The Birds of Alfred Hitchcock

„The Birds of Alfred Hitchcock“ – inspiriert vom Spielfilm „The Birds“ von Alfred Hitchcock; Musik: William Ward Murta; Text: William Ward Murta unter Mitarbeit von Nila Aalia; Deutsche Fassung: Constanze Grohmann und William Ward Murta unter Mitarbeit von Ute Dukat und Stefan Huber; Inszenierung: Kay Kuntze; Choreografie: Götz Hellriegel; Bühne und Kostüme: Duncan Hayler; Musikalischer Leiter: William Ward Murta. Darsteller: Katharine Mehrling (Tippi Hedren), John Wesley Zielmann (Hitch (Stimme aus dem Off)), Carlos Horacio Rivas (Robin, Krankenpfleger), Carolin Soyka (Peggy Robertson, Hitchcocks Assistentin), Alexander Franzen (Evan Hunter, Drehbuchautor), Alexander Janacek (Jim, Regieassistent), Steffen Häuser (Ray Berwick, Vogeltrainer), Masha Karell (Jessica Tandy, Schauspielerin) sowie Carolin Fink, Jasmin Göttmann, Vanessa Hanetzky, Janina Keppel, Janina Hinrichs, Jessica Krüger, Sebastian Ciminski, Andreas Lutsch, Dominik Meurs, Claudio Meyer, Jörn Ortmann, Robby Plücker (Ensemble der German Musical Academy Osnabrück). Uraufführung: 25. September 2010, Stadttheater Bielefeld.



„The Birds of Alfred Hitchcock“


Uraufführung am Stadttheater Bielefeld


In einer Zeit, in der anderorts das Genre Musical komplett vom Spielplan gestrichen wird, um Kosten zu sparen, kann es dem Stadttheater Bielefeld gar nicht hoch genug angerechnet werden, in der Spielzeit 2010/11 mit „The Birds of Alfred Hitchcock“ sogar eine Uraufführung aus der Taufe gehoben zu haben. Am 21. November 2010 steht auch noch die Wiederaufnahme von Frank Wildhorns „The Scarlet Pimpernel“ auf dem Spielplan. Nach „M … wie Marilyn“ (1987) und „Starry Messenger“ (2004) ist „The Birds of Alfred Hitchcock“ das dritte Musical, das der Amerikaner William Ward Murta als Musical-Kapellmeister am Stadttheater Bielefeld zur Uraufführung bringt. Es thematisiert die Beziehung zwischen Alfred Hitchcock und Tippi Hedren, in der der britische Filmregisseur und -produzent die lange gesuchte Nachfolgerin für Grace Kelly sah.

Stadttheater Bielefeld

Hitchcock entdeckte Tippi Hedren bei Werbeaufnahmen und nahm sie, obwohl sie keine Filmerfahrung besaß, für die nächsten sieben Jahre unter Vertrag. Für „The Birds“ wurde sie dann auch 1964 mit dem Golden Globe Award als Beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet. Hitchcocks Interesse an Tippi Hedren ging jedoch weit über die beruflichen Belange hinaus, er machte ihr sogar für ihr Privatleben Vorschriften. Als Tippi Hedren einen Annäherungsversuch Hitchcocks zurückwies, kam es schließlich zum Bruch zwischen beiden, und die daraus resultierenden Konflikte zwischen Alfred Hitchcock und Tippi Hedren prägten die Dreharbeiten zu seinem nächsten Film „Marnie“, in dem sie zusammen mit Sean Connery vor der Kamera stand und der der erste künstlerische und kommerzielle Misserfolg Hitchcocks seit rund fünfzehn Jahren werden sollte. Die Zusammenarbeit zwischen Alfred Hitchcock und Tipi Hedren war damit beendet, Hitchcock weigerte sich, sie zu besetzen, bestand jedoch auf Erfüllung des Vertrages und verbot ihr, Rollenangebote anderer Regisseure anzunehmen.

William Ward Murtas Musical „The Birds of Alfred Hitchcock“ setzt bei der Dachbodenszene aus „The Birds“ an, in der Melanie Daniels beinahe zu Tode kommt. Für diese Szene hatte Alfred Hitchcock tagelang Aufnahmen von auf Tippi Hedren einstürzenden, echten Vögeln gemacht. Zu Beginn des Musical durchlebt Tippi Hedren (gespielt von Katharine Mehrling) den Angriff der Vögel in einem Albtraum, wobei es keine Vögel sind, die sich auf sie stürzen, sondern Filmklappen schnappen unaufhörlich nach ihr. Sie erwacht nach einem Nervenzusammenbruch in einer Klinik. In Rückblenden erzählt sie ihrem Krankenpfleger Robin (Carlos Horacio Rivas) ihre Geschichte, wie sie sich zunächst von Hitchcocks Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlt, ihr Glamour-Traum aber bald Ernüchterung weicht, in der sie erkennt, dass sich die Aufmerksamkeiten des exzentrischen Regisseurs zur Obsession entwickeln, er in seinem Kontrollwahn jeden ihrer Schritte zu überwachen versucht. „Hitch“ – unter diesem Spitznamen veröffentlichte Alfred Hitchcock seine ersten gruseligen Kurzgeschichten – ist auf der Bühne selbst nicht zu sehen, aber als Stimme aus dem Off (John Wesley Zielmann) und durch eine überdimensionale qualmende Zigarre stets gegenwärtig. In der Klinik fasst Tippi den Entschluss, sich von Hitchcock zu befreien und sich nicht länger von ihm manipulieren zu lassen. Im finalen Song „Schnitt auf mich“ singt sie „Ich will fliegen, und nicht mehr gefangen sein“.

William Ward Murta bedient in „The Birds of Alfred Hitchcock“ ein breites Spektrum an Musikstilen, von Pop über klassisches Musical und Filmmusik bis zu experimentellen, atonalen Kompositionen, wenn es dramatisch wird. Das gesamte Werk (mit Pause und Schlussapplaus) hat einen Umfang von 3 Stunden und 10 Minuten und ist für mein Empfinden ein wenig zu lang geraten. Wer mich kennt, ahnt zumindest, dass ich die Atonalität als erstes streichen würde. Ich mag eben keine Neue Musik. Für die Handlung macht William Ward Murta bei insgesamt drei Hitchcock-Filmen Anleihen, „Psycho“, „The Birds“ und „Marnie“. Wer das Musical besucht und sich ein wenig mit den Hintergründen auseinandersetzt, wird die jeweiligen Szenen den einzelnen Filmen zuordnen können. Es hat teilweise biografische Züge, die meisten Figuren sind historisch belegt. Man muss die erwähnten Hitchcock-Filme nicht zwingend gesehen haben, um der Handlung des Musicals folgen zu können, aber es macht es einfach interessanter.

Katharine Mehrling, die 1998 als Evita Perón in Andrew Lloyd Webbers „Evita“ am Stadttheater Bielefeld debütierte und auch in der Europäischen Erstaufführung von „And the World Goes 'Round“ von John Kander und Fred Ebb dort zu sehen war, verleiht der Figur Tippi Hedren in „The Birds of Alfred Hitchcock“ Gestalt, zeigt sie im Finale als selbstbewusste, optimistische Frau. Ihr Bühnendebüt gab Katharine Mehrling im September 1993 in der Rolle der Chrissy in der Londoner Revivalproduktion von „Hair“, für die sie Regisseur Michael Bogdanov als einzige Deutsche engagierte. Sie war von 2004 bis 2006 in mehreren Produktionen unter der Regie von Andreas Gergen im Berliner Schlossparkparktheater zu sehen, und spielte parallel die Rolle der Sally Bolwes in „Cabaret“. International erlangte sie als französische Chansonsängerin Édith Piaf in dem musikalischen Schauspiel „Piaf“ von Pam Gens Aufmerksamkeit, zuletzt an der Berliner Tribüne. In „The Birds of Alfred Hitchcock“ dominiert Katharine Mehrling das Ensemble, zusammen mit Carlos Horacio Rivas ist sie in der Mehrzahl der Szenen auf der Bühne präsent. Katharine Mehrling war von Anfang an William Ward Murtas Favoritin für die Rolle der Tippi Hedren, ihr hat er Tippis Songs „auf den Leib geschrieben“.

Neben Katharine Mehrling können insbesondere Carolin Soyka als Hitchcocks unnachgiebige Assistentin Peggy Robertson und Masha Karell als Bühnenlegende Jessica Tandy überzeugen. Studierende und Absolventen der German Musical Academy Osnabrück stellen das Ensemble, das häufig als Filmcrew in Erscheinung tritt. Die wohl prägnanteste Ensembleszene, für die Götz Hellriegel eine ausgefallene Choreografie geschaffen hat, ist die Duschszene aus „Psycho“.

Wie Hitchcock selbst im Musical nicht auf der Bühne steht, so wurden auch die Filmsets nicht originalgetreu auf die Bühne gestellt, diesem Anspruch hätte man unmöglich gerechnet werden können. Vielmehr hat Duncan Hayler ein Bühnenbild geschaffen, das teilweise mit nur wenigen Requisiten auskommt – beispielsweise wird die Klinik regelmäßig durch das Krankenhausbett symbolisiert – aber den Zuschauer zu keiner Zeit über den Ort der Handlung im Ungewissen lässt und einige Überraschungen zu bieten hat.

Wer sich auf den Weg nach Bielefeld macht, um „The Birds of Alfred Hitchcock“ anzuschauen, sollte gegebenenfalls trotz der langen Aufführungsdauer eine halbe Stunde zusätzlich einplanen und die Werkseinführung vor der Vorstellung besuchen.

Stadttheater Bielefeld

Zum Schluss ein Wort zu so genannten Zusatz-Gebühren, die neuerdings immer häufiger beim Ticket Erwerb erhoben werden. Beim Theater Bielefeld besteht die Möglichkeit, seine Tickets online zu bestellen und anschließend selbst auszudrucken. Dafür soll zukünftig ebenfalls eine Servicegebühr erhoben werden. Also eine Service-Gebühr für die Nutzung von Software, über die der Kartenkauf abgewickelt wird. Nun sind solche Zusatzgebühren inzwischen beinahe an der Tagesordnung, mitunter auch unter dem Namen Systemgebühr, aber für self-service eine Service-Gebühr zu erheben, da stellen sich mir die Nackenhaare auf. Da die Ticketpreise am Stadttheater Bielefeld im Vergleich zu anderen Häusern noch eher moderat ausfallen, könnte man die Preisgestaltung entsprechend anpassen und dafür auf „Zusatz-Gebühren“ unter welchem Namen auch immer verzichten.

Haben Sie „The Birds of Alfred Hitchcock“ am Stadttheater Bielefeld gesehen? Wie hat Ihnen das Musical gefallen?