Knockin’ on Heaven’s Door: Nachgefragt bei Autor und Regisseur Gil Mehmert

Nach der Musicaladaption von „Goethe!“ wird im Mai/Juni 2018 „Knockin’ on Heaven’s Door – Das Musical“ nach dem gleichnamigen Film von Thomas Jahn und Til Schweiger (1997) als Kooperation der Folkwang Universität der Künste mit dem Häbse-Theater Basel das Licht der Theaterwelt erblicken, wobei es sich – wie bei „Goethe! Auf Liebe und Tod“ – zunächst um eine Tryout-Produktion handeln wird. Für Musik und Texte zeichnen Alexander Geringas und Joachim Schlüter verantwortlich, Christoph Silber hat Songtexte und gemeinsam mit Gil Mehmert das Libretto geschrieben, Gil Mehmert wird auch Regie führen. Alexander Geringas (* 2. März 1971 in Moskau) hat sich als Produzent, Komponist und Texter von diversen Top-Ten-Hits (No Angels: „Something about us“, Kelly Clarkson: „Dark Side“; Christina Stürmer: „Nie genug“ u. a.) und Filmmusiken („Hanni & Nanni“-Trilogie [2010, 2012, 2013], „Der fast perfekte Mann“ [2013], „Ich bin dann mal weg“ [2015] u. a.) etabliert, spielte aber auch als Schauspieler u. a. an den Hamburger Kammerspielen in „Der Mann ohne Vergangenheit“ unter der Regie von Gil Mehmert. Co-Komponist und Arrangeur Joachim Schlüter (* 15. September 1968 in Lüneburg) hat die Musik zu den Kinofilmen „Käpt’n Blaubär – Der Film“ (1999), der „Hanni & Nanni“-Trilogie (2010, 2012, 2013), „Der fast perfekte Mann“ (2013), „Ich bin dann mal weg“ (2015) u. a. geschrieben. Christoph Silber (* 26. April 1971 in Berlin) ist ein deutscher Autor, der in Los Angeles lebt und im Filmgeschäft als Drehbuchautor („Hanni & Nanni 2“ [2012], „Hanni & Nanni 3“ [2013], „Ich bin dann mal weg“ [2015], „Honigfrauen“ [2017] u. a.) und daneben auch als Produzent und Regisseur in Erscheinung getreten ist.

Der Film „Knockin’ on Heaven’s Door“ war mit über 3 Millionen Kinobesuchern der erfolgreichste deutsche Kinofilm 1997. Das dürfte doch sicher bei der Auswahl des Stoffes für eine Musicaladaption eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, oder? Zumal womöglich fast jeder mit dem Titel den gleichnamigen Song von Bob Dylan assoziieren wird, auch wenn dieser im Film gar nicht vorkommt, sondern eine Version der Deutschen Band Selig. Dennoch fällt die Idee, den Stoff für die Musicalbühne zu adaptieren, ja nicht einfach so vom Himmel. Wie kam es dazu?

Gil Mehmert: Die Idee entstand zwischen dem Musical-Darsteller Tino Honegger und dem Music-Supervisor des Films Andreas Kirnberger bei einem Treffen in München. Eigentlich ging es zunächst sogar darum, einen ganz anderen Filmstoff als Musical zu adaptieren, aber plötzlich blieb der Blick von Tino Honegger an der DVD von „Knockin’ on Heaven’s Door“ hängen, die beim Gespräch hinter Andreas Kirnberger oben im Regal stand und sein Interesse schlug spontan um auf diese Geschichte.

(Anmerkung: Der 2013 von Andreas Kirnberger und Tino Andrea Honegger gegründete Bühnenverlag „Edition Knock On Wood UG“ hat sich auf die Entwicklung und Vermarktung neuer Musicalstoffe spezialisiert.)

Der ein oder andere wird womöglich denken, „schon wieder ein Kinofilm als Musical auf der Bühne.“ Ein erfolgreicher Film ist keine Garantie für eine ebensolche Musicaladaption, diese Erfahrung musste Stage Entertainment erneut bei „Fack ju Göhte – Das Musical“ in München machen. Warum gerade „Knockin’ on Heaven’s Door“, warum nicht „Barfuss“ oder „Keinohrhasen“, um bei Til Schweiger zu bleiben?

Gil Mehmert: Der Blick fiel eben auf „Knockin’ on Heaven’s Door“, und die anderen Filme hatte Andreas Kirnberger wohl nicht als Music-Supervisor betreut, entsprechend standen sie nicht in seinem Regal… In der Tat muss man ja auch ein paar Zutaten haben bzw. Grundideen, die sinnvoll aus einem Drehbuch ein Musical machen könnten.

Die Autoren sind – mit Ausnahme von Ihnen – in der Musicalszene bisher eher ein unbeschriebenes Blatt. Thomas Jahn und Til Schweiger sollen sich in einer Kölner Buchhandlung kennengelernt haben, wo Thomas Jahn nach eigenen Angaben Til Schweiger bereits die Handlung seines Drehbuchs skizziert hat. Wie haben sich die Autoren von „Knockin’ on Heaven’s Door – Das Musical“ gefunden? Mit Alexander Geringas haben Sie ja 2005 bereits bei „Der Mann ohne Vergangenheit“ zusammengearbeitet, wenn auch nicht als Autoren, Alexander Geringas, Joachim Schlüter und Christoph Silber haben bereits bei mehreren Filmproduktionen zusammengearbeitet.

Gil Mehmert: Tatsächlich hat mich Alex Geringas angerufen und darum gebeten, mich bei dem Projekt mal „einzumischen“. Daraus ist dann etwas mehr geworden.

Im Film gab es Musik von Selig, den Toten Hosen, H-Blockx u. a. zu hören. In welchem Bereich wird sich „Knockin’ on Heaven’s Door – Das Musical“ musikalisch bewegen?

Gil Mehmert: Alex Geringas hat nicht umsonst einige Goldene Platten an der Wand hängen, er kennt sich im Pop-Geschäft sehr gut aus und versteht es, aktuelle Musik mit einer Musical-Story zu verbinden.

Zu „Knockin’ on Heaven’s Door“ heißt es im Lexikon des Internationalen Films: „Die präzise gezeichneten und besetzten Nebenrollen entschädigen zudem für die allzu oberflächliche Charakterisierung der Hauptpersonen und die pubertären Gags.“ Nehmen Sie solch eine Aussage als Ansporn, es auf der Bühne besser zu machen, oder denken Sie eher, „so what“, wenn Sie so etwas lesen?

Gil Mehmert: Ich lese sowas erst gar nicht. Aber ich kann diese Kritik gut nachvollziehen. Ich selbst stehe nicht auf oberflächlichen Humor, aber tatsächlich schrammen immer wieder Passagen am Kalauern vorbei. Aber es ist eben auch Teil des Charakters mancher Figuren. Da kann man bei den Theaterproben natürlich länger abschmecken, wie und ob man eine Pointe serviert.

Unheilheilbare Knochen- und Hirntumore im Endstadium dürften nicht unbedingt zu den Lieblingsthemen einer auf seichte Unterhaltung gepolten Gesellschaft gehören. Wie bekommt man – bekommen Sie den Spagat zwischen humorvoller Darstellung und der Gefahr, Betroffene vor der den Kopf zu stoßen, hin?

Gil Mehmert: Wir wissen ja noch nicht, ob wir das hinbekommen… aber dieser dramatische Unterton macht den Plot eben erst erzählenswert. Es ist immer die Frage, wie weit man sich eines solchen Themas bedienen darf, um eine Geschichte daraus zu machen. So eine schwerwiegende Thematik sollte nicht missbraucht werden um der Unterhaltung willen, sondern die unterhaltende Erzählweise sollte der Thematik mit Würde gerecht werden, aber sie eben auch ins alltägliche Bewusstsein verankern. Diese Themen gehören zum Leben dazu und Geschichten, gerade auch komödiantische, sind ein Weg damit umzugehen und sie auszuhalten.

Apropos renommierte Darsteller: Im Film sind bekannte Darsteller wie Muriel Baumeister, Cornelia Froboess, Corinna Harfouch, Leonard Lansink („Wilsberg“), Hannes Jaenicke und Sönke Wortmann in Nebenrollen zu sehen. Gönnen Sie sich auch den Luxus, renommierte Darsteller für Nebenrollen zu engagieren? Für 17 Akteure auf der Bühne wäre das komplette „Personal“ des zweiten bis vierten Jahrgangs des Studiengangs Musical erforderlich, die Edition Knock On Wood UG, Verlag für Musik und Bühne, München gibt als Besetzung 5 Haupt- und 12 Nebendarsteller im Ensemble an. Auf einem Foto auf der Website des Häbse-Theaters sind allerdings lediglich der dritte und vierte Jahrgang (11 Studierende) zu sehen.

Gil Mehmert: Nachdem wir „Goethe! Auf Liebe und Tod“ sehr aufwendig produziert haben, konzentrieren wir uns hier auf das Kammerspiel in der Geschichte und erzählen sie tatsächlich mit einem kompakten Ensemble von 11 Darstellern.

Wenn Sie völlig frei von äußeren Zwängen und Begleit­um­ständen entscheiden können, würden Sie für die auf die Tryouts folgende Produktion gern renommierte Darsteller für kleine Nebenrollen engagieren? Wen?

Gil Mehmert: Mich interessiert weniger das Renommee als die spezifische Qualität. Natürlich sorgt Qualität oft für eine gewisses Renommee, aber es gibt auch tolle Darsteller, die vielleicht weniger bekannt sind und trotzdem großartig für eine bestimme Rolle passen. Am schönsten ist es ja auch, Darsteller zu entdecken und mit einer Besetzung ins größere Bewusstsein zu bringen. Da gibt es bestimmt einige gute Namen, mit denen ich schon – vielleicht sogar schon oft – gearbeitet habe. Aber ich scheue mich hier Namen zu nennen, da es bestimmt mehrere Möglichkeiten zur Besetzung gibt. Und warum soll ich nichtgenannten Kollegen vor den Kopf stoßen?

Aus dem Mercedes-Benz 230 SL Cabrio „Pagode“ und Frankie „Boss“ Beluga im Film sind im Musical lt. Verlag ein Ferrari und eine knallharte Chefin geworden. Was hat es mit den Änderungen gegenüber dem Film auf sich? Wird die Produktion von Ferrari gesponsert?

Gil Mehmert: Aktuell ist es wieder ein alter Mercedes, gerade weil es zur Musik passt.

Die Ticketpreise für Veranstaltungen in der Alten Aula liegen in der Regel bei 10 Euro, damit ergeben sich lediglich gut 2.000 Euro Einnahmen pro gespielter Vorstellung. Wobei der Betrag von 10 Euro doch bestimmt irgendwann von der Hochschule festgelegt wurde und nicht kostendeckend sein dürfte. Die Grundfinanzierung der staatlichen Hochschulen wird aus dem Haushalt des Landes bezahlt, für die Einwerbung von Drittmitteln ist die Hochschule selbst verantwortlich. Die Kooperation mit externen Partnern wie dem Häbse-Theater fällt ja im weitesten Sinne ebenfalls in diese Kategorie. Müssen Sie unter diesen Rahmenbedingungen auch zaubern können, um dennoch eine ansehnliche Produktion auf die Bühne zu stellen?

Gil Mehmert: Allerdings. Insbesondere da eine Musical-Produktion im Vergleich zu anderen Theatergenres grundsätzlich aufwendiger ist. Das beginnt bei der Mitwirkung von Musikern, der elektro-akustischen Beschallung oder dem umfangreicheren Licht. Es geht weiter damit, dass eine Musical-Erzählung nie drei oder fünf Akte, sondern viel mehr Szenen und auch Rollen hat, entsprechend auch mehr Ausstattung und Kostüme braucht. Obwohl wir dieses Jahr bewusst bescheidener sind als bei „Goethe! Auf Liebe und Tod“, sprengt das Projekt mal wieder jeden Rahmen und am Ende muss ja doch die Uni das alles auffangen. Aber in der Tat kann die Uni, die nun mal ein Ausbildungsbetrieb ist, die Eintrittspreise nicht einfach mal eben an unser Genre anpassen.

„Knockin’ on Heaven’s Door – Das Musical“ ist meines Wissens die zweite Kooperation des Studiengangs Musical mit dem Häbse-Theater Basel, vom 14. bis 18. Oktober 2008 wurde dort bereits „Rent“ gezeigt. Basel ist von Essen aus nicht gerade um die nächste Ecke. Die Proben werden doch sicherlich in Essen stattfinden, und die fertige Aufführung wird dann vom 29. Mai bis 2. Juni 2018 in Basel gezeigt. Provokant gefragt: Können die Studierenden dabei auch Erfahrungen im „normalen“ Theateralltag abseits der „behüteten“ Hochschule sammeln?

Gil Mehmert: Das ist immer unser Ziel, wenn wir Kooperationen starten, dass die Studenten in einem professionellem Umfeld lernen, um ein Publikum zu kämpfen, dass ihnen nicht automatisch mit großer Sympathie Vorschußlorbeeren bereit hält.

Der Verlag gibt als Termin für die Weltpremiere von „Knockin’ on Heaven’s Door – Das Musical“ das Jahr 2019 an, ich nehme an, dass es dort auch zu lesen wäre, wenn bereits Details fixiert wären. Nun gab es vor einem Jahr die erfolgreiche Tryout-Premiere von „Goethe! Auf Liebe und Tod“, das bisher aber noch nicht den Weg als reguläre Produktion auf eine Bühne gefunden hat. Gibt es für dieses Stück bei Stage Entertainment noch Pläne, oder wären auch Produktionen im Stadttheaterbereich möglich?

Gil Mehmert: Das Prinzip, einen ersten Schritt mit einem Tryout zu gehen, ist hierzulande im Musicalbereich noch nicht etabliert. „Goethe! Auf Liebe und Tod“ war ein Anfang und da ist weiter Bewegung drin, die hoffentlich bald zu einem Ergebnis führt. Die aktuellen Strukturen und die inhaltliche Orientierung speziell bei Stage Entertainment sind aus meiner Sicht zur Zeit nicht unbedingt an einer Entwicklung einer spezifischen deutschen Musical-Kultur ausgerichtet. Aber es ist auch durchaus verständlich und nachvollziehbar, dass ein kommerzielles Unternehmen auf Bilanzen schaut und nicht auf künstlerische Visionen. Immerhin hat Stage speziell „Goethe! Auf Liebe und Tod“ mit auf den Weg gebracht.

Schon jetzt viel Erfolg für die Probenphase und toi, toi, toi für die Tryout-Aufführungen. Das Häbse-Theater Basel zeigt „Knockin’ On Heaven’s Door – Das Musical“ von Dienstag, 29. Mai bis Samstag, 2. Juni 2018 jeweils um 20 Uhr, in Essen ist das Stück vom 21. bis 23. und 25. bis 27. Juni 2018 jeweils um 19.30 Uhr im Pina Bausch Theater der Folkwang Universität der Künste zu sehen.

Kommentare