Aufbruch in neue Zeiten

Ausstellung „Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau in Oberhausen

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, Eingangsbereich

Die ereignisreichen Jahre zwischen 1918 und 1933 waren entscheidend für die Geschichte des 20. Jahrhunderts in Deutschland, im Positiven wie im Negativen: 14 Jahre voller Gegensätze in Politik, Gesellschaft, Kunst und Technik. Wie kaum ein anderes Medium hat die Fotografie das Gesicht dieser Jahre geprägt. Die Ausstellung „Fotografie in der Weimarer Republik“ wirft ab dem 25. Januar 2022 im Peter-Behrens-Bau in Oberhausen einen Blick auf diese turbulente Zeit.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, Plattenkamera, um 1910 (links) und Leica, um 1926 (rechts), LVR-LandesMuseum Bonn

Gefährdete Republik

Die demokratische Verfassung der Weimarer Republik war durch ihre gesamte kurze Existenz umkämpft und gefährdet. Die durch den Krieg entstandenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme waren allerdings groß. Hinzu kamen Putschversuche und erbitterte Straßenkämpfe der verfeindeten Parteien verbunden auch mit einer Vielzahl politischer Morde. In den Städten herrschte extreme Wohnungsnot, hungernde Menschen gehörten zum Straßenbild. In der Weltwirtschaftskrise ab 1929 verschärfte sich die Situation weiter.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, „Tanz und Mode“

Fotograf als Star

Das Berufsbild des Fotografen änderte sich in der Weimarer Republik radikal. Zunehmend wurden die Bildberichte in den großen Illustrierten nicht mehr aus dem Bildmaterial verschiedener – oft ausländischer – Agenturen zusammengestellt, sondern als Reportagen namentlich genannter (Bild-)Autoren präsentiert. Fotobücher fanden große Aufmerksamkeit. Einige Fotografen avancierten zu Stars.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, „Tanz und Mode“

Gesellschaftliche Veränderungen, technische Fortschritte

Die Zeit der Weimarer Republik war durch umfassende gesellschaftliche Veränderungen geprägt, die klassischen Rollenbilder und Vorbilder aus der Zeit des Kaiserreiches galten nicht mehr. Das besonders im städtischen Umfeld vollkommen neue Rollenverständnis der berufstätigen, selbstbestimmten Frau veränderte die Mode von Saison zu Saison radikal. Mit Beginn der 1920er Jahre kam vor allem in Berlin ein fast überdrehtes Lebensgefühl auf, das sich auch in neuartigen, meist aus den USA übernommenen Tanzstilen ausdrückte. Die Menschen stürzten sich voller Begeisterung in Tanzveranstaltungen, in Nachtclubs und in die vielen neuen Varietés und Theater. Technische Neuerungen beschleunigten den gesellschaftlichen Wandel. „Elektrizität für jedes Gerät“ war die Devise. Immer leistungsstärkere Automobile wurden gebaut. Der Wille, etwas Neues zu erschaffen und den Aufbruch vom ehemaligen Kaiserreich zur demokratischen Republik zu gestalten, prägte auch die Architektur der Weimarer Republik.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, „Porträt“

Neue Bildmotive, neue Bildsprache

Fortschritt und Veränderungen spiegelten sich natürlich auch in der Fotografie der Zeit. Das Hauptaugenmerk der Fotografen galt dem Ausdruck von Charakter und Wesensart eines Menschen. Bei der Suche nach einem neuen Menschenbild, nach einer neuen Landschaft des Gesichts, zeigte sich die Porträtfotografie in der Weimarer Republik so experimentierfreudig wie nie zuvor. Ungewohnte Ansichten oder der Blick von unten und oben wurden eingesetzt, Spontaneität wurde wichtig, das Erfassen einer flüchtigen Bewegung, ebenso wie neue Posen und eher spielerisch eingesetzte Accessoires. Zu Beginn der 1920er Jahre wendete sich die Fotografie der Neuen Sachlichkeit der nüchternen Darstellung der sichtbaren Welt in klaren Bildkonzepten zu. Die innovative Bildsprache der Fotografie der Weimarer Republik im Grenzbereich zwischen Dokumentarfotografie und Kunst beeinflusst die Bildmedien bis heute. Der Blick auf den arbeitenden Menschen rückte ebenfalls ins Geschehen. Die Bildkultur der Weimarer Republik ist durch die Arbeiterfotografie nachhaltig geprägt worden. Sozialreportagen aus der bislang völlig ausgeblendeten Lebenswelt der Arbeiter und der Welt der Arbeitslosen wurden ein Thema der illustrierten Presse.

Yva (Else Neuländer-Simon), Strandmode, Berlin um 1932. © Stiftung F. C. Gundlach

Die Ausstellung

Die Sonderausstellung „Fotografie in der Weimarer Republik“ ist eine Übernahme aus dem LVR-LandesMuseum Bonn. In rund 350 Fotografien wirft die Ausstellung einen Blick auf diese turbulente Zeit. Originalfotografien, ergänzt durch Bücher, Zeitschriften, Zeitungen und Postkarten sind in der Ausstellung in zehn Themen-Räumen zu entdecken:

• Revolution und Republik
• Tanz und Mode
• Das Ringen um die Republik
• Technik und Architektur
• Glanz und Elend
• Neue Sachlichkeit und Neues Sehen
• Arbeiterfotografie und Fotografierte Arbeit
• Bauhaus | Surrealismus | Dada
• Sport
• Porträt

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, „Architektur“

Die Ausstellung ist als Rundgang aufgebaut. Begriffe, Ereignisse und Personen, die in den Ausstellungstexten mit einem Stern* gekennzeichnet sind, werden im Begleitheft, welches in der Ausstellung kostenlos zur Verfügung steht, ausführlicher erläutert.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, „Neue Sachlichkeit und Neues Sehen“

Ein Kooperationsprojekt des LVR-LandesMuseums Bonn, der Stiftung F. C. Gundlach Hamburg und der Deutschen Fotothek Dresden mit Unterstützung von ullstein bild collection Berlin. Die Ausstellung ist gefördert durch die Kunststiftung NRW. Sie wird im Rahmen des Verbundprojektes „100 jahre bauhaus im westen“ präsentiert. „100 jahre bauhaus im westen“ ist ein Projekt des NRW-Ministeriums für Kultur und Wissenschaft und der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, „Bauhaus | Surrealismus | Dada“

Zur Ausstellung ist ein Katalog mit Fotografien von Alfred Eisenstaedt, Hugo Erfurth, Hans Finsler, Hannes Maria Flach, Lotte Jacobi, Paul W. John, Kurt Kranz, Werner Mantz, Martin Munkácsi, Albert Renger-Patzsch, Franz Roh, Werner Rohde, Erich Salomon, August Sander, Theo Schafgans, Friedrich Seidenstücker, Anton Stankowski, Alex Stöcker, Umbo, Yva u. a. sowie Texten von Lothar Altringer, Katrin Bomhoff, Jens Bove, Adelheid Komenda, Sebastian Lux, Franziska Mecklenburg, Georg Mölich und Maike Schmidt im Hirmer-Verlag, München erschienen, Herausgeber LVR-Landesmuseum Bonn, Deutsche Fotothek Dresden und Stiftung F. C. Gundlach Hamburg, 264 Seiten, 268 Abbildungen, ISBN 978-3-7774-3407-0. Die Museumsausgabe ist zum Preis von 24,90 € im Museumsshop erhältlich.

Der Torwart greift nach dem Ball, Berlin Ende 1920er Jahre, Martin Munkácsi, Rosy Barsony, 1932, Sammlung F. C. Gundlach. © The Martin Munkacsi Estate

Die Sonderausstellung „Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau ist vom 25. Januar bis 29. Mai 2022 Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet, an Karneval vom 23. Februar bis 1. März 2022, Karfreitag, Ostermontag und Pfingstmontag geschlossen. Der Eintritt beträgt 6,50 €, ermäßigt 5,50 €, Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres haben im LVR-Industriemuseum freien Eintritt.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, „Sport“

Im Rahmenprogramm werden regelmäßig am ersten und dritten Sonntag im Monat öffentliche Führungen durch die Ausstellung angeboten, am 17. März und 12. Mai gibt es Blue Hour Führungen mit „Sektplauderei“. Außerdem ist am 20. März eine musikalische Veranstaltung mit Schlagern, Liedern, Couplets und Histörchen der Wilden Zwanziger Jahre mit der Schauspielerin und Sängerin Veronika Maruhn und dem Pianisten Robert Dißelmayer sowie am 30. April ein Tangoabend mit anschließendem Tanzworkshop vorgesehen. Weitere Informationen auf www.industriemuseum.lvr.de.

„Fotografie in der Weimarer Republik“ im Peter-Behrens-Bau, Selfie Point

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