„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“

Neue Ausstellung zum Wandel der Arbeit in der Zeche Hannover

Malakowturm und Maschinenhaus der Zeche Hannover

Warum arbeiten wir? Wer definiert, was Arbeit ist und wie wird sie in Zukunft aussehen? Diese Fragen thematisiert die Sonderausstellung „Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, die der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) ab Freitag, 8. April 2022, in seinem Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum zeigt.

Das Foto von zwei Schreinergesellen in der Kunsttischlerei Aton Spilker in Steinheim, um 1950, ist das Titelmotiv der Ausstellung „Vom Schuften und Chillen“. Foto: Möbelmuseum Steinheim

In den letzten 200 Jahren hat das Bild von Arbeit einen großen Wandel erfahren. Während sie zur Zeit der Industrialisierung noch der reinen Existenzsicherung diente, wird sie heute meist als Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung aufgefasst. „Die Ausstellung spürt dem Wandel der Arbeit nach, fragt nach Ängsten und Hoffnungen angesichts ungewisser beruflicher Perspektiven und der Zukunft der Arbeit im Zeitalter von Industrie 4.0. Die Schau ist damit auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt hoch aktuell“, erklärt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Blick in den Eingangsbereich mit dem Gemälde „Die Kruppschen Teufel“ von Heinrich Kley, Reproduktion, Original um 1914

Das Spektrum der rund 100 Exponate reicht von historischen Plakaten über Objekte wie einer Stempeluhr bis hin zum Nachbau einer Hightech-Spritze aus dem Star Trek-Universum. Die Ausstellung schlägt einen Bogen von den Veränderungen der Arbeit im Industriezeitalter über den Kampf der Gewerkschaften für den 8-Stunden-Tag bis zu modernen Formen der Arbeit im Zeitalter von „Industrie 4.0“. Ein „Futuromat“ verrät den Besucher:innen, welche Arbeitsplätze in Zukunft verschwinden und welche bleiben werden.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“. Die Kylix-Vasenmalerei des griechischen Malers Duris zeigt ein „Symposium“, eine heiters Trinkgelage zwischen dem späten 6. und 4. Jahrhundert v. Chr. Moderne Nachbildung

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Blick in die Ausstellung, „Das Leben in Muße (ist) dem Leben der Arbeit vorzuziehen“

Hintergrund

Die Diskussionen über den Wert der Arbeit für den Menschen begannen bereits in der Antike. Der griechische Philosoph Aristoteles sah nicht in der Arbeit, sondern in der Muße das Ziel eines guten Lebens. Er verstand darunter allerdings weniger Völlerei und Faulheit, sondern eher das Studium und die Philosophie. Arbeiten mussten für diese Freiheiten der Adeligen jedoch die Sklaven und die einfachen Arbeiter. In der frühen Neuzeit arbeitete meist die gesamte Familie in der Landwirtschaft und im Handwerk. Die Arbeitszeit wurde von den Jahreszeiten, vom Sonnenaufgang und -untergang bestimmt. Während der Wintertage ruhte die Feldarbeit, die Familie arbeitete im Haus, die Arbeit am Spinnrad stand im Mittelpunkt.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Blick in die Ausstellung, „Das Leben der unterbäuerlichen Schichten“

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Blick in die Ausstellung, „Im Takt der Maschinen“, links die Stempeluhr „Bundy“

„Die Industrialisierung änderte alles“, verrät LWL-Museumsleiter Dietmar Osses. „Nun wurde die Arbeit nicht mehr von der Natur bestimmt, sondern von den Maschinen vorgegeben. Sie war damit an einen festen Ort und an vorgegebene Zeiten gebunden. Nicht mehr die Sonne bestimmte die Arbeitszeit, sondern das elektrische Licht. Leistungsfähigkeit und Arbeitskraft bestimmte jetzt den Wert eines Menschen. Das kapitalistische System befeuerte eine ständige Konkurrenz: den Kampf um die Arbeit und den eigenen Lebensunterhalt“, so Dietmar Osses weiter. Zentrales Exponat im Ausstellungsbereich zum Industriezeitalter ist die Stempeluhr „Bundy“. Das Stempelwerk der 1910 hergestellten Uhr druckte die Nummer des Beschäftigten und die Uhrzeit seines Kommens und Gehens auf einen Papierstreifen. Damit hielt die exakte und individuelle Zeiterfassung Einzug in die Betriebe.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“. Die weibliche Statuette des Bildhauers Oswald Schimmelpfennig (1898) stellt eine Verkörperung der Industrie dar

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, „Das Recht auf Fauheit“, Zürich 1887. Das Buch von Paul Lafargue aus dem Jahr 1880 kritisiert die ideologischen, bürgerlichen und kapitalistischen Grundlagen des Arbeitsbegriffs seiner Zeit.

Im 19. Jahrhundert waren nicht alle Menschen bereit, den vorgezeichneten Weg der Industrialisierung mitzugehen. Utopisten wie Paul Lafargue (* 15. Januar 1842 in Santiago de Cuba, † 26. November 1911 in Draveil, Département Seine-et-Oise), der „Das Recht auf Faulheit“ (1883) propagierte, träumten von einer anderen Gesellschaft und einem Leben ohne Arbeit. Seine Utopien fanden in Frankreich und Deutschland viele Anhänger. Nach seinem Tod begleiteten über 15.000 Menschen seinen Sarg auf den Pariser Friedhof Père Lachaise. In der Ausstellung ist einer der ersten Drucke seiner Streitschrift ausgestellt.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Blick in die Ausstellung, „Samstags gehört Vati mir“

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Science-Fiction Romane des französischen Autors Jules Verne im 19. Jahrhundert

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Star Trek Hypospray, Replik, Daniel Frijette

Zukunft der Arbeit

Smarte Produktion, vernetzte Fabrik und Industrie 4.0 sind die Schlagworte, die heute die Diskussion über die Zukunft der Arbeit bestimmen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird mit Umbrüchen einhergehen. In vielen Bereichen wird menschliche Arbeit durch digitale Prozesse und Unterstützungsleistungen ersetzt. Die Vision ist eine fast bis zur Autonomie automatisierte, komplett vernetzte und höchst effiziente Produktion. Damit einher geht jedoch die Angst der Menschen, von Maschinen und Robotern ersetzt und von Algorithmen bestimmt zu werden. Werden sie die Arbeit der Zukunft bestimmen? Die Ausstellung zeigt die Diskussionen über Künstliche Intelligenz, Robotik und die Abkehr von fossilen Energien. Aber welche Formen der menschlichen Arbeit, welche Berufe werden diese Entwicklung überleben? Antworten auf diese Frage gibt der „Futuromat“ in der Ausstellung.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, „Arbeiterinnen der Welt“ (Orig. „Trabajadoras del mundo“), Plastik der argentinischen Künsterlin Cecila Herrero, Bielefeld, 2011

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Frauenarbeit in der Werbung des 20. Jahrhunderts

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Rührflügelwaschmaschine mit Wassermotor, Hersteller Fa. Miele

Ausstellungskatalog

Zur Ausstellung ist ein Katalog mit Beiträgen von Martin Dinges, Eneia Dragomir, Stephanie Geissler, Willi Kulke, Lars Kalüke, Andreas Michael, Manfred Neumann, Lars Petersen und Almut Rademacher im Klartext Verlag erschienen: „Vom Schuften und Chillen. Warum wir arbeiten“, Herausgeber LWL-Industriemuseum, Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur, Willi Kulke, 136 Seiten, 21,6 × 21,7 cm, zahlreiche farbige Abbildungen, Klartext Verlag, Essen 2020. Preis 19,95 Euro, ISBN 978-3-8375-2312-6

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Blick in die Ausstellung, „Arbeit 4.0“

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, Blick in die Ausstellung, „Die Zukunft der Arbeitsplätze“

Eröffnung

Bei der Eröffnung der Ausstellung am Donnerstag, 7. April 2022 um 19 Uhr begrüßt Gertrud Welper, stellvertretende Vorsitzende der LWL-Landschaftsversammlung, die Gäste. Eine Einführung gibt Willi Kulke, Kurator der Ausstellung und Leiter des LWL-Industriemuseums Ziegelei Lage, das die Ausstellung vom 21. Juni 2020 bis 20. Februar 2022 gezeigt hat. Für die musikalische Begleitung sorgen Serge Corteyn (Gitarre) und Eckard Koltermann (Bassklarinette).

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“, „Die Zukunft der Arbeitsplätze“, „Job-Futuromat“, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Durch die Suchmaschine lässt sich ein Beruf dahingehend überprüfen, ob dieser von der zukünftigen Digitalisierung bedroht ist.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“ im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover ist vom 8. April bis 30. Oktober 2022 Mittwoch bis Samstag von 14 bis 18 Uhr geöffnet, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

„Vom Schuften und Chillen – Warum wir arbeiten“. Das Demonstrator-System (2019) des Fraunhofer Instituts für industrieelle Automation in Lemgo wurde entwickelt, um Menschen bei Montagearbeiten zu unterstützen.

Ab sofort gelten in den Museen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) keine Zugangsbeschränkungen mehr zum Schutz vor Corona, die Maskenpflicht für Innenräume aber bleibt. Die Maskenpflicht (FFP2-Maske oder medizinische Maske) gilt für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche ab sieben Jahren.

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