„Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“

„Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“ – Musik, Lyrics: Alexander Kuchinka; Buch: Tilmann von Blomberg; Inszenierung: Klaus Michalski; Choreografie: Sabine Lindlar; Bühne: Sabine Lindlar, Klaus Michalski, Volker Möller; Kostümdesign: N. N.; Musikalische Leitung, Arrangements: Christian Tobias Müller. Darsteller: Werner Knappheide (Horst Könner), Benjamin Tschesche (Roland Sieger), Melanie Krupke/Karina Linnemann (Leonie, Horsts Freundin), Tobias Landwehr (Felix, Rolands Ehemann), Vanessa Rolf (Michelle, Horsts Tochter), Heike Niederwestberg/Silke Röwekamp (Walburga, Felix’ Mutter), Jens Landwehr (Herr Kühn, Versicherungsvertreter), Jan Kaltermann (Herr Grundlos, Anwalt), Michael Kasselmann (Zaun Müller, Zaunverkäufer), Uschi Körner (Irene Sonnschein, Beamtin), Niklas Gausmann (Reporter), featured Ensemble: Niklas Gausmann, Julia Herkenhoff, Christiane Horstmann, Tanja Hüther, Michael Kasselmann, Uschi Körner, Sarah-Sophia Köster, Claudia Lutter, Judith Röwekamp, Marleen Sieker, Birgit Szpadzinski, Navina Wanzelius, Gesche Wätjen, Annika Wesselkamp. Uraufführung: 3. März 2018, Staatsoperette Dresden. Premiere: 29. Juni 2018, Waldbühne Kloster Oesede, Georgsmarienhütte.



„Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“ auf der Waldbühne Kloster Oesede


„Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt“
Friedrich Schiller


„Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“ von Tilmann von Blomberg (Buch) und Alexander Kuchinka (Musik, Lyrics) erhielt beim ersten von Corny Littmann und Prof. Norbert Aust initiierten Autoren- und Komponistenwettbewerb „Creators“ im Oktober 2015 den ersten Preis. Im Oktober 2017 fiel die Uraufführung an der Staatsoperette Dresden im wahrsten Sinne des Wortes „ins Wasser“, Sprinkleranlagen scheinen in letzter Zeit anfälliger geworden zu sein, und feierte schließlich am 3. März 2018 daselbst in der Regie von Andreas Gergen seine Uraufführung. Nun ist es auf der Waldbühne Kloster Oesede in Georgsmarienhütte in der Regie von Klaus Michalski erstmals auf einer Freilichtbühne zu sehen.

Die Waldbühne in Kloster Oesede – einem Stadtteil von Georgsmarienhütte – wurde 1951 errichtet und wird seit 2003 vom Verein Waldbühne Kloster Oesede e. V. bespielt, der einige 100 Mitglieder verzeichnet. Weder Bühne noch Zuschauerraum sind überdacht, lediglich das Orchester- und Regiehaus bieten ggf. Schutz für die empfindlichen Instrumente und die Technik. Die Waldbühne bietet 1.200 Zuschauern im Viertelrund vor der Bühne Platz. Die durchgängigen Bänke sind so unbequem wie bei der Freilichtbühne Tecklenburg, wo allerdings die Tickets in diesem Jahr bis zu dreimal so teuer sind. Dort stehen im Gegensatz zur Waldbühne Kloster Oesede professionelle Musicaldarsteller auf der Bühne, die dementsprechend bezahlt werden wollen. Die Waldbühne Kloster Oesede gehört dem Verband Deutscher Freilichtbühnen an. Produktionsfotos, die von professionellen Theatern – bis auf wenige Ausnahmen – zur Besprechung selbstverständlich kostenlos beigestellt werden, wurden auf Nachfrage nicht zur Verfügung gestellt.

„Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“ handelt von typisch deutscher Spießigkeit, und wie man aus einer Mücke einen Elefanten machen kann: In einer nicht näher bezeichneten Reihenhaussiedlung in Deutschland herrscht zunächst Friede, Freude, Eierkuchen. Hier wohnt Horst mit seiner Freundin Leonie neben dem Ehepaar Roland und Felix, die Vorgärten sind durch Lattenzäune fein säuberlich voneinander getrennt, und als der passionierte Maschinenschlosser Horst versehentlich eine Latte am Zaun zum Vorgarten seiner Nachbarn abbricht, sind Differenzen vorprogrammiert. Ausgerechnet heute hat sich Felix’ Mutter Walburga zum Antrittsbesuch angekündigt, dementsprechend möchte der nicht gern gesehene Schwiegersohn Roland natürlich einen guten Eindruck machen, weshalb Horst den Zaun reparieren soll. Doch das Ergebnis entspricht nicht Rolands Ansprüchen. Der lässt den Experten Zaun Müller den Schaden begutachten und erhält von diesem die Empfehlung, einen komplett neuen Zaun anzuschaffen. Roland rät Horst, den Schaden durch seine Versicherung begleichen zu lassen, doch der Versicherungsvertreter Herr Kühn erhebt Zweifel an den Grundstücksgrenzen, so dass Roland den Anwalt Herr Grundlos mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut. Schließlich stellt die Beamtin Dr. Irene Sonnschein aus dem Grundbuchamt amtlich fest, dass der Zaun auf Horsts Grundstück steht. Schnell erreicht der Konflikt die politische Ebene, und die beiden Kontrahenten befinden sich im Wahlkampf. Lediglich Rolands Ehemann Felix und Horsts Freundin Leonie können dem Machtgehabe nichts abgewinnen und verbünden sich, den von Felix gebackenen Nusskringeln sei Dank. Als der Konflikt zwischen Bundeskanzler Horst Könner und Premierminister Roland Sieger eskaliert, wird aus Verzweiflung die Generalsekretärin der Vereinten Nationen zur Hilfe gerufen, die zu Friede, Freude – na, was wohl? Richtig – Eierkuchen aufruft. Die Deeskalationsmaßnahme wird enttarnt, und aus Verärgerung drücken Horst und Roland gleichzeitig den roten Knopf, aus der Traum…

„Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“ hangelt sich von einem Kalauer zum nächsten, die Dialoge scheinen mitunter aus der untersten Schublade gefallen zu sein. Hier werden Klischees satirisch überhöht aneinandergereiht, die man schon längst überwunden glaubte. Ein wenig mehr Subtilität könnte da nicht schaden. Regisseuer Klaus Michalski hat sein Musical-Studium an der Folkwang Hochschule – heute Folkwang Universität der Künste – 1998 abgeschlossen und hat zusammen mit Choreografin Sabine Lindlar bereits „The Addams Family“ und „Heiße Ecke“ – Das St. Pauli Musical auf die Bretter der Freilichtbühne Coesfeld gestellt. In Georgsmarienhütte haben Klaus Michalski und Sabine Lindlar zuvor schon „Natürlich blond“ gemeinsam verantwortet, einen Bühnenboden aus Brettern, die angeblich „die Welt bedeuten“, besitzt die Waldbühne gar nicht. Klaus Michalski lässt vorlagengemäß kein Klischee aus, wer sich nicht darauf einlassen kann/möchte, findet die Vorstellung gar nicht so lustig wie frühere Produktionen, wie ein Zuschauer eine Reihe hinter mir in der Pause zu bedenken gab. Sabine Lindlar hat mit dem Ensemble an dessen Fähigkeiten angepasste Choreografien einstudiert, die teilweise erkennen lassen, dass offensichtlich gar nicht so einfach ist, was bei Profis auf der Bühne spielerisch leicht wirkt. Das Bühnenbild besteht aus drei Reihenhausfassaden, Requisiten wie Blumenkästen oder Gartenmöbel werden von den Darsteller*innen bei Bedarf auf die Bühne geschafft. In der Pause werden die Bunker der verfeindeten Kontrahenten hinter den Reihenhausfassaden hervorgeholt, wohin sie nach dem Start der Raketen im zweiten Akt – was in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist – auch wieder verschwinden. Im Orchesterhaus rechts von der Bühne bringen neun Musiker*innen Alexander Kuchinkas Partitur unter der Musikalischen Leitung von Christian Tobias Müller, der auch für die Arrangements verantwortlich zeichnet, für meine Begriffe recht unaufgeregt zu Gehör. Offensichtlich bin ich durch opulenter besetzte Orchester im Stadttheaterbereich entsprechend verwöhnt. Ob die Mehrzahl der Zuschauer, die mit Sack und Pack und Kühltasche ihr Lager zum „Picknicktheater“ im Auditorium aufschlagen, ebenso empfinden, wage ich zu bezweifeln.

Ich verzichte an dieser Stelle auf eine dedizierte Besprechung der Leistungen einzelner Darsteller*innen. Es dürfte jedem Leser leicht einleuchten, dass auch eine mehrmonatige Vorbereitungszeit mit Regisseur und Choreografin kein vierjähriges Musicalstudium ersetzen kann. Wer anderer Meinung ist, möge beispielsweise die Musicalproduktionen der Folkwang Universität der Künste, des Instituts für Musik der Hochschule Osnabrück oder jeder beliebigen anderen staatlichen Hochschule besuchen, die einen guten Überblick über die Qualifikation der Absolventen vermitteln.

„Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“ ist nach der Sommerpause noch vom 2. August bis 1. September 2018 auf der Waldbühne Kloster Oesede zu sehen.

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