Die Csárdásfürstin

„Die Csárdásfürstin“ – Operette in 3 Akten von Emmerich Kálmán; Libretto: Leo von Stein und Béla Jenbach; Neue Dialogfassung: Michael Sturminger; Musikalische Leitung: Stefan Soltesz; Inszenierung: Michael Sturminger; Bühne und Kostüme: Renate Martin und Andreas Donhauser; Choreographie: Craig Revel Horwood. Darsteller: u.a. Bea Robein (Sylva Varescu, „Csárdásfürstin“), Reinhard Brussmann (Leopold Maria, Fürst von und zu Lippert-Weylersheim), Ute Zehlen (Anhilte, seine Frau), Peter Bording (Edwin Ronald, beider Sohn), Astrid Kropp-Menéndez (Komtesse Stasi, Nichte des Fürsten), Albrecht Kludszuweit (Benjamin Koppstein, genannt Boni), Mark Weigel (Obersturmbannführer Eugen von Rohnsdorff), Günter Kiefer (Feri von Kerekes, genannt Feri Bácsi), Thomas Sehrbrock (Notar Kiss), Karl-Ludwig Wissmann (Kellner), Frédéric Buhr (Postbote und Fluchthelfer), Jan Nicolas Bastel, Joeri Burger, Ivaldo de Castro, Pavlína Cerná, Michelle Escaño, Debora Formica, Maik Heinze, Justo Moret Ruiz, Gilda Rebello, Claudio Gustavo Romero, Heather Shockley, Karin van Sijda (Tänzer, Personal und Besucher im Varieté in Budapest, im Palais in Wien, Flüchtlinge im geschlossenen Varieté). Uraufführung: 17.11.1915, Johann-Strauß-Theater, Wien. Premiere: 20.03.2010, Aalto-Theater Essen. Die Csárdásfürstin Gesellschaftlich unmögliche Liebesgeschichte im Zweiten Weltkrieg Der ungarische Komponist Emmerich Kálmán wurde am 24. Oktober 1882 als Imre Koppstein in Siófok am Plattensee geboren. 1892 änderte er seinen Nachnamen bei der Aufnahmeprüfung ins Budapester Evangelische Gymnasium in Kálmán. Der Name Kálmán ist ungarisch-türkischen Ursprungs und bedeutet „der Rest, der Überlebende“. Emmerich Kálmán wollte ursprünglich Pianist werden, wandte sich aber ab 1900 aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend juristischen Studien zu, vollendete jedoch auch seine musikalische Ausbildung in der Kompositionsklasse von Hans Koessler an der Landesmusikakademie Budapest. 1908 übersiedelte er von Budapest nach Wien. Zusammen mit Franz Lehár, Leo Fall und Ralph Benatzky ist er einer der Begründer der Silbernen Operettenära. Mit seinen Werken „Die Csárdásfürstin“ (1915), „Gräfin Mariza“ (1924) und „Die Zirkusprinzessin“ (1926) wurde er einer der berühmtesten Operettenkomponisten. 1933 wurde Emmerich Kálmán als Jude von den Nationalsozialisten in Deutschland auf die Liste der unerwünschten Komponisten gesetzt. 1938 lässt Adolf Hitler nach dem Anschluss Österreichs Emmerich Kálmán wissen, dass er zum „Ehrenarier“ ernannt werden könne. Kálmán wollte diese „Ehre“ jedoch nicht, er verließ mit seiner Frau Vera Makinskaya und seinen Kindern Charles, Elisabeth und Yvonne Wien und Österreich und emigrierte über Zürich zunächst nach Paris, von dort 1940 in die Vereinigten Staaten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Europa zurück und ließ sich in Paris nieder, wo er am 30. Oktober 1953 gestorben ist. „Es lebe die Liebe“ war der ursprüngliche Titel der Operette, die dann als „Die Csárdásfürstin“ am 17. November 1915 zunächst in Wien und 1916 in Budapest vorgestellt wurde. Die Handlung ist ursprünglich in Budapest und Wien im Jahr 1915 nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges angesiedelt, Regisseur Michael Sturminger lässt das Stück jedoch 25 Jahre später im Zweiten Weltkrieg spielen. Dafür hat er auch die Dialoge neu verfasst, die Gesangstexte aber unverändert übernommen. Die in seiner Interpretation jüdische Varieté-Sängerin Sylva Varescu (Bea Robein) will aufgrund der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten mit dem Impressario Boni (Albrecht Kludszuweit) in die Vereinigten Staaten emigrieren. Fürstensohn Edwin (Peter Bording) liebt sie jedoch leidenschaftlich.
Peter Bording (Fürstensohn Edwin) und Bea Robein (Sylva Varescu); Foto: Harald Reusmann
Um sie zum Bleiben zu bewegen, gibt Edwin Sylva in seiner Verzweiflung vor Freunden ein bindendes Eheversprechen. Sylva erfährt jedoch von den Plänen seiner Eltern, Edwin mit seiner Cousine Komtesse Stasi (Astrid Kropp-Menéndez) zu vermählen, und bleibt nach Edwins Abreise enttäuscht zurück. Im 2. Akt treffen 8 Wochen später anlässlich des arrangierten Verlobungsfestes von Edwin und Stasi im Wiener Palais des Fürsten Lippert-Weylersheim Edwin und Sylva unter dem Pseudonym „Contessa Visconti“ wieder aufeinander, und obwohl Obersturmbannführer Eugen von Rohnsdorff (Mark Weigel) über ihre Herkunft hinwegsehen will, gibt Sylva ihre wahre Identität preis, zerreißt das von Edwin gegebene Eheversprechen und gibt ihn frei.
Albrecht Kludszuweit (Boni) und Astrid Kropp-Menéndez (Komtesse Stasi); Foto: Harald Reusmann
Im 3. Akt überstürzen sich schließlich die Ereignisse. Die Nationalsozialisten unter Obersturmbannführer Rohnsdorff spüren Sylva, Boni und eine Gruppe von Zigeunern und Juden, die auf ihre Ausreise nach Amerika warten, im mittlerweile geschlossenen Varieté-Theater in Budapest auf.
Albrecht Kludszuweit (Boni), Mark Weigel (Eugen von Rohnsdorff), Bea Robein (Sylva Varescu) und Günter Kiefer (Feri Bácsi); Foto: Harald Reusmann
Nach einer schweren Auseinandersetzung hält aber auch die Fassung von Michael Sturminger die bekannte Zusammenführung der Liebenden bereit: Der Leutnant der Wehrmacht Edwin darf die jüdische Künstlerin Sylva heiraten, und die arische Komtesse Stasi den jüdischen Impressario Boni. Intendant und Generalmusikdirketor Stefan Soltesz, der selbst aus Ungarn stammt und in Wien aufgewachsen ist, und damit einen besonderen Bezug zur ausgesprochen vielseitigen Partitur Emmerich Kálmáns hat, ließ es sich am Premierenabend nicht nehmen, die Essener Philharmoniker selbst durch selbige zu leiten und sorgte für das gewohnt hohe musikalische Niveau. Es wäre eine Schande, wenn die Essener Philharmoniker den angekündigten Einsparplänen der Stadt Essen zum Opfer fielen. Die Walzerchoreografien im 2. Akt wirkten am Premierenabend bei einigen Tanzpaaren noch ein wenig holprig und gehetzt. Aber wahrscheinlich hat Choreograph Craig Revel Horwood durch seinen Hinweis in der Einführungsmatinee auf die hohen Anforderungen geradezu die Aufmerksamkeit auf dieses Detail gelenkt, und den „unvorbelasteten“ Zuschauern ist dies gar nicht aufgefallen. Die historischen Kostüme stammen nach Aussage der für Bühne und Kostüme Verantwortlichen zu großen Teilen aus dem Fundus des Aalto-Theaters und brauchten daher nicht extra für diese Produktion neu geschneidert zu werden. Der Geschäftsführer wird sich über die eingesparten Kosten freuen, und das Publikum hätte es nicht einmal bemerkt, stünde es nicht im Programmheft.
Albrecht Kludszuweit (Boni), Günter Kiefer (Feri Bácsi) und Ensemble; Foto: Harald Reusmann
Dass einige Besucher mit einer mit derartigem Konfliktpotenzial versehenen Neuinterpretation ihre Schwierigkeiten haben würden, war fast zu erwarten. So gab es dann nach zustimmendem Applaus für Darsteller und Musiker auch Buhrufe und Pfiffe aus dem Publikum für die Inszenierung. Wer eine heitere unbekümmerte Abendunterhaltung erwartet hatte, wurde womöglich durch den ernsten geschichtlichen Hintergrund der Neuinterpretation enttäuscht.
Bea Robein (Sylva Varescu), Peter Bording (Fürstensohn Edwin) und Mark Weigel (Eugen von Rohnsdorff); Foto: Harald Reusmann
Stefan Soltesz hat bereits Erfahrung mit Inszenierungen, die beim Publikum auf geteilte Gegenliebe stoßen: Am 29. Dezember 1999 stand er bei der Premiere der „Csárdásfürstin“ in der Inszenierung von Peter Konwitschny am Pult der Dresdener Semperoper, aus der einige Szenen, die am Premierenabend den heftigsten Unmut bei einem kleinen Teil des Publikums hervorgerufen hatten, daraufhin gestrichen wurden. Es kam zum Eklat, und schließlich sorgte sogar das OLG Dresden dafür, dass das Stück wieder in der originalen Version von Peter Konwitschny gezeigt wurde. Und so prognostizierte GMD Soltesz einen weiteren Erfolg für die „Csárdásfürstin“, denn wer im Aalto-Theater beim Schlussapplaus keine Buhrufe und Pfiffe bekomme, der habe in Essen keinen Erfolg. Emmerich Kálmáns jüngste Tochter Yvonne, die am Premierenabend als unermüdliche Botschafterin im Dienste der Musik ihres Vaters zu den Gästen zählte, zeigte sich ebenfalls von der Qualität der Aufführung überzeugt.

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