Theater Hagen: „Die spinnen, die Römer!“

„Die spinnen, die Römer!“ – nach Motiven aus den Komödien „Miles Gloriosus“, „Pseudolos“ und „Mostellaria“ von Titus Maccius Plautus; Musik, Liedtexte: Stephen Sondheim; Buch: Burt Shevelove, Larry Gelbart; Deutsche Übersetzung: Frank Thannhäuser; Inszenierung: Annette Wolf; Choreografie: Alfonso Palencia; Bühne, Kostüme: Lena Brexendorff; Lichtdesign: Achim Köster; Musikalische Leitung: Steffen Müller-Gabriel. Darsteller: Rainer Zaun (Pseudolus, Sklave des Hero), Christoph Scheeben (Senex, Bürger von Rom), Marilyn Bennett (Domina, Frau des Senex), Tillmann Schnieders (Hero, deren Sohn), Maria Klier (Philia, eine Jungfrau), Richard van Gemert (Hysterium, Sklave von Senex und Domina), Rolf A. Scheider (Marcus Lycus, ein Kurtisanenhändler), Kenneth Mattice (Miles Gloriosus, ein Krieger), Werner Hahn (Erronius, Bürger von Rom) u. a. Uraufführung: 8. Mai 1962, Alvin Theatre, New York City. West End Premiere: 3. Oktober 1963, Strand Theatre, London, UK. Deutschsprachige Erstaufführung: 24. Februar 1972, Theater im Reichskabarett, Berlin. Premiere: 18. Oktober 2014, Theater Hagen.



„Die spinnen, die Römer! – A Funny Thing Happened on the Way to the Forum“


Die Musical-Farce zum ersten Mal in Hagen


„A Funny Thing Happened on the Way to the Forum“ war die erste Musicalproduktion, zu der Stephen Sondheim sowohl die Musik als auch die Gesangstexte schrieb. Die am 8. Mai 1962 am Broadway uraufgeführte Farce basiert auf Motiven des römischen Komödiendichters Titus Maccius Plautus, wurde 1963 mit sechs Tony Awards ausgezeichnet und mit 964 Vorstellungen am Broadway bis 29. August 1964 zum meistgespielten Werk Sondheims. Es wurde 1966 von Richard Lester mit Zero Mostel in der Rolle des Sklaven Pseudolus verfilmt, der Film kam in Deutschland unter dem Titel „Toll trieben es die alten Römer“ in die Kinos und wurde 1967mit dem Academy Award („Oscar“) für die beste Musikadaption ausgezeichnet. Die deutsche Erstaufführung des Musicals fand am 24. Februar 1972 unter dem Titel „Auf, auf zum Forum“ am Theater im Reichskabarett in Berlin statt, und in Österreich wurde es erstmals am 2. Oktober 1987 unter dem Titel „Zuständ’ wie im alten Rom“ im Kabarett Simpl aufgeführt. Nach erfolgreichen Aufführungen von „Sweeney Todd“ (Premiere 16. Februar 2008, Regie Nils Cooper) und „Into the Woods“ (Premiere 3. Oktober 2009, Regie Gil Mehmert) steht nun mit „Die spinnen, die Römer!“ ein weiteres Musical des Pulitzer-Preisträgers am Theater Hagen auf dem Spielplan.

Die Geschichte selbst spielt vor drei Häusern in der Straße zum Forum in Rom: Das erste gehört Erronius, einem verstörten alten Mann, der unterwegs auf der Suche nach seinen Kindern ist, die als Babies von Piraten entführt wurden. Das zweite ist das Haus von Marcus Lycus, der mit schönen Frauen handelt. Schließlich steht da noch das Haus von Senex, der hier mit seiner Frau Domina und seinem Sohn Hero wohnt. Außerdem leben dort noch die Sklaven Hysterium und Pseudolus. Eines Tages, als Hero mit den beiden Sklaven allein ist, gesteht er Pseudolus, dass er sich in Philia, eine der schönen Frauen aus Lycus’ Haus, verliebt hat. Pseudolus wittert seine Chance und verspricht Hero, ihn mit der Dame seines Herzens zusammen zu bringen, wenn dieser ihm dafür die Freiheit schenkt. Hero geht auf den Handel ein und schon sind beide auf dem Weg zu Lycus. Das Dumme ist nur: Philia ist bereits vertraglich dem Krieger Miles Gloriosus zugesprochen und wartet darauf, dass dieser nach Rom kommt und sie abholt. Mit viel List und Erfindungsreichtum stürzt Pseudolus von einer absurden Situation in die nächste: Unter dem Vorwand, Philia sei von einer ansteckenden Krankheit befallen, kann Pseudolus sie in Heros Haus fortlocken, wo dessen Vater Senex sie für seine neue Magd hält und ebenfalls Gefallen an ihr findet. Dadurch bekommt er natürlich zwangsläufig Probeleme mit seiner Frau Domina. Als der heimkehrende Miles Gloriosus seinen Anspruch auf Philia einfordert, täuscht Pseudolus deren Tod vor und gibt seinen Freund Hysterium in Verkleidung als deren Leiche aus. Der Hauptmann lässt daraufhin eine große Totenfeier inszenieren und möchte die Leiche verbrennen lassen…

Das geflügelte Wort „Die spinnen, die Römer!“ von Obelix gehört für Kenner der Reihe zum unverzichtbaren Bestandteil der erfolgreichsten französischen Comicserie „Asterix“. Bereits 2011 zeigte die Volksoper Wien „A Funny Thing Happened on the Way to the Forum“ in der Regie von Werner Sobotka und der Choreographie von Ramesh Nair unter dem Titel „Die spinnen, die Römer!“ im Comicstrip-Stil, Direktor Robert Meyer war in der Hauptrolle des Sklaven Pseudolus zu sehen, der Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um seine Freiheit zu erlangen. Das Kreativteam um Regisseurin Annette Wolf hat diesen Titel und den comicartigen Charakter der Show für die Aufführung von Sondheims erster Musicalproduktion, für die er sowohl die Musik als auch die Gesangstexte verfasst hat, in Hagen aufgegriffen, allerdings können sich die Theaterbesucher darunter scheinbar nicht sonderlich viel vorstellen, zumindest könnte man das nicht vollständig besetzte Auditorium bei der Premiere in diese Richtung deuten. Und womöglich konnten einige der Premierenbesucher dann mit dem Gesehenen auf der Bühne ebenfalls nicht viel anfangen, so dass sie das Theater zur Pause verlassen haben und sich die Reihen im zweiten Akt nochmals gelichtet haben. Das will nicht so recht zu der Überschrift „Ein nahezu narrensicheres Stück…“ im Programmheft passen. Was war passiert? Stephen Sondheim verdeutlicht bereits mit seinem Opening „Comedy Tonight“, was die Besucher zu erwarten haben, aber so manche gut gemeinte Idee des Kreativteams – ob man sie nun für die überdrehte Komödie für angemessen oder eher für überzeichnet hält sei dahingestellt – wollte bei den Zuschauern einfach nicht ankommen, und so stimmte ein Teil des Publikums eben mit den Füßen ab. Jeweils vor Beginn, zur Pause und zum Ende der Aufführung werden in Comic-Marnier große Sprechblasen auf eine Leinwand projiziert, die das Proszenium von der Bühne trennt (Ausstattung Lena Brexendorff). Die drei Häuser auf der Drehbühne tragen ebenfalls Sprechblasen auf ihren Dächern und haben womöglich auch schon bessere Zeiten erlebt, die Löcher in den Wänden erinnern ein wenig an das puzzleartiges Computerspiel Tetris. Hinzu kommen skurrile Plastikrequisiten wie eine aufblasbare Palmen-Badeinsel oder die ebenfalls aufblasbare Gehhilfe, mit der Erronius auf der Suche nach seinen vermissten Kindern umherirrt. Die Kostüme sollen auf das alte Rom und die heutige Zeit anspielen. Was bei den alten Römern noch gut funktioniert und lediglich die männlichen Darsteller nicht immer vorteilhaft erscheinen lässt, wird bei Panacea als „Conchita Wurst“ in einer fleischfarbenen Wursthaut mit gelber Senfflasche schließlich ad absurdum geführt. Manchmal kann weniger mehr sein, das Original bietet womöglich bereits genügend Wortwitz und Situationskomik. Stephen Sondheims Partitur wird vom Philharmonischen Orchester Hagen unter der Musikalischen Leitung von Steffen Müller-Gabriel fulminant zu Gehör gebracht, wobei die Quantität der Songs im zweiten Akt abnimmt. Ungeachtet dessen nimmt die Aufführung im zweiten Akt deutlich Fahrt auf und driftet dabei unglücklicherweise Richtung Klamauk ab.

Die Hauptrollen sind in Hagen mit einer einzigen Ausnahme aus dem festen Musiktheater-Ensemble besetzt. Bassbariton Rainer Zaun führt als Prologus/Heros Sklave Pseudolus das Ensemble an, seine eingängige Eröffnungsnummer „Komödie gibt’s heut!“/„Comedy Tonight“ bleibt im Ohr. Christoph Scheeben a. G. und Marilyn Bennet sind als römischer Bürger Senex und seine herrische Frau Domina zu sehen, die ihrem Rollennamen alle Ehre macht. Maria Klier gibt als kretische Jungfrau Philia das schöne blonde Dummchen, in das sich Tillmann Schnieders als Senex’ nicht weniger naiver Sohn Hero verliebt hat. Tenor Richard van Gemert sorgt als Chefsklave Hysterium in Senex’ Haus – von Pseudolus angestiftet – ebenfalls für Turbulenzen, die ihren Höhepunkt erreichen, als er als vermeintlich tote Jungfrau Philia vor Miles Gloriosus flieht, der die verstorbene Braut ein letztes Mal küssen will, wodurch er eine chaotische Verfolgungsjagd auslöst. Der amerikanische Bariton Kenneth Mattice gehört seit der Spielzeit 2014/2015 zum festen Musiktheater-Ensemble und ist hier als römischer Hauptmann Miles Gloriosus zu sehen, für mein Empfinden müsste er noch ein wenig an seiner Textverständlichkeit arbeiten. Werner Hahn taucht als römischer Bürger Erronius als Running Gag mit seiner aufblasbaren Gehhilfe immer wieder auf, wenn er eine weitere Runde um die sieben Hügel Roms gewandert ist, um einen von Pseudolus erfundenen Fluch zu brechen, der angeblich auf seinem Haus lastet.

Am Ende der zweieinhalbstündigen Aufführung bedachte das Premierenpublikum Darsteller und Kreative mit langanhaltendem Applaus, wem es gar nicht gefallen hat, der hatte womöglich schon zur Pause das Theater verlassen. „Die spinnen, die Römer!“ steht bis 18. März 2015 auf dem Spielplan des Theaters Hagen.

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