Buchbesprechung: „Route der Industriekultur“

Ein Themen-Reiseführer aus der Reihe explorise Ferienstraßen

Das Ruhrgebiet kommt den meisten Deutschen wohl nicht als erste touristische Adresse in den Sinn. Dabei hat die Region eine über 150 Jahre gewachsene Industriekultur zu bieten, die einzigartige Architektur und Kunst, Arbeitergeschichte und moderne Landschaftsplanung vereint. Mit nichts lässt sich der Pulsschlag des Ruhrgebiets besser erspüren als mit einer Reise entlang der 400 Kilometer langen Route der Industriekultur, die als touristische Themenstraße die „wichtigsten und touristisch attraktivsten“ Industriedenkmäler des Ruhrgebiets verbindet. Für sportlich Ambitionierte umfasst die Route der Industriekultur per Rad etwa 700 Kilometer Radwege. Aus Zechen, Fördertürmen, Gasometern und Halden sind beeindruckende Wahrzeichen, attraktive Kunsträume und Landschaftsparks entstanden. Die Route der Industriekultur bewahrt so das Erbe des Ruhrgebiets und weist zugleich den Weg in die Zukunft – hin zu lebenswerten und kulturell attraktiven Ballungsräumen. Zu den Attraktionen zählen 25 Ankerpunkte („Highlights der Industriekultur“), 17 Panoramen der Industrielandschaft und 13 bedeutende Wohn-Siedlungen verschiedener Epochen. Von den Ankerpunkten gehen zur Zeit 26 Themenrouten aus, auf denen die Besucher tiefer in die Materie eindringen und rund 1.000 Industrie- und Technik­denkmäler besuchen können. Die Route der Industriekultur ist jedoch nicht in Stein gemeißelt, regelmäßig überarbeitet der Regionalverband Ruhr die Stationen, im Mai 2013 kam mit der Route Nr. 26 „Sakralbauten“ eine gänzlich neue Themenroute hinzu.

Zeche Zollern II/IV, Maschinenhalle, Jugendstilportal

Die St. Antony-Hütte, 1758 in Oberhausen-Osterfeld gegründet, gilt als „Wiege der Ruhrindustrie“, in ihr liegen die Wurzeln des späteren GHH-Konzerns: Franz und Gerhard Haniel, Heinrich Arnold Huyssen und Gottlob Jacobi gründeten 1808 die Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen (JHH), die im Jahre 1873 in den Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb, Gutehoffnungshütte (GHH) umgewandelt wurde. 1803 baute Franz Dinnendahl in Essen-Burgaltendorf die erste Dampfmaschine im Ruhrgebiet, 1811 begründete Friedrich Krupp in Essen die Firma Friedrich Krupp zur Verfertigung des Englischen Gussstahls und aller daraus resultierenden Fabrikationen. 1839 wurde mit den Teuf­arbeiten für den Schacht Hercules der Zeche Nachtigall in Witten-Bommern begonnen, einer der ersten Tiefbauschächte des Ruhrreviers, um einige Höhepunkte der Industriealisierung im Ruhrgebiet zu nennen. Ende der 1950er Jahre begann jedoch mit der Kohlekrise eine Dauerkrise in der Montan­industrie, die in der Folgezeit zu Schließungen von Zechen, Hochöfen und Stahlwerken führte. 1969 wurde die Maschinenhalle der Zeche Zollern II/IV in Dortmund-Bövinghausen als erstes industrielles Bauwerk in der Bundesrepublik unter Denkmalschutz gestellt und damit ein gesellschaftlicher Wandel eingeläutet, wonach auch Industrieanlagen eine neue Wertschätzung und oft genug auch eine kreative Nutzung erfuhren. Am 14. Dezember 2001 wurde Zeche Zollverein Schacht XII und Schacht 1/2/8 sowie die Kokerei Zollverein schließlich als Gesamtensemble aus Zeche und Kokerei in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen, wodurch das ehemalige Steinkohlebergwerk weit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus als Industriedenkmal Bekanntheit erlangt hat. In Nordrhein-Westfalen gibt es aktuell nur noch drei aktive Steinkohle­bergwerke: Zeche Auguste Victoria in Marl, Bergwerk Ibbenbüren und Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop. Und spätestens mit dem Ende des subventionierten Steinkohlenbergbaus im Jahr 2018 wird auch dort die Förderung eingestellt. Im Zuge der Rekultivierung von Industriebrachen sind neue Parklandschaften wie der Landschaftspark Hoheward oder der Emscher Landschaftspark entstanden, und auswärtige Besucher sind immer wieder überrascht, wie viele Grünflächen im Ruhrgebiet anzutreffen sind, was besonders auf den Panoramen der Industrie­land­schaft ins Auge sticht.

Thomas-Konverter am Phoenix-See

Im Jahr 2012 startete der Grebennikov Verlag die Reiseführer-Reihe explorise Ferienstraßen. Die Themenserie erscheint in einem einheitlichen Design und Layout und wird jährlich um vier bis acht Titel ergänzt. Dabei deckt sie vielfältige Reisethemen und Reiserouten in Mitteleuropa ab. Der Reiseführer „Route der Industriekultur“ (Band 14 in der Serie explorise Ferienstraßen) begibt sich nun auf die Rundreise durch das Revier, nicht nach Themenrouten geordnet, sondern geografisch, beginnend in der Herzkammer Essen und durch weitere 23 Städte, darunter Bochum, Dortmund, Duisburg, Oberhausen und Mülheim an der Ruhr – in historische Arbeitersiedlungen und die Villen von Stahl­mag­naten, in Bergbau- und Industriemuseen, in Häfen und Schiffshebewerke, in Zechen und Landschaftsparks mit beeindruckenden Kunstinstallationen. Der Reiseführer gibt Anregungen und Hinweise zu ausgewählten Stationen auf der Route der Industriekultur, die man an vielen Wochenenden oder auch in manchem Urlaub kennenlernen kann. Wo möglich ist zur Vertiefung und für weiterführende Informationen die Homepage der ausgewählten Sehenswürdigkeit angegeben. Daneben bietet der Reiseführer auch Genuss-, Übernachtungs- und Veranstaltungs-Tipps. Kartenmaterial, auf dem ausgewählte technikgeschichtliche Museen und Erlebnisorte, bedeutende Siedlungen und Panoramen der Industrielandschaft eingetragen sind, rundet das Informationsangebot ab.

Cover: „Route der Industriekultur“
© Grebennikov Verlag

„Route der Industriekultur“ – Bewahrtes Erbe des Ruhrgebiets
explorise Ferienstraßen, Band 14
Autor: Dr. Gabriele Knoll
Sprache: Deutsch
236 Seiten, Paperback
Format: 12,6 × 20,8 × 1,4 cm
Erschienen im Grebennikov Verlag, Berlin
ISBN 978-3-941784-45-1

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