Ausgewählt. Vormoderne im Ruhr Museum

Sonderausstellung in der Galerie des Ruhr Museums

Kopf einer Heiligen (Maria?), Westfalen, 1. Hälfte 15. Jh., Fundort: Steinbruch in Essen-Steele-Horst

Vom 14. Oktober 2013 bis zum 27. April 2014 zeigt das Ruhr Museum in seiner Galerie die Ausstellung „Ausgewählt. Vormoderne im Ruhr Museum“. „Ausgewählt“ wurden etwa 300 Exponate aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit mit einem Entstehungszeitraum zwischen dem 5. und 18. Jahrhundert. Gegliedert ist die Ausstellung in 12 Kapitel, die die Bandbreite der vormodernen Sammlung widerspiegelt. Sie umfasst zum Beispiel unter FUNDSTÜCKE vor allem archäologische Funde. Die KUNST- und PRUNKSTÜCKE versammeln die wertvollsten Schätze des Museums. Bücher und Gemälde findet man unter der Kategorie GLAUBENSDINGE. Aber auch LUSTOBJEKTE und STREITROBJEKTE sind Teil des Kaleidoskops der vormodernen Geschichte.

Anna Selbdritt, Köln, um 1470/1480

Mit der Ausstellung setzt das Ruhr Museum die Reihe der Präsentationen seiner eigenen Sammlungen fort, die 2011 mit der Ausstellung „Von A bis Z“ mit der Fotografischen Sammlung begonnen hat und in den nächsten Jahren mit der mineralogischen und geologischen, der archäologischen und der industriegeschichtlichen Sammlung fortgeführt werden.

Taufstein, Nordwestdeutschland, Anfang 17. Jh.

Dabei gehört die vormoderne Sammlung zu den ältesten Sammlungen des Ruhr Museums. Sie wurde in über 100 Jahren zusammengetragen. Ihre Geschichte geht zurück auf die Gründung des Museums, als sich die Bürger der Stadt Essen anschickten, die Relikte einer durch die Industrialisierung bedrohten Welt zu sammeln und sich ihrer Traditionen und Identitäten zu vergewissern. Insofern ist die vormoderne Sammlung zumindest in ihren Ursprüngen auch die regionalste bzw. die lokalste Sammlung des Museums. Sie verbindet sich am ehesten mit dem Begriff „Heimat“, vermittelt Vertrautheit und Zugehörigkeit und wurde jahrzehntelang im „Ruhrland- und Heimatmuseum“ der Stadt Essen gezeigt.

Taufstein, Nordwestdeutschland, Anfang 17. Jh., Detail: Bischof mit Mitra

In gewisser Weise ist die vormoderne Sammlung auch die fremdeste des Museums. Sie beinhaltet Objekte, die durch die zeitliche Distanz zu ihrem Ursprung, ihrer Funktion und ihrem Bedeutungszusammenhang nicht mehr vertraut sind und den Charakter von ethnologischen Stücken annehmen, als Zeugnisse von nicht räumlich, aber zeitlich weit entfernten Kulturen. Damit verkörpert die vormoderne Sammlung die beiden kategorialen Möglichkeiten des Museums zugleich: Sie ist Identifikationsangebot und Heterotop in einem.

Wachsreliefs des Ehepaares Gottschalk Diedrich und Elisabeth Baedeker, Essen (?), 2. Hälfte 18. Jh.

Die vormoderne Sammlung ist aber auch die heterogenste des Museums. Sie spiegelt die wechselhafte, über einhundertjährige Geschichte des Museums wider, wurde nur in kurzen Phasen systematisch zusammengetragen, hat die vielleicht größten Verluste des Museums verkraften müssen und wurde vor allem im Zweiten Weltkrieg stark dezimiert. Deshalb existieren nur in geringem Maße geschlossene Konvolute, systematische Reihen oder sinnvolle Vergleichsstücke. In den meisten Fällen handelt es sich um Einzelstücke, diese aber aus unterschiedlichsten Gattungen, Genres, Funktions- und Gebrauchszusammenhängen vom Frühmittelalter bis zum Ende der Frühen Neuzeit am Vorabend der Industrialisierung.

Portrait einer Frau mit Buch und Totenschädel, Nachfolge Bartholomäus Bruyn d. Ä., 2. Hälfte 16. Jh. (?)

Und schließlich ist die vormoderne Sammlung eine der wertvollsten des Ruhr Museums. Dies liegt zum einen am materiellen und kunst- oder kulturhistorischen Wert der einzelnen Stücke, es gilt aber auch im übertragenen Sinne. Seitdem sich der Blick auf die Regionalgeschichte des Ruhrgebiets in immer stärkerem Maße über die Zeit der Industrialisierung hinaus auf weiter entfernte Epochen ausdehnt, ist die vormoderne Sammlung zunehmend ein Nukleus für neue Fragestellungen. Das Ruhr(land)Museum hat in zahllosen Sonderausstellungen zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten und in seiner Dauerausstellung auf Zollverein diese Zeit immer wieder thematisiert: die Ausstellungen „Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet“, „Die Mauer der Stadt. Essen vor der Industrie“, „Das Jahrtausend der Mönche. KlosterWelt Werden 799 bis 1803“, „Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern“ im Ruhrlandmuseum und zuletzt „Gold vor Schwarz. Der Essener Domschatz auf Zollverein“ im Ruhr Museum auf Zollverein. Indem nun die zentralen Objekte der eigenen Bestände in ihrem kulturgeschichtlichen Kontext vorgestellt werden, führt die Ausstellung „Ausgewählt“ diese Tradition fort.

Mörser, Aachen, Werkstatt van Trier, dat. 1627

Der Katalog zu dieser Ausstellung ist im Verlag der Buchhandlung Walther König erschienen. Er umfasst 300 Seiten mit 150 Abbildungen und kostet exklusiv im Museumsshop 19,80 Euro, sonst 29,95 Euro.

Renaissanceschrank, Rheinland oder Niederlande, dat. 1628

Kaminplatte mit allegorischer Darstellung der Hoffnung, Westdeutschland, verm. Siegerland, dat. 1662

Kleiner Erdglobus, Spanien (?), 2. Hälfte 18. Jh.

Brauttruhe, Nordwestdeutschland (Westfalen?), dat. 1764, Inschriftbalken, Nordwestdeutschland, dat. 1737

Die Ausstellung ist bis 27. April 2014 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 3 EUR, ermäßigt 2 EUR, für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren ist der Eintritt frei. Am 24., 25. und 31. Dezember ist das Ruhr Museum geschlossen.

Amputationssäge, Solingen (?), Anfang 18. Jh., Steinschlosspistole aus der Essener Manufaktur W. A. Brockhoff, 18. Jh., „Die heutige Kriegs-Disciplin“, Johann Sebastian Gruber, Augsburg, 1797

Parallel ist auf der 12 m Ebene der ehemaligen Kohlenwäsche noch bis 30. März 2014 die große Ausstellung „Kohle.Global“ zu sehen.

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