„FRIEDRICH – Mythos und Tragödie“

„FRIEDRICH – Mythos und Tragödie“ – nach der Biografie von Friedrich II.; Musik: Dennis Martin, Marc Schubring; Liedtexte, Buch: Wolfgang Adenberg, Christoph Jilo und Dennis Martin; Inszenierung: Holger Hauer; Choreografie: Doris Marlis; Musikalische Einstudierung: Christoph Boenecker; Bühnenbild: Christoph Weyers; Kostüme: Ute Carow; Licht: Rüdiger Benz. Darsteller: Chris Murray (Friedrich der Große), Tobias Bieri (Kronprinz Friedrich), Maximilian Mann (Hans Hermann von Katte), Elisabeth Hübert (Wilhelmine von Preußen), Heiko Stang (Friedrich Wilhelm I.), Isabel Trinkaus (Anna Karolina Gräfin Orzelska), Petter Bjällö (Sachsenkönig August der Starke), Léon van Leeuwenberg (Voltaire), Patricia Hodell (Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg), Andreas Goebel (Friedrich Wilhelm von Grumbkow), Christian Theodoridis (Reichsgraf Friedrich Heinrich von Seckendorff), Stephan R. Przywara (Biograph), Guido Breidenbach, Maximilian Klakow, Michael Knese, Lutz Standop, Kevin Hudson (Dance Captain), Markus Wegner, Tamina Ciskowski, Tina Haas, Nadja Weise, Juliane Maria Wolff (Mätressen), Katrin Lièvre, Casper Krzysch (Friedrich als Kind), Frieda Helene Fischer (Wilhelmine als Kind), Michael Klose (Alter Dessauer), Thomas Ernst, Christian Münchhoff, Peggy Colditz, Sophia Duda, Juliane Hundt, Maxi Kerber, Anna-Lena Panten. Uraufführung: 1. Juli 2012, Metropolis Halle, Potsdam.



„FRIEDRICH – Mythos und Tragödie“


Der „Erste Diener des Staates“ auf der Musicalbühne


Nach „Bonifatius – Das Musical“ (Uraufführung am 3. Juni 2004 im Schlosstheater Fulda), „Elisabeth – Die Legende einer Heiligen“ (Uraufführung am 7. Juli 2007 im Landestheater Eisenach) und „Die Päpstin – Das Musical“ (Uraufführung am 3. Juni 2011 im Schlosstheater Fulda) aus dem kirchenhistorischen Umfeld nahm die spotlight Musicalproduktion GmbH in diesem Jahr den 300. Geburtstag von Friedrich II. (* 24. Januar 1712 in Berlin, † 17. August 1786 in Potsdam), auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt, zum Anlass, sein Leben zum Ausgangspunkt für ihr neues Musical am Originalschauplatz zu machen. Als Kronprinz musste er wie seine ältere Schwester Wilhelmine die brutalen Erziehungsmethoden seines Vaters Friedrich Wilhelm I. – dem „Soldatenkönig“ – erdulden. Beide teilten – mit Förderung ihrer Mutter Sophie Dorothea von Hannover – das Interesse für die Musik und die Wissenschaft und hatten eine außergewöhnlich enge Beziehung, die bis zu Wilhelmines Tod am 14. Oktober 1758 anhielt. Die Kinder verbündeten sich gegen den Vater, der den Sohn zu seinem Ebenbild formen wollte. 1728 lernte der Kronprinz bei einem Aufenthalt am Hof des Sachsenkönigs August des Starken in Dresden Anna Karolina Gräfin Orzelska kennen, eine illegitime Tochter Augusts des Starken, ihre gemeinsame Vorliebe zur Literatur, Philosophie und Musik führte zu einer lebenslangen Freundschaft. Wann sich Friedrich II. und Leutnant Hans Hermann von Katte zum ersten Mal begegneten, ist nicht bekannt. Als sie 1729 gemeinsam an Mathematik- und Mechanik-Unterricht teilnahmen, kamen sie sich rasch näher und der acht Jahre ältere Hans Hermann von Katte wurde Freund und Vertrauter Friedrichs. Nach einem missglückten Fluchtversuch Friedrichs aus seinem Reisequartier bei Steinsfurt wurde Hans Hermann von Katte, dem Friedrich seine Pläne für eine Flucht nach England offenbart hatte, auf ausdrücklichen Befehl von Friedrich Wilhelm I. als „Komplotteur“ vor Friedrichs Augen am 6. November 1730 in der Festung von Küstrin hingerichtet. Friedrich II. und Hans Hermann von Katte wird eine homosexuelle Beziehung nachgesagt, und das Todesurteil als Rache Friedrich Wilhelm I. an dem „Verführer“ seines Sohnes angesehen. Kronprinz Friedrich und Wilhelmine, die als Teilhaberin im Freundestrio der Mitwisserschaft eines „Desertions-Komplottes“ verdächtigt wurde, blieben zwar verschont, aber sie trugen ihr Leben lang am tragischen Schicksal ihres Freundes durch ihren eigenen Vater. Am 12. Juni 1733 heiratete Friedrich die ungeliebte, zeitlebens von ihm entfernt lebende Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern und verbrachte die Jahre von 1736 bis 1740 in Schloss Rheinsberg. Friedrich korrespondierte mit dem Schriftsteller und Philosophen Voltaire, der 1740 für zwei Wochen als Gast auf Schloss Rheinsberg weilte. Als sich Voltaire vom 10. Juni 1750 bis 26. März 1753 in Potsdam aufhielt, kam es zum Zerwürfnis zwischen beiden, das für dauerhafte Verstimmungen sorgte. Am 31. Mai 1740 bestieg Friedrich II. nach dem Tod seines Vaters den Thron, und es begann seine widersprüchliche Herrschaft. Seine kriegerische Ruhmessucht kostete einer halben Million Menschen das Leben. Friedrich II. war an Kunst in jeder Form interessiert, er spielte selbst Querflöte und komponierte auch. Zu seinen „Verdiensten“ zählen die Religionsfreiheit („Jeder soll nach seiner Façon selig werden“, was aber nicht uneingeschränkt für alle Ausrichtungen galt), oder die allgemeine Schulpflicht, wenngleich zu seiner Zeit die Lehrer selbst nur lückenhaft lesen, schreiben und rechnen konnten und noch lange nach Friedrichs Tod war jeder zweite Preuße Analphabet. Aber auch so „banale“ Dinge wie die Einführung der Kartoffel als Lebensmittel. Noch heute wird gerätselt, wie Friedrichs Auftreten zwischen militärischem Heldentum, feingeistigem Philosophieren und despotischer Menschenfeindlichkeit einzuordnen ist. Schon im 18. Jahrhundert bestand Klarheit, dass Friedrichs Charakter nur vor dem Hintergrund des schwierigen Verhältnisses zu seinem Vater zu verstehen ist.

Grabplatte Friedrichs II. auf der Terrasse von Schloss Sanssouci


Das Leben Friedrich des Großen
24. Januar 1712
Friedrich wird im Berliner Stadtschloss als Sohn von König Friedrich Wilhelm I. und Sophie Dorothea von Hannover geboren
1716 – 1727
Friedrich wird von Jacques Égide Duhan de Jandun unterrichtet
1728
heimlicher Flötenunterricht bei Johann Joachim Quantz
Aufenthalt am Hof des Sachsenkönigs August des Starken in Dresden
4./5. August 1730
Friedrichs Fluchtversuch nach England, um sich der strengen Erziehung seines Vaters zu entziehen, scheitert
1730/1731
Festungshaft in Küstrin
6. November 1730
Hinrichtung seines Vertrauten Hans Hermann von Katte in Küstrin
November 1731
Wiederaufnahme in die Armee
12. Juni 1733
Friedrich heiratet im Schloss Salzdahlum Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern
1736
Umzug des Kronprinzenpaares nach Rheinsberg
Beginn der Korrespondenz mit Voltaire
31. Mai 1740
Friedrich II. wird Kurfürst von Brandenburg und König in Preußen
11. Dezember 1740 – 28. Juli 1742
Erster Schlesischer Krieg, Beendigung durch den Frieden von Berlin, Preußen gewinnt Schlesien
August 1744 – 25. Dezember 1745
Zweiter Schlesischer Krieg, der Frieden von Dresden garantiert Friedrich II. den preußischen Besitz von Schlesien
14. April 1745 – 1. Mai 1747
Errichtung von Schloss Sanssouci
10. Juni 1750 – 26. März 1753
Voltaire in Berlin und Potsdam
1752
Friedrich II. verfasst sein erstes Politisches Testament
24. März 1756
mit dem „Kartoffelbefehl“ wird allen preußischen Beamten befohlen, sämtlichen Untertanen den Kartoffelanbau „begreiflich zu machen“
29. August 1756 – 15. Februar 1763
Siebenjähriger Krieg (Dritter Schlesischer Krieg)
5. November 1757
Sieg in der Schlacht bei Rossbach
5. Dezember 1757
Sieg in der Schlacht bei Leuthen
12. August 1759
Niederlage in der Schlacht bei Kunersdorf
5. Mai 1762
„Das Mirakel des Hauses Brandenburg“: Zar Peter III. schließt mit Friedrich II. den Friedens- und Bündnisvertrag von Sankt Petersburg
15. Februar 1763
Die Friedensverträge zwischen Preußen, Österreich und Sachsen werden auf dem sächsischen Schloss Hubertusburg unterzeichnet
1763 – 1769
Errichtung des Neuen Palais
1768
Friedrich der Große verfasst sein zweites Politisches Testament
5. August 1772
Erste Teilung Polens, Westpreußen fällt an Preußen, Friedrich II. darf sich fortan „König von Preußen“ nennen und nicht nur „König in Preußen“
3. Juli 1778 – 13. Mai 1779
Bayrischer Erbfolgekrieg ohne größere Gefechte („Kartoffelkrieg“/“Zwetschkenrummel“)
1785
Preußen schließt sich mit Hannover und Sachsen zum Drei-Kurfürstenbund zusammen,
Handels- und Freundschaftsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika, Festlegung der humanen Haft für Kriegsgefangene
17. August 1786
Friedrich II. stirbt in Schloss Sanssouci in Potsdam
Schloss Sanssouci

Das Musical „FRIEDRICH – Mythos und Tragödie“ rückt das konfliktreiche Vater-Sohn-Verhältnis und das aus Sicht der Musicalautoren resultierende Trauma Friedrichs in den Fokus der Handlung. Diese beginnt mit der Schlacht bei Kunersdorf während des Siebenjährigen Krieges am 12. August 1759, angesichts dessen Niederlage Friedrich II. in Depression verfiel. Die Biografie von Friedrich dem Großen wird nicht chronologisch fortlaufend erzählt, sondern Hans Hermann von Katte erscheint Friedrich als Trugbild, als er in Todeserwartung seine Biografie niederschreiben lässt, und beginnt eine Unterhaltung, während der sich der gealterte König von Preußen an seine Jugendjahre erinnert. Der soldatische Drill seines Vaters wird ebenso thematisiert wie das Interesse für die Musik und die Wissenschaft, die er mit seiner Schwester Wilhelmine teilt. Auf Einladung des Sachsenkönigs August des Starken begleiten die Geschwister ihren Vater an den für seine ausschweifenden Feste berüchtigten Dresdener Hof, um dort einige Wochen zu verbringen. Die kulturbegeisterte, extravagante Gesellschaft schätzt Friedrichs Musiktalent, seine Bildung und Redegewandtheit, die junge Gräfin Orzelska schätzt dagegen ganz andere Qualitäten an Friedrich und verführt ihn. Hans Hermann von Katte, der die Geschwister auf Geheiß ihres Vaters in Dresden beaufsichtigen soll, findet Gefallen an Wilhelmine, im weiteren Verlauf der Handlung entwickelt sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden. Nach Berlin zurückgekehrt, setzt sich Friedrich zunehmend gegen die Tyrannei seines Vaters zur Wehr, was den „Soldatenkönig“ derart provoziert, dass er ihn schließlich vor versammelter Truppe benahe zu Tode prügelt. Zusammen mit seinem Freund Hans Hermann von Katte beschließt Friedrich daraufhin die Flucht aus Preußen.

Das Vorhaben scheitert, Friedrich wird gefasst und eingekerkert. Sein Vater begreift den Fluchtversuch als Desertion und Hochverrat und lässt seinem Zorn freien Lauf. Aus einem Brief, den ihm der korrupte Minister Grumbkow zuspielt, erfährt er von der Beteiligung von Friedrichs Freund Hans Hermann von Katte an dem Komplott, und so sieht er die Möglichkeit, seinen Sohn ein für alle Mal zu brechen, indem er die Hinrichtung seines besten Freundes vor dem Zellenfenster Friedrichs anordnet, die dieser mit anzusehen hat. Die Erinnerung an die Hinrichtung seines besten Freundes ist für Friedrich II. unerträglich, und so fährt er stattdessen in seiner Erzählung mit vermeintlich strahlenden Momenten seines Lebens fort: der Krönung zum König nach dem Tod seines Vaters und dem für Preußen erfolgreichen Ersten Schlesischen Krieg nach der Krönung Maria Theresias zur Kaiserin. Jahre später lässt sich Friedrich II., der zwischenzeitlich zu einem ruhmreichen Feldherrn aufgestiegen ist, in seinem neu erbauten Schloss Sanssouci feiern, hier umgibt er sich mit den größten Künstlern und Denkern seiner Zeit, darunter der berühmte Philosoph Voltaire, den Friedrich II. als Kammerherr beschäftigte. Als seine Schwester Wilhelmine, die zwischenzeitlich mit Friedrich von Brandenburg-Bayreuth verheiratet ist, zu Besuch kommt und ihm den Spiegel vorhält, reagiert Friedrich II. mit übermäßiger Wut, er ist zu einem Ebenbild seines Vaters geworden. In dem darauffolgenden Siebenjährigen Krieg versucht er, seinen inneren Schmerz mit Gewalt zu betäuben, was ihm aber nicht gelingt und ihn so endgültig zu einem gebrochenen Mann werden lässt. Im Tod lässt sich Friedrich ein letztes Mal mit dem traumatischen Bild seines Lebens konfrontieren und stirbt einsam, aber erlöst in den Armen seines Wahn- und Trugbildes Hans Hermann von Katte.

Holger Hauer, Ulrike Frank und Marc Schubring, umrahmt von Mitgliedern der Potsdamer Riesengarde Lange Kerls e. V.

Den Autoren Wolfgang Adenberg, Christoph Jilo und Dennis Martin (Buch und Liedtexte) kam es offensichtlich nicht auf eine exakte Wiedergabe der historischen Fakten und Ereignisse an, was für ein unterhaltendes Theaterstück sicher auch langweilig wäre, sondern sie streuen fiktive Elemente wie die Liebesbeziehung zwischen Leutnant Hans Hermann von Katte und Wilhelmine von Preußen ein, die zwar frei erfunden ist, aber eben die Zuschauer berührt und damit gut unterhält. Eine historisch korrekte Darstellung von Friedrichs Leben sollte man also nicht erwarten, das können unzählige Biographien oder Studien zu Einzelaspekten weitaus besser leisten. Lässt man sich aber auf Art der Darstellung im Musical „FRIEDRICH – Mythos und Tragödie“ ein und die Fakten außer Acht, so wird man in der Hoffnung auf ein unterhaltsames Theatererlebnis nicht enttäuscht. Dazu trägt sicherlich Holger Hauers Inszenierung bei, die mit einer straffen Darstellerführung den Figuren Profil verleiht und sie dem Zuschauer näher bringt. Indem die Rahmenhandlung vom Alten Fritz erzählt, der seinen Biographen seine Lebensgeschichte niederschreiben lässt, und ihm in der Erinnerung immer wieder sein Vertrauter Hans Hermann von Katte als Wahn- und Trugbild erscheint, mit dem er über die wichtigen Stationen in seinem Leben spricht, springt das Musical zwischen zwei Zeitebenen hin und her, was durch drei verschiedene Darsteller der Figur des Friedrich (Casper Krzysch als Friedrich als Kind, Tobias Bieri als Kronprinz Friedrich, Chris Murray als König Friedrich II.) unterstützt wird. Anhand ausgewählter Stationen wird seine Biografie bis zur Übernahme der Regentschaft geschildert, die Zeit von 1740 bis zu seinem Tod 1786 wird nur noch exemplarisch anhand des Siebenjährigen Krieges thematisiert, wodurch des Ende des Musicals mit Friedrichs Erkenntnis, dass er als Regent entgegen seiner früheren Auflehnung gegen das Militärregime doch zum Ebenbild seines Vaters geworden ist, recht schnell erreicht ist. Wichtige Aspekte in Friedrichs Leben wie seine Homosexualität werden im Musical nicht thematisiert, stattdessen wird er am Hof zu Dresden von Gräfin Orzelska verführt. Die Szene und der Song „Spiel mich“ (tadellos gesungen von Isabel Trinkaus) verfehlen jedoch ihre verführerische Wirkung.

Die Metropolis-Halle auf dem Gelände der Medienstadt Babelsberg in Potsdam ist eine 2008 eröffnete Multifunktionshalle für Großveranstaltungen, die für die Aufführungen des Musicals „FRIEDRICH – Mythos und Tragödie“ mit einer temporären Tribüne auf einer Unterkonstruktion aus Stahlrohren ausgestattet wurde, die für gut 1.500 Besucher Platz bietet. Entsprechend angepasst an die Verhältnisse arbeitet Christoph Weyers bei seinem Bühnenbild mit verschiebbaren Treppenelementen auf einer ansonsten leeren Spielfläche, die sich durch ansprechende Videoprojektionen in die Handlungsorte wie Schloss Sanssouci, den Hof des Sachsenkönigs August des Starken in Dresden oder ein Schlachtfeld verwandelt. Mitsamt den zeitgemäßen Kostümen von Ute Carow kann man sich so auch gut in die Zeit Friedrich des Großen hineinversetzen. Über allem schwebt in militärischen Szenen ein überdimensionaler Soldatenrock, der an Seilen wie eine Marionette bedrohlich bewegt wird.

Auch die neuerliche Produktion der spotlight Musicalproduktion GmbH konnte hervorragendend besetzt werden, Chris Murray (Friedrich der Große), Tobias Bieri (Kronprinz Friedrich), Maximilian Mann (Hans Hermann von Katte), Elisabeth Hübert (Wilhelmine von Preußen) und Heiko Stang (Friedrich Wilhelm I.) können als Hauptdarsteller auf der ganzen Linie überzeugen. Tobias Bieri verleiht dem jugendlichen, rebellischen Thronfolger Authentizität, mit viel Gefühl interpretiert er „Sanssouci“ mit dem höchsten Ohrwurmpotenzial des Abends, bei dem er in der Festung von Küstrin seine Vision von Schloss Sansssouci skizziert, während die Videoprojektion eben jene Skizze zeigt, auf deren Grundlage Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff das Sommerschloss im Stil des Rokoko plante. Mit seinem zweiten Solo „Sterbekittel“ setzt er gesanglich den glanzvollen Schlusspunkt des ersten Aktes, im Duett „Wir beide gehören zusammen“ ergänzt er sich harmonisch mit Elisabeth Hübert, die Friedrichs zweieinhalb Jahre älterer Schwester Wilhelmine glaubhaft Profil verleiht und gesanglich auch im Duett „Nur darauf kommt’s an“ mit Maximilian Mann mit schöner Stimme bezaubern kann. Maximilian Mann versieht den Verbündeten Friedrichs und Geliebten Wilhelmines mit Ausstrahlung und verständnisvoller Gelassenheit, der auch nach seiner Hinrichtung keinen Groll gegen Friedrich hegt. Während Chris Murray bis weit in den zweiten Akt als gealterter König von Preußen lediglich als Moderator auftritt und die Fragen seines Trugbildes Hans Hermann von Katte ausweichend beantwortet, kann er sich gesanglich erst im vorletzten Song „Ebenbild“ in Szene setzen, was er dafür umso eindringlicher tut. Warum Chris Murray nicht unmittelbar nach Friedrichs Inthronisation auch die Rolle des Königs von Tobias Bieri übernimmt, oder aber Tobias Bieri nicht auch noch die Szene „Der Siebenjährige Krieg“ spielt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Heiko Stang stellt als autoritärer und aufbrausender „Soldatenkönig“ den Gegenspieler zum feingeistigen Kronprinzen dar, seine Songs „Das preußische Prinzip“ und „Die Schande Preußens“ verdeutlichen den Anspruch an den Kronprinzen. In kleineren Rollen können Patricia Hodell als Friedrichs Mutter Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg, Petter Bjällö als Sachsenkönig August der Starke, Andreas Goebel als Kriegsminister Friedrich Wilhelm von Grumbkow, Christian Theodoridis als Reichsgraf Friedrich Heinrich von Seckendorff und Léon van Leeuwenberg als schrulliger Philosoph Voltaire auf sich aufmerksam machen. Das spielfreudige Ensemble kann vorwiegend in Tanzszenen beeindrucken, in denen die modernen Choreografien von Doris Marlis ansprechend umgesetzt werden, jedoch wollen diese nicht so recht in das Bild der Höfischen Tänze im 18. Jahrhundert passen.

Ensemble

Die Musik mit eingängigen Up-tempo-Nummern und Balladen lässt deutlich die Handschrift von Dennis Martin und Marc Schubring erkennen. Dennis Martin knüpft mit seinen Kompositionen nahezu nahtlos an die Vorgängerproduktionen an. Da Dennis Martin während der dreijährigen Vorbereitungszeit parallel in die Uraufführung von „Die Päpstin – Das Musical“ involviert war, verpflichtete man Marc Schubring als weiteren Komponisten, wodurch die Partitur an Abwechselung gewinnt. Dennis Martins Song „Bienvenue in Sanssouci“ – von Léon van Leeuwenberg (Voltaire) mit französischem Akzent trefflich interpretiert – erinnerte mich spontan an „Ein bissel für’s Hirn und ein bissel für’s Herz“ aus dem Musical „Mozart!“ und geriet am Premierenabend zur Mitklatsch-Orgie in Festzelt-Manier, die so gar nicht zum ernsten Thema passen will. Mittlerweile dürfte es sich herumgesprochen haben, aber der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass in den Produktionen der spotlight Musicalproduktion GmbH die vorproduzierte Musik zugespielt wird. Ein Live-Orchester würde die Ticketpreise deutlich nach oben korrigieren, und es ist fraglich, ob das Publikum den vermeintlichen Mehrwert zu schätzen wüsste und dementsprechend zu finanzieren bereit wäre. In der Metropolis Halle dürfte die gewählte Lösung ohnehin den an die akustischen Verhältnisse angepassten, besser abgemischten Sound liefern.

Elisabeth Hübert und Tobias Bieri

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass „FRIEDRICH – Mythos und Tragödie“ als unterhaltsames Musical mit herausragenden Darstellern, einer gelungenen Inszenierung und eingängiger Musik mit Ohrwurmqualität durchaus überzeugt. Als Geschichtsstunde taugt es jedoch nur bedingt, dafür weicht die Handlung zu sehr von den historischen Fakten ab oder lässt diese gleich ganz außer Acht. Doch dieser Anspruch wird auch an keiner Stelle erhoben, insofern kann man dies dem Musical auch nicht anlasten. Jedoch sollte man sich als Zuschauer durchaus die Abweichungen zwischen den historischen Fakten und der im Musical erzählten Geschichte vor Augen führen, andernfalls könnte sich sehr leicht ein womöglich falsches Bild vom letzten außergewöhnlich begabten Herrscher aus dem Hohenzollerngeschlecht ergeben.

Am Rande sei noch erwähnt, dass die spotlight Musicalproduktion GmbH während der Vorbereitung der Premiere auch noch das Castalbum mit 18 Tracks und einer Spieldauer von 67 Minuten 23 Sekunden fertiggestellt hat, welches pünktlich zur Premiere in der Metropolis Halle für 10 € angeboten wurde.