Musiktheater im Revier: „Die Comedian Harmonists“

„Die Comedian Harmonists“ – nach der Geschichte des legendären Sextetts; Musikalische Einrichtung: Franz Wittenbrink; Buch: Gottfried Greiffenhagen; Inszenierung: Sandra Wissmann; Choreografie: Kati Farkas; Musikalische Leitung und Klavier: Askan Geisler; Bühnenbild: Britta Tönne; Kostüme: Andreas Meyer. Darsteller: Mark Weigel (Ari Leschnikoff), Markus Schneider (Erich Collin), Michael Dahmen (Harry Frommermann), Piotr Prochera (Roman Cycowski), Ralf Rhiel (Robert Biberti), Askan Geisler (Erwin Bootz), Lutz Reichert (Conférencier). Uraufführung: 19. Dezember 1997, Komödie am Kurfürstendamm Berlin. Premiere: 13. Januar 2012, Musiktheater im Revier Gelsenkirchen.



„Die Comedian Harmonists“


Die Revue über Aufstieg und Scheitern des Berliner Vokalensembles


„Die Comedian Harmonists“ am Musiktheater im Revier
v. l. n. r. Ralf Rhiel (Robert Biberti), Markus Schneider (Erich Collin), Askan Geisler (Erwin Bootz), Piotr Prochera (Roman Cycowski), Michael Dahmen (Harry Frommermann) und Mark Weigel (Ari Leschnikoff)
Foto: Pedro Malinowski


Mit dieser unscheinbaren Zeitungsannonce suchte Harry Frommermann am 18. Dezember 1927 im Berliner Lokal-Anzeiger Sänger für eine neue Gruppe. Harry Frommermann, Robert Biberti, Asparuch „Ari“ Leschnikoff, Walter Nußbaum und Theodor Steiner gründeten im Winter 1927/28 die Gesangsgruppe „The Melody Makers“. Im März 1928 schied Theodor Steiner aus der Gruppe aus, Roman Cycowski übernahmen den Bariton-Part, und Ari Leschnikoff brachte dann noch seinen Piano spielenden Freund Erwin Bootz mit. Im März 1929 wurde Walter Nußbaum als zweiter Tenor durch Erich Abraham Collin ersetzt. Im August 1928 erfolgte auf Vermittlung ihres Impresarios Bruno Levi ein Vorsingen des Ensembles bei Erik Charell im Großen Schauspielhaus und bei Herman Haller im Admiralspalast. Erik Charell engagierte das Ensemble für seine Operetten-Revue „Casanova“ im Großen Schauspielhaus (dem heutigen Friedrichstadt-Palast), wo es am 28. September 1928 erstmals zwischen den Akten für eine Abendgage von 120 Reichsmark auftreten durfte, und regte die Umbenennung in „Comedian Harmonists“ an. In den folgenden Jahren erobert das Sextett Konzertsäle auf der ganzen Welt, am 21. Januar 1932 traten die „Comedian Harmonists“ sogar in der Berliner Philharmonie auf. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 findet der Aufstieg ein abruptes Ende, es kam wegen der drei „nicht-arischen“ Mitglieder Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin zu ersten Einschränkungen der Auftrittsmöglichkeiten für die „Comedian Harmonists“. Das letzte öffentliche Konzert fand im Februar 1935 in Fredrikstadt in Südnorwegen statt. Am 22. Februar 1935 wurden die „Comedian Harmonists“ endgültig verboten, und durch die erzwungene Emigration der drei jüdischen Mitglieder wurde die Gruppe am 10. März 1935 getrennt.

Besetzung der „Comedian Harmonists“ von Mai 1929 bis März 1935:
  • 1. Tenor: Ari Leschnikoff (* 16. Juni 1897 in Chaskowo, Bulgarien, † 31. Juli 1978 in Sofia, Bulgarien)
  • 2. Tenor: Erich Abraham Collin (* 26. August 1899 in Berlin, † 28. April 1961 in Los Angeles)
  • 3. Tenor: Harry Frommermann (* 12. Oktober 1906 in Berlin, † 29. Oktober 1975 in Bremen)
  • Bariton: Roman Cycowski (* 25. Januar 1901 in Łódź, Polen, † 9. November 1998 in Palm Springs, Kalifornien)
  • Bass: Robert Biberti (* 5. Juni 1902 in Berlin, † 2. November 1985 in Berlin)
  • Pianist: Erwin Bootz (* 30. Juni 1907 in Stettin, † 27. Dezember 1982 in Hamburg)

„Die Comedian Harmonists“ am Musiktheater im Revier
v. l. n. r. Markus Schneider (Erich Collin), Piotr Prochera (Roman Cycowski), Ralf Rhiel (Robert Biberti), Mark Weigel (Ari Leschnikoff), Michael Dahmen (Harry Frommermann) und Askan Geisler (Erwin Bootz)
Foto: Pedro Malinowski


Autor und Regisseur Eberhard Eberhard Fechner (* 21. Oktober 1926 in Liegnitz, Schlesien, † 7. August 1992 in Hamburg) hat 1976 auf der Grundlage von Interviewmaterial, zeitgenössischen Dokumenten und Fotos für den NDR den zweiteiligen Dokumentarfilm „Die Comedian Harmonists – Sechs Lebensläufe“ produziert, der das legendäre Sextett wieder aufleben ließ. (Eine Buchdokumentation, die auf dem Film beruht, wurde 1988 veröffentlicht.) Am 19. Dezember 1997 wurde die Revue „Veronika, der Lenz ist da – Die Comedian Harmonists (Ihr Leben. Ihr Traum. Ihre Lieder.)“ von Gottfried Greiffenhagen (* 9. Februar 1935 in Bremen) in der Regie von Martin Wölffer und unter der musikalischen Leitung von Franz Wittenbrink (* 25. August 1948 in Bad Bentheim) in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm uraufgeführt. Einige Mitglieder der Urbesetzung dieses Bühnenstücks gehören noch heute zu den „Berlin Comedian Harmonists“ und touren mit dem Repertoire der original „Comedian Harmonists“ durch die ganze Welt, im Herbst 2012 wird das Bühnenstück mit den „Berlin Comedian Harmonists“ erneut in der Komödie am Kurfürstendamm zu sehen sein. Die Handlung ist zwar frei erfunden, beruht aber auf historisch wahren Begebenheiten und schildert den Aufstieg und das Scheitern des Berliner Vokalensembles. Die Revue wurde bereits an vielen Theatern mit eigenen Ensembles einstudiert und sorgt landauf, landab regelmäßig für ausverkaufte Häuser und Begeisterung beim Publikum. Am 13. Januar 2012 brachte nun das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen die Erfolgsgeschichte der Gesangsformation mit bekannten Evergreens wie „Mein kleiner grüner Kaktus“, „Veronika, der Lenz ist da“ oder „Schöne Isabella von Kastilien“ erstmals im Kleinen Haus auf die Bühne.

„Die Comedian Harmonists“ am Musiktheater im Revier
Askan Geisler (Erwin Bootz) am Flügel, im Bilderrahmen v. l. n. r. Michael Dahmen (Harry Frommermann), Markus Schneider (Erich Collin), Mark Weigel (Ari Leschnikoff), Piotr Prochera (Roman Cycowski) und Ralf Rhiel (Robert Biberti)
Foto: Pedro Malinowski


Episodenhaft sind die Stationen der „Comedian Harmonists“ zu verfolgen, beim Vorsingen in Frommermanns Mansardenwohnung wird auch der Legende gehuldigt, dass selbst Johannes Heesters (* 5. Dezember 1903 in Amersfoort, Niederlande, † 24. Dezember 2011 in Starnberg) vorstellig geworden sein soll, aber abgelehnt wurde. Heesters selbst hat dies bestritten, aber für Erheiterung beim Publikum sorgt es allemal. Der Handlungsbogen des ersten Aktes erstreckt sich bis zum endgültigen Durchbruch des Vokalensembles am Schauspielhaus Leipzig, auch Bruno Levis Schachzug, Charells Vertragsangebot über eine Abendgage von 60 Reichsmark zunächst abzulehnen, um schließlich die doppelte Gage herauszuschlagen, wird thematisiert. In den einzelnen Episoden führt Lutz Reichert als Schauspieler in verschiedenen Rollen als eine Art Conférencier durch die Handlung, wobei die Gesangsnummern der „Comedian Harmonists“ natürlich den Mittelpunkt bilden. Im zweiten Akt spitzen sich die Ereignisse durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten dramatisch zu, was auch in den dargestellten Konflikten zwischen den drei „nicht-arischen“ Mitgliedern und dem Rest der Gruppe zum Ausdruck kommt. Höhepunkt der Repressalien und gleichzeitiger Schlusspunkt der Bühnenhandlung ist die erzwungene Emigration der drei jüdischen Mitglieder am 10. März 1935, die beim Abschied Robert Biberti bloßstellen, der bereits am 3. März 1935 erneut im Berliner Lokal-Anzeiger neue Mitsänger als Ersatz für Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin gesucht hat. Sandra Wissmann, die sich seit ihrem 13. Lebensjahr für die „Comedian Harmonists“ interessiert, verliert in ihrer Inszenierung niemals den historischen Kontext aus den Augen, und auch die Einordnung der Episoden in den zeitlichen Zusammenhang ist anhand von nachgeahmten historischen Plakaten, die in einem großen Bilderrahmen auf der rechten Seite der Bühne aufgehängt werden (Bühnenbild: Britta Tönne), für den mit der Geschichte der „Comedian Harmonists“ nicht ganz so vertrauten Zuschauer sofort ersichtlich. Große Bilderrahmen mit so genanntem Büttenrand, der bei Fotos und Ansichtskarten von etwa 1930 bis 1950 sehr verbreitet war, geben auch den einzelnen Episoden im wörtlichen Sinn den entsprechenden Rahmen.

„Die Comedian Harmonists“ am Musiktheater im Revier
v. l. n. r. Ralf Rhiel (Robert Biberti), Michael Dahmen (Harry Frommermann), Mark Weigel (Ari Leschnikoff), Markus Schneider (Erich Collin) und Piotr Prochera (Roman Cycowski)
Foto: Pedro Malinowski


Das größte Kompliment haben zweifellos die Darsteller der „Comedian Harmonists“ verdient. Mark Weigel als 1. Tenor Ari Leschnikoff, Markus Schneider als 2. Tenor Erich Collin, Michael Dahmen als 3. Tenor Harry Frommermann, Piotr Prochera als Bariton Roman Cykowski, Ralf Rhiel als Bass Robert Biberti und Askan Geisler als Pianist Erwin Bootz lassen die „Comedian Harmonists“ auf der Bühne wiederauferstehen. Die schauspielerischen und vor allem gesanglichen Leistungen der fünf Sänger überzeugen auf der ganzen Linie. Der Musikalische Leiter Askan Geisler, der auch die Musikalische Einstudierung übernommen hat, spielt nicht nur virtuos Klavier, sondern fügt sich auch schauspielerisch vollwertig in das Sextett ein. Lutz Reichert sorgt in seinen verschiedenen Rollen u. a. als Bewohnerin der Wohnung unter Frommermanns Mansarde oder als Onkel Bumba für viele komische Momente. Die von Katie Farkas choreografierten Songs verleihen der Revue zusätzlichen Schwung. Das Premierenpublikum spendet nach zweidreiviertel Stunden begeistert lang anhaltenden Stehapplaus, und bei den Zugaben „Der Onkel Bumba aus Kulumba“ und „Lebe wohl, gute Reise“/„Auf Wiederseh´n“ gerät erstere zu einem weiteren Highlight des Abends.

„Die Comedian Harmonists“ am Musiktheater im Revier
v. l. n. r. Lutz Reichert (Parteifunktionär), Askan Geisler (Erwin Bootz), Mark Weigel (Ari Leschnikoff), Michael Dahmen (Harry Frommermann), Markus Schneider (Erich Collin), Piotr Prochera (Roman Cycowski) und Ralf Rhiel (Robert Biberti)
Foto: Pedro Malinowski


Insgesamt 17 Mal steht „Die Comedian Harmonists“ in der aktuellen Spielzeit auf dem Spielplan des Musiktheaters im Revier, allerdings sind die aktuell im Vorverkauf befindlichen Vorstellungen bereits ausverkauft. Neben den Proben hat das Ensemble im Dezember letzten Jahres auch noch die Zeit gefunden, einige Highlights der Revue für eine CD-Produktion aufzunehmen; die CD ist für 7 Euro im MiR erhältlich.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Ein Vergnügen, ansehen und begeistert nach Hause gehen.
Das MIR wie in den besten Musical-Tagen