„Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“

Sonderausstellung im Ruhr Museum auf der 12-Meter-Ebene der Kohlenwäsche

Die Sonderausstellung „Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“ des Ruhr Museums zeigt vom 8. Oktober 2018 bis 3. Februar 2019 Klassiker und bisher unveröffentlichte Aufnahmen eines der wichtigsten Fotografen der Neuen Sachlichkeit, der für die Fotografie des Ruhrgebiets stilbildend geworden ist.

Plakat zur Sonderausstellung „Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“. Gestaltung: Uwe Loesch; © Ruhr Museum

Die Ausstellung präsentiert erstmals das vielseitige Werk von Albert Renger-Patzsch, das im Ruhrgebiet entstanden ist. Mit etwa 100 Fotografien wird sein größtes freies Projekt, die »Ruhrgebietslandschaften«, aus den Jahren 1927 bis 1935 vorgestellt. Die Aufnahmen stehen für die Entdeckung der Industrielandschaft als künstlerisches Bildmotiv und stammen aus dem Albert Renger-Patzsch Archiv der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München. Ergänzt werden sie durch 200 überwiegend unbekannte Auftragsfotografien aus den 1920er- bis 1960er-Jahren. Bei den gezeigten Schwarz-Weiß-Fotografien handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um vom Fotografen selbst erstellte Abzüge. Ihre Qualität ist einzigartig und sie stellen einen Höhepunkt in der Präsentation historischer Fotografien im Ruhr Museum dar. Die Ausstellung ist die bislang umfassendste Schau der Ruhrgebietsfotografien von Albert Renger-Patzsch. Die Ausstellung wurde organisiert in besonderer Kooperation und mit wissenschaftlicher Unterstützung der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München.

Kokskohlenbunker

Die „Ruhrgebietslandschaften“ von Albert Renger-Patzsch wurden 2016/2017 erstmals umfassend in einer Ausstellung in der Pinakothek der Moderne, München präsentiert. Sie befinden sich dort im Albert Renger-Patzsch Archiv der Stiftung Ann und Jürgen Wilde. Das Ruhr Museum zeigt die 100 Bilder der Münchener Ausstellung in seinem Sonderausstellungsraum auf der Bunkerebene in der ehemaligen Kohlenwäsche auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein. Entstanden ist die Serie von Stadtrand- und Haldenlandschaften, Landstraßen, Hinterhöfen und Vorstadthäusern, Schrebergärten und Zechenanlagen im Ruhrgebiet zwischen 1927 und 1935 als eine der wenigen nicht auftragsgebundenen Arbeiten von Albert Renger-Patzsch. Seine nüchternen und objektiven Aufnahmen faszinieren bis heute.

„Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“, Blick in die Ausstellung

Seine Landschaftsfotografien sind für die Ruhrgebietsfotografie stilbildend geworden. Albert Renger-Patzsch kann als spiritus rector für die dokumentarischen Fotografien des Ruhrgebiets angesehen werden, die das Fotoarchiv des Ruhr Museums sammelt, ähnlich wie Otto Steinert am Beginn der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang steht.

„Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“, Blick in die Ausstellung

Ergänzt werden die Ruhrgebietslandschaften um 200 Fotografien, die Albert Renger-Patzsch bis in die 1960er Jahre im Ruhrgebiet aufgenommen hat. Die bisher teils unveröffentlichten Aufnahmen werden in den Seitenräumen präsentiert und zeigen Architekturfotografien, Aufnahmen der Villa Hügel, des Essener Münsters, der Gartenstadt Margarethenhöhe und verschiedener von Fritz Schupp und Martin Kremmer geplanter Zechen, wie der Zeche Zollverein. Für das Museum Folkwang dokumentierte er den Museumsneubau 1929 und Exponate. Porträt-, Objekt- und Industrieaufnahmen sowie Fotografien der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadt Essen ergänzen das Bild eines vielseitig arbeitenden Fotografen.

„Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“, Blick in die Ausstellung

Der Fotograf

Der Fotograf Albert Renger-Patzsch (* 22. Juni 1897 in Würzburg, † 27. September 1966 in Wamel) zog 1929 ins Ruhrgebiet. In den eineinhalb Jahrzehnten in Essen profilierte er sich als erfolgreicher Auftragsfotograf inner- und außerhalb der Region. Er steht für einen kühl-objektiven Stil und wohlkomponierte Fotografien und ist als künstlerischer Fotograf der Neuen Sachlichkeit bekannt. Berühmt wurde er 1928 durch sein Buch „Die Welt ist schön“. Der Bildband, der ursprünglich „Die Dinge“ heißen sollte, wurde häufig als ästhetisches Manifest für einen fragmentierenden, sachlichen Blick rezipiert. Albert Renger-Patzsch ist aber nicht nur „Fotograf der Dinge“, er hat auch Menschen porträtiert, dokumentarisch im Stadtraum gearbeitet und zahlreiche Aufträge stilistisch durchaus unterschiedlich realisiert.

„Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“, Blick in die Ausstellung

Vielleicht gibt es keine Person, die die verschiedenen Aspekte der Folkwang-Idee besser auf sich vereint als Albert Renger-Patzsch. Er wohnte in Essen von 1929 bis zur Zerstörung des Wohnhauses bei Luftangriffen im Oktober 1944 in der Künstlersiedlung Margarethenhöhe und folgte der Familie Hermann Kätelhöns anschließend an den Möhnesee nach Wamel. Er hatte sein Atelier und Labor im Museum Folkwang und war im Winter 1933/1934 Lehrer für Fotografie an der Folkwangschule für Gestaltung. Albert Renger-Patzsch symbolisiert in der Folkwang-Bewegung vor allem den markanten Übergang von einer schwärmerisch-volkspädagogisch geprägten Idee zur form- und objektbezogenen neusachlichen Vorstellung von Architektur, Kunst und Design während der 1920er-Jahre. Dieser Umstand führte auch dazu, dass Albert Renger-Patzschs Fotografien zahlreich im Museum Folkwang vertreten sind und das Haus ihm mehrere Ausstellungen gewidmet hat, schon sehr früh im Jahr 1931, nach seinem Tod 1972 und 1984, vor allem aber die 1997 von Ute Eskildsen und Virginia Heckert kuratierte Ausstellung zu seinem 100. Geburtstag. Auch Otto Steinert widmete Albert Renger-Patzsch 1966 eine legendäre Ausstellung mit dem programmatischen Titel „Albert Renger-Patzsch. Der Fotograf der Dinge“. Es war die erste Ausstellung nach Albert Renger-Patzschs Tod am 27. September 1966, er hatte die Bilder noch selbst ausgewählt. Sie fand nicht im Museum Folkwang statt, sondern im Heimat- und Ruhrlandmuseum der Stadt Essen, dem heutigen Ruhr Museum. Insofern schließt sich mit der Ausstellung „Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“ ein Kreis enger Bindungen des Fotografen zu der Stadt Essen und dem Ruhrgebiet, der noch um zahlreiche geschäftliche und persönliche Kontakte, die er auch nach seinem Weggang aus Essen gehalten hat und die in Ausstellung und Katalog Aufnahme gefunden haben, zu erweitern ist.

„Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“, Blick in die Ausstellung

Das Albert Renger-Patzsch Archiv

Die eigentlichen Gründe für das Zustandekommen dieser Ausstellung, auf die das Ruhr Museum bei seinem Entschluss auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein, der »Kathedrale der Industriekultur«, die Klassiker der Ruhrgebietsfotografie zu zeigen, seit seiner Gründung hingearbeitet hat, liegen aber woanders. Es beginnt 1973 mit der Initiative von Ann und Jürgen Wilde, ein Albert Renger-Patzsch Archiv aufzubauen. Sie erwerben über Jahre hinweg dessen fotografischen Nachlass aus dem Besitz der Familie. Und die erste entsprechende Ausstellung, die sie bereits 1974 in ihrer Kölner Galerie zeigten, hieß „Albert Renger-Patzsch. Ruhrgebiet“. 1982 erschien dann das legendäre und längst vergriffene, von ihnen herausgegebene Buch „Albert Renger-Patzsch: Ruhrgebiet-Landschaften 1927 – 1935“ im Kölner DuMont-Verlag. Seit 2010 ist die Stiftung Ann und Jürgen Wilde mit dem Albert Renger-Patzsch Archiv an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen angegliedert und bei der Pinakothek der Moderne in München angesiedelt, wo die Ruhrgebietslandschaften 2016/2017 erstmals in einer eigenen umfassenden Ausstellung gezeigt wurden. Das war der Anlass für die Bemühungen des Ruhr Museums, sie auch am Entstehungsort zu präsentieren.


„Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“, Blick in die Ausstellung

Der Katalog

Der 336 Seiten starke Katalog mit ca. 200 Abbildungen kostet im Buchhandel 39,80 € und im Museum 29,80 €. Er ist im Verlag der Buchhandlung Walther König in Köln erschienen. ISBN: 978-3-96098-452-8

Die Ausstellung „Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“ ist vom 8. Oktober 2018 bis 3. Februar 2019 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 7 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahre haben freien Eintritt.

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