„Die Sternstunde des Josef Bieder“

„Die Sternstunde des Josef Bieder“ – Revue für einen Theaterrequisiteur von Eberhard Streul unter Mitarbeit von Erich Syri; Regie: Barbara Hauck; Bühne und Kostüme: Christiane Rolland; Dramaturgie: Stephan Steinmetz. Darsteller: Joachim Gabriel Maaß (Josef Bieder). Uraufführung: 25. April 1985, Nationaltheater Mannheim. Premiere: 10. Juni 2018, Musiktheater im Revier, Kleines Haus, Gelsenkirchen.



„Die Sternstunde des Josef Bieder“


Solo nach Maß für Publikumsliebling Joachim Gabriel Maaß


Ursprünglich war die Premiere des Soloabends „Solo nach Maaß“ mit Joachim Gabriel Maaß für den 27. Mai 21018 disponiert und steht so auch im Spielzeitheft der Spielzeit 17.18. Aber in dieser Spielzeit waren ursprünglich auch „Big Fish“ und „Der Gefangene“ (Originaltitel „Il prigioniero“) von Luigi Dallapiccola mit Auszügen aus Ludwig van Beethovens „Fidelio“ disponiert, und gezeigt wurde schließlich „Jesus Christ Superstar“ und „Moskau, Tscherjomuschki“.

„Die Sternstunde des Josef Bieder“, Joachim Gabriel Maaß (Josef Bieder). © Pedro Malinowski

So verwundert es nicht sonderlich, dass aus dem „Solo nach Maaß“ „Die Sternstunde des Josef Bieder“ geworden ist, eine Revue für einen Theaterrequisiteur von Eberhard Streul unter Mitarbeit von Erich Syri, die womöglich auch ein wenig Spielraum für einige Soli liefert. Mit dieser „Sternstunde“ stellte Librettist, Dramaturg und Regisseur Eberhard Streul (* 29. Oktober 1941 in Radebeul) 1985 in Mannheim eine Auswahl von Anekdoten aus dem Theateralltag zusammen, wie sie seit Urzeiten durch die Bühnen-Garderoben und -Kantinen geistern. Seither stellte sich so mancher Schauspieler aus dieser Sammlung seine ganz eigene, private „Sternstunde“ zusammen, ab 10. Juni 2018 ist es Publikumsliebling Joachim Gabriel Maaß, der am Musiktheater im Revier in „Die Sternstunde des Josef Bieder“ zu sehen ist.

„Die Sternstunde des Josef Bieder“, Joachim Gabriel Maaß (Josef Bieder). © Pedro Malinowski

Der Beruf des Requisiteurs gehört zu den ältesten Theaterberufen im Bereich der Ausstattung. Der Requisiteur ist für die Beschaffung und Bereitstellung der Requisiten – alle beweglichen Ausstattungsgegenstände – verantwortlich und sorgt nach der Vorstellung dafür, dass keine Requisiten fehlen. In „Die Sternstunde des Josef Bieder“ geht Requisiteur Josef Bieder an einem spielfreien Tag nichtsahnend auf die leere Bühne und muss verwundert feststellen, dass Zuschauer im Auditorium sitzen und auf den Beginn der Vorstellung warten, obwohl doch gar keine Vorstellung disponiert ist. Natürlich kann er das Publikum nicht ohne Anweisung „von oben“ hinauskomplimentieren, weshalb er zunächst versucht, die Disponentin anzurufen, doch deren Anschluss ist besetzt. Also versucht er gar nicht einfallslos und hausbacken, das Beste aus der Situation zu machen, indem er aus dem theatralischen Nähkästchen plaudert und seinem Herzen Luft macht. Natürlich hat er als Requisiteur einiges über das Theater zu erzählen, kennt viele Geheimnisse, Wahrheiten und Schicksale im Theater, und ein wenig Kenntnis der Theaterbranche dürfte durchaus hilfreich sein, den ein oder anderen Spaß in den Anekdoten auch als solchen zu verstehen. So schildert er anschaulich, dass eine gekonnte Verbeugung eine ungekonnte Leistung auf der Bühne noch zum Erfolg führen könne, aber auch das Publikum bekommt bei Josef Bieder sein Fett weg, wenn er ausplaudert, dass er sich vorstellen könne, „dass sich manches Publikum mehr anstrengen würde, wenn es wüsste, wie es von den Darstellern hinter der Bühne beurteilt wird.“ Zum Glück für das Publikum kann Josef Bieder auch singen und hat einen Ghettoblaster griffbereit, „dies ist die Stunde“, nicht aus „Jekyll & Hyde“, nein, „die Sternstunde des Josef Bieder“.

„Die Sternstunde des Josef Bieder“, Joachim Gabriel Maaß (Josef Bieder). © Pedro Malinowski

Nun sollte man die „Revue“ mit Musik-, Tanz- und Wortbeiträgen nicht zu wörtlich nehmen, es handelt sich vielmehr um ein „Schauspiel mit Musik“, wobei der Schwerpunkt auf dem Schauspiel liegt. Dabei kann Joachim Gabriel mit seinem komödiantischen Talent punkten, auch wenn so manches Kabinettstückchen mehr mit der Theaterrealität zu tun hat als sich mancher Zuschauer vorstellen kann. Joachim Gabriel Maaß lässt die Zuschauer Josef Bieders leidenschaftliche Liebe zum Theater glaubhaft nachempfinden, auch wenn dieser lieber Sänger geworden wäre. Tadellose Kostproben seiner Sangeskünste lassen da natürlich nicht lange auf sich warten: Mit dem Prolog aus der Oper „Pagliacci“ („Der Bajazzo“) von Ruggero Leoncavallo erklärt er in der Rolle des Tonio die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Schauspiel und Realität, mit dem Couplet aus der Oper „Carmen“ von Georges Bizet verleiht er dem Stierkämpfer Escamillo mit stolzgeschwellter Brust Gestalt, mit dem von Paul Anka für Frank Sinatra geschriebenen Song „My Way“ blickt er auf sein erfülltes Leben zurück, das er auf seine Art gelebt hat, und als er schließlich in der Rolle des Schusters Hans Sachs den „Fliedermonolog“ („Wie duftet doch der Flieder“) aus „Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner zu Gehör bringt, kommt der „erlösende“ Anruf der Disponentin, die keine Vorstellung disponiert hat und er das Publikum dementsprechend nach Hause schicken könne. Abgesehen davon, dass Joaachim Gabriel Maaß jede dieser Rollen bravourös ausfüllt, sind es die Kostüme von Christiane Rolland und die Requisiten von Thorsten Böning, die den Darbietungen eine ganz besondere Note verleihen.

„Die Sternstunde des Josef Bieder“, Joachim Gabriel Maaß (Josef Bieder). © Pedro Malinowski

Regisseurin Barbara Hauck ist zusammen mit Joachim Gabriel Maaß als Requisiteur Josef Bieder ein unterhaltsamer Theaterabend gelungen, der durchaus auch zum Nachdenken nicht nur über Beruf und Berufung anregt. Lang anhaltender Applaus nach etwa neunzigminütiger Premiere sind der verdiente Lohn für eine gelungene Vorstellung.

„Die Sternstunde des Josef Bieder“, Joachim Gabriel Maaß (Josef Bieder). © Pedro Malinowski

Folgevorstellungen sind am 15. und 29. Juni 2018 sowie am 8. Juli 2018 disponiert. In der Soielzeit 18.19 wird „Die Sternstunde des Josef Bieder“ für vier Vorstellungen am 15. und 30. September 2018 sowie am 13. und 26. Oktober 2018 wiederaufgenommen.

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