Disneys Musical „Tarzan“

Disneys Musical „Tarzan“ – nach der Geschichte „Tarzan of the Apes“ (1912) von Edgar Rice Burroughs und dem Disney-Zeichentrickfilm „Tarzan“ (1999); Musik, Lyrics: Phil Collins; Buch: David Henry Hwang; Deutsche Songtexte: Frank Lenart; Deutsche Dialoge: Ruth Deny; Regie, Ausstattung: Bob Crowley; Choreografie: Sergio Trujillo; Luftchoreografie: Pichón Baldinu; Licht: Natasha Katz; Ton: John H. Shivers; Musikalische Leitung: Martin Gallery. Darsteller: Alexander Klaws (Tarzan), Tessa Sunniva van Tol (Jane), Sabrina Weckerlin (Kala), Patrick Stanke (Kerchak), Massimiliano Pironti (Terk), Japheth Myers (Professor Porter), Patrick Imhof (Clayton), Simeon Pauls (Tarzan als Kind), Elliot Collins, Giammarco Corrado, Petra Ilse Dam, Karen Helbing, Martina Lechner, Salvatore Maione, Renako McDonald, Bathoni Puplampu, André Regazzoni, Thorsten Ritz (Asst. Fight Captain), Sabrina Sepe, Clayton Sia, Stuart Sumner, Karolien Torensma, Emilia Viglianesi. Uraufführung: 10. Mai 2006, Richard Rodgers Theatre, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 19. Oktober 2008, Theater Neue Flora, Hamburg. Premiere: 6. November 2016, Metronom Theater, Oberhausen. Besuchte Vorstellung 5. November 2016.



Disneys Musical „Tarzan“


Das Dschungelabenteuer im Metronom Theater


Disneys Musical „Tarzan“, Ensemble. © Stage Entertainment/Disney

„Tarzan of the Apes“ von Edgar Rice Burroughs erschien erstmals am 27. August 1912 im All-Story Magazine, die erste Buchausgabe mit 23 Fortsetzungen folgte 1914 bei A. C. McClurg. Die erste Verfilmung mit Elmo Lincoln als Tarzan wurde bereits am 27. Januar 1918 in den USA aufgeführt, zwischen 1932 und 1948 spielte Weltrekord-Schwimmer Johnny Weissmüller in zwölf Tarzan-Filmen die Rolle des Urwaldmenschen, die ihn weltberühmt machte. 1999 erschien der abendfüllende Zeichentrickfilm der Walt Disney Studios, für den Phil Collins bereits die fünf Songs „Son of Man“, „Trashin’ the Camp“, „Strangers Like Me“, „You’ll Be in My Heart“ und „Two Worlds“ komponierte. Der Soundtrack wurde mit einem Grammy Award ausgezeichnet, „You’ll Be in My Heart“ mit einem Golden Globe Award und einem Academy Award („Oscar“).

Disneys Musical „Tarzan“, Alexander Klaws (Tarzan). © Stage Entertainment/Disney

Das auf der Geschichte von Edgar Rice Burroughs und dem Walt Disney-Zeichentrickfilm basierende Musical „Tarzan – The Broadway Musical“ feierte am 10. Mai 2006 am Richard Rodgers Theatre Uraufführung, wofür Phil Collins neun zusätzliche Songs schrieb. Während dem Musical am Broadway der große Erfolg verwehrt blieb, die Show wurde nach 486 Aufführungen am 8. Juli 2007 abgesetzt und ging bei den Tony Awards 2006 gänzlich leer aus, wurde die deutschsprachige Erstaufführung ab dem 19. Oktober 2008 fünf Jahre bis zum 2. Oktober 2013 im Theater Neue Flora in Hamburg gezeigt und war damit nach Disneys „Der König der Löwen“ das zweiterfolgreichste Musical für Stage Entertainment in Hamburg. (Zwar wurde „Das Phantom der Oper“ vom 29. Juni 1990 bis 30. Juni 2001 11 Jahre im Theater Neue Flora gezeigt, aber bekanntlich noch unter der Ägide der Hamburger Unternehmensgruppe Stella.) Am 21. November 2013 folgte die Premiere im Apollo Theater Stuttgart, wo Disneys Musical „Tarzan“ bis 28. August 2016 gezeigt wurde, und am 6. November 2016 feierte das Musical schließlich in der Metropole Ruhr Premiere.

Disneys Musical „Tarzan“, Patrick Stanke (Kerchak) und Sabrina Weckerlin (Kala). © Stage Entertainment/Disney

Tarzans Geschichte ist weltberühmt und hat bis heute viele Generationen begeistert: Nach einem Schiffbruch nahe der Küste Afrikas wird der junge Lord Greystoke mit seinen Eltern an einen menschenleeren Strand gespült. Vater und Mutter werden Opfer eines Leopardenangriffs, und das Kind bleibt als Waise zurück. Das Gorilla-Weibchen Kala nimmt sich seiner an, zieht ihn in der Gemeinschaft der Affen groß und nennt das Kind schließlich Tarzan. Nicht allen ist er gleichermaßen willkommen. Clan-Oberhaupt Kerchak sieht ihn als Eindringling, der eine Gefahr für seinen Stamm darstellt. Und auch Tarzan spürt, dass seine Wurzeln eigentlich woanders liegen. Jahre später trifft eine Expedition im Dschungel ein und Tarzan – mittlerweile ein junger Mann – steht zum ersten Mal Menschen gegenüber. Unter ihnen ist die hübsche Jane. Diese Begegnung ist der Anfang einer großen Liebe, die sie schon bald vor die wichtigste Entscheidung ihres Lebens stellt.

Disneys Musical „Tarzan“, Tessa Sunniva van Tol (Jane). © Stage Entertainment/Disney

Mitverantwortlich für den Erfolg der Show in Deutschland dürfte sicher die Ausstattung von Bob Crowley mit dem Lichtdesign von Natasha Katz sein. Bereits für die deutschsprachige Erstaufführung im Theater Neue Flora in Hamburg wurde Disneys Musical „Tarzan“ effektvoller gestaltet, für die Premiere im Metronom Theater, dessen Zuschauerraum einer Arena gleicht, aber über keinen Rang verfügt, wurden sowohl das Bühnenbild als auch die Flugbewegungen der Darsteller über den Köpfen der Zuschauer an die Gegebenheiten im Theater angepasst: Das völlig neu gestaltete Bühnenbild, das nun stärker an das Dickicht im Urwald erinnert, erstreckt sich über die beiden vorderen Zugänge bis weit in den Zuschauerraum, so dass die Zuschauer näher am Geschehen sind. Aerial Designer Pichón Baldinu hat die einmaligen 360 Grad Flugbewegungen der Darsteller ebenfalls mit längeren Flugbahnen auf das Arena-artige Auditorium abgestimmt. Auch wenn hierfür ein hoher technischer Aufwand getrieben wird, im Hinblick auf die Sicherheit der Darsteller und Zuschauer letztlich getrieben werden muss, so entstehen auf der anderen Seite teilweise mit einfachsten Mitteln sehr stimmungsvolle Bilder. Beispielhaft seien an dieser Stelle die aus dem Schnürboden herab­ge­lassenen hellen Tücher in Verbindung mit der Tänzerin und ihrer eleganten Tücher-Choreografie genannt, die die Wasser­stelle der Tiere versinnbildlichen.

Disneys Musical „Tarzan“, Massimiliano Pironti (Terk), Ensemble. © Stage Entertainment/Disney

Alexander Klaws (* 1983 in Ahlen, Münsterland), der bereits mehr als drei Jahre von Mai 2010 bis Juni 2013 in der Rolle des Dschungelhelden Tarzan das Publikum im Theater Neue Flora in Hamburg für sich eingenommen hat und von Oktober 2014 bis November 2015 als Jesus in „Jesus Christ Superstar“ (Premiere 19. Oktober 2014, Regie Gil Mehmert) dem Opernhaus Dortmund stets ausverkaufte Vorstellungen beschert hat, ist für die Produktion im Metronom Theater nochmals in die Titelrolle geschlüpft und bringt seine Bühnenerfahrungen der letzten Jahre ein: Durchtrainiert, schauspielerisch überzeugend und mit wohlklingender Stimme weiß er in seiner Rolle völlig für sich einzunehmen. Bleibt zu hoffen, dass Alexander Klaws auch häufig im Metronom Theater zu erleben sein wird, andernfalls dürfte die Enttäuschung bei zahlreichen Besuchern womöglich vorprogrammiert sein. Die gebürtige Niederländerin Tessa Sunniva van Tol (* 1991 in Leiden) stand bereits von Mai 2012 bis Juli 2013 in der Tournee-Produktion von Disney’s „The Little Mermaid“ (Premiere 16. Juni 2012, Nieuwe Luxor Theater, Rotterdam, Regie Glenn Casale) in den Niederlanden als Meerjungfrau Ariël auf der Bühne und bezaubert in Oberhausen das Publikum in der Rolle der Jane, Professor Porters lieblicher Tochter, die sich auf der Expeditionsreise in den afrikanischen Urwald trotz ihrer viktorianischen Zurückhaltung in den stattlichen Dschungelhelden verliebt. Das Zusammenspiel zwischen Alexander Klaws und Tessa Sunniva van Tol funktioniert bestens, die beiden geben ein sympathisches Paar ab und tragen den Abend. Sabrina Weckerlin (*1986 in Villingen-Schwenningen) und Patrick Stanke (* 1979 in Wuppertal) sind nach „3 Musketiere“ (Premiere 6. April 2005, Theater des Westens Berlin), „Marie Antoinette“ (Premiere 30. Januar 2009, Musical Theater Bremen) und „Artus Excalibur“ (Premiere 15. März 2014, Theater St. Gallen) erneut gemeinsam in einer Großproduktion zu erleben. Sabrina Weckerlin füllt die Rolle der Kala als Affenmutter und Kerchaks Partnerin mit viel Liebe und Herzenswärme aus, der Hit der Show „Dir gehört mein Herz“ gelingt ihr eindringlich, auch wenn sie sich an dieser Stelle für mein Empfinden etwas weniger zurücknehmen könnte. Als Silberrücken Kerchak hat Patrick Stanke womöglich das komplexeste Rollenprofil: Als dominanter Anführer der Sippe will er diese vor Tarzan schützen, den er zunächst als feindseligen Eindringling empfindet, glaubhaft entwickelt er aber auch Vatergefühle zu ihm und schützt ihn letztendlich vor Clayton. Der gebürtige Italiener Massimiliano Pironti (* 1981 in Colleferro) ist als immer gut gelaunter Spaßvogel der Gorilla-Sippe nie um einen flotten Spruch verlegen. Er singt mitunter auch kopfüber an einer „Liane“ hängend, was ihm auch tadellos gelingt, aber obwohl Massimiliano Pironti bereits in Stuttgart als Cover Terk in Disneys Musical „Tarzan“ mitgespielt hat, sind seine Dialoge bedauerlicherweise nicht immer problemlos zu verstehen, „Kommste nach Bottrop, kriegste auffen Kopp dropp“ im Ruhrpott Slang macht da keine Ausnahme. Wie schon bei seinen Vorgängern Rommel Singson (Hamburg) und Emanuele Caserta (Stuttgart) ist Massimiliano Pironti mit seinen akrobatischen Fähigkeiten aber über jeden Zweifel erhaben. Japheth Myers ist bereits seit der deutschsprachigen Erstaufführung im Theater Neue Flora in der Rolle des schrulligen Professors Porter zu sehen, Patrick Imhof (* 1971 in Basel) verleiht in Oberhausen erstmals dem Fiesling Clayton Gestalt. Simeon Pauls hat als junger Tarzan in der besuchten Vorstellung natürlich die Sympathien des Publikums auf seiner Seite, wobei ihm die Rolle auf der Bühne augenscheinlich auch großen Spaß bereitet. Ein insgesamt spielfreudiges Ensemble sorgt mit den furiosen Flug­be­wegungen und den energiegeladen Tanzchoreografien für Begeisterung.

Disneys Musical „Tarzan“, Tessa Sunniva van Tol (Jane) und Alexander Klaws (Tarzan). © Stage Entertainment/Disney

Jeff Lee, der die Produktion nach der Originalinszenierung von Bob Crowley in Szene gesetzt hat, ist auch in Oberhausen mit den speziell für diesen Spielort eingeführten Neuerungen eine hervorragende Aufführung gelungen, die von allen bisher im Metronom Theater gezeigten Musicals sicherlich als die spektakulärste Produktion bezeichnet werden kann.

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