Jason Robert Brown ist weit entfernt vom Musical-Mainstream, weshalb die Broadway-Produktion womöglich schon nach 100 Vorstellungen wieder von der Bildfläche verschwunden ist. Das Publikum in der gut besuchten, aber bei weitem nicht ausverkauften Rheinhausen-Halle belohnte die überzeugende Leistung der Akteure auf der Bühne und Musiker*innen im Orchestergraben mit begeistertem Stehapplaus.

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