Musiktheater im Revier: „Die Hexen von Eastwick“

„Die Hexen von Eastwick“ – nach der Novelle „The Witches of Eastwick“ von John Updike und der gleichnamigen Warner Bros. Horrorkomödie; Musik: Dana P. Rowe; Gesangstexte, Buch: George Furth; Deutsche Bearbeitung: Roman Hinze; Inszenierung: Gil Mehmert; Choreografie: Kati Farkas; Musikalische Leitung: Jürgen Grimm; Ausstattung: Heike Meixner; Comiczeichnungen: FuFu Frauenwahl; Licht und Projektion: Gerrit Jurda; Dramaturgie: Juliane Schunke. Darsteller: Jeanette Claßen (Jane Smart, Musiklehrerin), Stefanie Dietrich (Alexandra Spofford, Bildhauerin), Anke Sieloff (Sukie Rougemont, Journalistin), Kristian Vetter (Darryl van Horne, Kunstsammler), Julian Culemann (Michael Spofford, Sohn von Alexandra), Gudrun Schade (Felicia Gabriel, Bürgermeisterin), Joachim Gabriel Maaß (Clyde Gabriel), Anna Preckeler (Jennifer Gabriel, Tochter von Felicia), Christian Hante (Fidel, Diener van Hornes), Sandra Pangl (Kleines Mädchen), Yara Hassan (Gina Marino), Wolf-Rüdiger Klimm (Joe Marino), Wiltrud Maria Gödde (Gretta Neff), Oliver Aigner (Raymond Neff), Jane Reynolds/Marika Carena (Marge Persley), Stefan Preuth (Reverend Ed Parsley), Léony Thoms (Brenda Parsley), Daniela Günther (Rebecca Barnes), Sergey Fomenko (Toby Bergman), Sabina Detmer, Svetlana Fomenko, Angelo Canonico, Mathias Kumer, Jakub M. Spocinski und Lucas Theisen (Bürger von Eastwick). Uraufführung: 18. Juli 2000, Theatre Royal, Drury Lane, London. Deutschsprachige Erstaufführung: 9. Juni 2012, Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen.



„Die Hexen von Eastwick“


Die Musical Comedy als deutschsprachige Erstaufführung am Musiktheater im Revier


Anke Sieloff (Sukie Rougemont), Kristian Vetter (Darryl van Horne), Jeanette Claßen (Jane Smart) und Stefanie Dietrich (Alexandra Spofford)
Foto: Pedro Malinowski


1987 verfilmte Regisseur George Miller die Novelle „The Witches of Eastwick“ von John Updike mit Jack Nicholson, Susan Sarandon, Cher und Michelle Pfeiffer in den Hauptrollen als Horrorkomödie, wodurch diese einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte. John Dempsey (Lyrics und Buch) und Dana P. Rowe (Musik) adaptierten den Roman für die Bühne, wo das von Cameron Mackintosh produzierte Musical in einer Inszenierung von Eric Schaeffer am 18. Juli 2000 im Theatre Royal, Drury Lane in London seine erfolgreiche Uraufführung erlebte und bis 27. Oktober 2001 gezeigt wurde. Nachdem „The Witches of Eastwick“ am 5. Juni 2007 am Signature Theatre in Arlington, Virginia Premiere hatte, erlebte eine neue Tournee-Version am 23. August 2008 am Theatre Royal, Norwich seine Premiere und wurde anschließend in 26 Städten im Vereinigten Königreich gezeigt. Diese Tournee-Version bildet die Basis für die deutschsprachige Erstaufführung der „Hexen von Eastwick“ am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen.

Szene „Schmutz und Unrat“: Ensemble
Foto: Pedro Malinowski


Ein kleines Mädchen lobt seine Heimatstadt Eastwick, eine biedere Kleinstadt in der amerikanischen Provinz. Hier kennt jeder jeden und Klatsch und Tratsch sind an der Tagesordnung. Der moralischen Bürgermeisterin Felicia Gabriel sind die drei geschiedenen Freundinnen Jane Smart, Sukie Rougemont und Alexandra Spofford sehr suspekt, die vom Leben in der Provinz gelangweilt sind. Während sie noch gemeinsam frustriert über ihren gegenwärtigen Beziehungsstatus sinnieren, trifft Alexandras Sohn Michael mit seiner Freundin Jennifer ein, die ausgerechnet die Tochter der Bürgermeisterin ist. Die drei Freundinnen beneiden die beiden um ihre junge Liebe, und so malen sie sich ihren Traummann aus. Der taucht auch prompt in Person eines charismatischen Fremden, dem Kunstsammler Darryl van Horne, bei einer Versammlung in der Kirche auf und erobert augenblicklich die versammelte Gesellschaft – mit Ausnahme von Felicia Gabriel, die um die Nistplätze der Silberreiher auf dem Anwesen des alten Lenoxhauses besorgt ist, das ihr der Fremde aus New York vor der Nase weggeschnappt hat. Nacheinander besucht Daryl van Horn die Musiklehrerin Jane Smart, die Journalistin Sukie Rougemont und die Bildhauerin Alexandra Spofford, und indem er ihre tiefsten Sehnsüchte ergründet, verführt er jede der drei Frauen. Erst als sie sich alle bei Darryl zum Tennisspielen treffen, realisieren sie, dass sie allesamt seinen Verführungskünsten erlegen sind und eine „ménage à quatre“ mit ihm haben. Doch da ist es längst zu spät, immer häufiger treffen sie sich bei Darryl, der sie in Schwarzer Magie unterrichtet und ihnen zeigt, wie sie ihre verborgenen Kräfte als Hexen noch ausbauen können. Auch die Männerwelt von Eastwick kann von Darryls Wissen profitieren, auf der Bowling-Bahn erklärt er, wie man eine Frau richtig befriedigt. Als er von Felicia Gabriel wegen des Lenoxhauses verklagt wird, hält er aus Rache mit den drei Hexen eine spiritistische Sitzung ab, in deren Verlauf Felicia alle möglichen Gegenstände ausspuckt, die die vier zuvor in eine Keksdose geworfen haben. Clyde Gabriel ist den ewigen Vorwürfen seiner Frau Felicia irgendwann überdrüssig, er konstatiert, dass es an der Zeit ist, einen Schlussstrich zu ziehen, erschlägt sie und begeht anschließend Selbstmord. Die mysteriösen Todesfälle erschüttern die gesamte Stadt, die Hexen bekommen Gewissensbisse und treffen sich fortan nicht mehr mit Darryl. Doch der hat in Jennifer Gabriel längst ein neues Opfer gefunden und führt sie sogar vor den Traualtar. Doch das geht den Hexen dann doch zu weit. Den Teufel, da sind sie sich einig, muss man wieder loswerden, und so befördern sie Darryl van Horne mit einem Voodoo Ritual dorthin zurück, wo er hergekommen ist. Doch ihre Affäre mit dem Teufel bleibt nicht ohne Folgen, am Ende stellen Alexandra, Jane und Sukie fest, dass sie ungewollt von Darryl van Horne schwanger sind.

Anke Sieloff (Sukie Rougemont), Jeanette Claßen (Jane Smart) und Stefanie Dietrich (Alexandra Spofford)
Foto: Pedro Malinowski


Regisseur Gil Mehmert arbeitet auch bei „Die Hexen von Eastwick“ – wie schon bei „Candide“ am Musiktheater im Revier (Premiere: 12. Oktober 2008) – mit Illustrator und Comiczeichner FuFu Frauenwahl zusammen und nutzt seine Trickfilme als Illustrationsebene, mit der die Darsteller auf der Bühne interagieren können. Mit 25 animierten Bühnenbildern, die FuFu Frauenwahl auf Grundlage der Handlung auf der Bühne als Comicstrip erstellt hat, setzt Gil Mehmert ohne falsche Opulenz auf eine temporeiche Inszenierung und schnelle Szenenwechsel. Wie in vorangegangenen Inszenierungen des Stücks baut auch Gil Mehmert auf leichte Unterhaltung, die beim Publikum jedenfalls bestens ankommt. Kati Farkas, die in Gelsenkirchen beinahe schon zum Ensemble gehört (O-Ton Michael Schulz, Generalintendant), hat mit den Darstellern eine schwungvolle, ansprechende Choreografie zu Dana P. Rowes Partitur erarbeitet, die die Bühne in Szenen wie „Schmutz und Unrat“ und insbesondere „Tanz mit dem Teufel“ zum Kochen bringt. Der bereits aus der Uraufführung am Londoner West End bekannte Flug der Hexen im ersten Akt ist in Gelsenkirchen „ganz großes Kino“, die Illusion der Videoprojektion ist in Verbindung mit den im Wind wehenden Kleidern perfekt. Das Bühnenbild von Heike Meixner, das einem zu Beginn der Vorstellung mit einer großen Treppe am linken Bühnenrand, zwei Bäumen rechts und links und einem sechseckigen Gebilde in der Bühnenmitte ein wenig bescheiden vorkommt, stellt sich aber als ausgesprochen vielseitig heraus und kann sehr viel mehr, als man auf den ersten Blick erwarten mag.

Szene „Tanz mit dem Teufel“: Kristian Vetter (Darryl van Horne), Julian Culemann (Michael Spofford) und Ensemble
Foto: Pedro Malinowski


Neben Mezzosopranistin Anke Sieloff (Sukie Rougemont), die seit der Spielzeit 1993/94 als festes Ensemblemitglied am Musiktheater im Revier engagiert ist und mit „Die Hexen von Eastwick“ ins geliebte Musicalfach zurückkehrt, spielen Jeanette Claßen (Jane Smart) und Stefanie Dietrich (Alexandra Spofford) als Gäste am MiR die drei Hexen, die sich zu wahren Meisterinnen ihres Faches entwickeln und Kristian Vetter in Gestalt von Darryl van Horne nicht entkommen lassen. Mit ihrer Darstellung können Anke Sieloff, Jeanette Claßen und Stefanie Dietrich die unterschiedlichen Charaktere der drei Frauentypen glaubhaft herausarbeiten, gesanglich harmonieren sie sowohl in Terzetten wie „Er sei mein“ („Make Him Mine“) als auch im Duett oder Quartett mit Kristian Vetter. Als kleines „Bonbon“ kann Anke Sieloff mit ihrer klassischen Tanzausbildung in ihrer Verführungsszene eine Spitzentanzchoreografie präsentieren. Der Däne Kristian Korsholm Vetter gibt den diabolischen Verführer mit teilweise leicht rauer Stimme, bereits bei seinem ersten Auftreten in der Kirche gibt er unmissverständlich und mit Nachdruck zu verstehen, dass er die Ordnung in Eastwick umkrempeln wird. Anna Preckeler (Jennifer Gabriel) und Julian Culemann (Michael Spofford) sind mit ihrer Pop-Ballade „Etwas“ als junges romantisches Liebespaar zu sehen, das sich nach einigen Eskapaden am Ende doch wieder findet. Die beiden Studierenden der Folkwang Universität der Künste lassen die Entwicklung der unschuldig Liebenden, die den Verführungsküsten Darryl van Hornes erliegen, glaubhaft nachvollziehen. Gudrun Schade führt als moralische Bürgermeisterin Felicia Gabriel ein strenges Regiment, als „Schreckschraube“ wettert sie gegen Sünde und Sittenverfall, da hat auch Joachim Gabriel Maaß als ihr leidgeprüfter Gatte Clyde nicht viel zu lachen, die Zuschauer dagegen umso mehr, als er zum Feuerhaken greift und den erwähnten Schlussstrich zieht. Sandra Pangl kommt als naives kleines Mädchen – „Die Unschuld vom Lande“ – angesichts der mysteriösen Vorkommnisse in Eastwick aus dem Staunen nicht mehr heraus … wie das Publikum angesichts der aufwändigen Inszenierung und der überzeugenden Leistung des gesamten Ensembles.

Kristian Vetter (Darryl van Horne), Anke Sieloff (Sukie Rougemont), Jeanette Claßen (Jane Smart) und Stefanie Dietrich (Alexandra Spofford)
Foto: Pedro Malinowski


Das Premierenpublikum bedankte sich mit euphorischem, minutenlangem Stehapplaus für eine kurzweilige, absolut unterhaltsame deutschsprachige Erstaufführung von „Die Hexen von Eastwick“, das in der laufenden Spielzeit noch für vier weitere Vorstellungen am 15. und 23. Juni sowie am 7. und 8. Juli 2012 auf dem Spielplan des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen steht und in der neuen Spielzeit 2012/2013 am 7. Oktober 2012 wiederaufgenommen wird.

Kommentare