„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“

LWL-Museum für Archäologie zeigt Rekonstruktion des inneren Steinkreises in Originalgröße

Ab Donnerstag, 23. September 2021, zeigt das LWL-Museum für Archäologie in Herne das berühmteste archäologische Denkmal Europas. In der Sonderausstellung „Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“ treten die Besucher:innen ein in eine Laserscandaten-basierte 1:1-Rekonstruktion des inneren Steinkreises in England. Projektionen ergänzen die Rekonstruktion auf rund 80 Quadratmetern Fläche, die die Landschaft rund um das UNESCO-Weltkulturerbe-Monument zeigen. Eine Lichtinszenierung bildet einen authentischen Tagesverlauf in der Landschaft von Stonehenge nach.

LWL-Museum für Archäologie in Herne

„Stonehenge ist nicht allein“

Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL): „Was vielen bisher unbekannt ist, präsentieren Archäolog:innen des LWL in der neuen Sonderausstellung in Herne: Stonehenge stand nicht allein. Es gibt Parallelen zu unserer Region. Schon 1.000 Jahre früher als in Südengland haben Menschen in Westfalen Gräber aus großen Steinen – sogenannte Megalithen – errichtet. Diese Megalithen setzen bis heute Marken in der Landschaft – ähnlich wie im Ruhrgebiet die Halden und Trassen der inzwischen ebenso Geschichte gewordenen Steinkohleindustrie.“

Wie haben es die Menschen der Jungsteinzeit geschafft, mit einfachsten Mitteln tonnenschwere Steine über hunderte Kilometer hinweg zu transportieren? Und warum haben sie die Strapazen auf sich genommen? „Diese offenen Fragen machen vielleicht die Faszination von Stonehenge aus und das Monument zu einer Ikone, zum Popstar der Archäologie“, so Matthias Löb. Natürlich könne auch das LWL-Museum für Archäologie nicht alle Rätsel lösen, aber es mache den aktuellen Forschungsstand anschaulich.

Blick auf Stonehenge von Osten. Foto: LWL-AfWL/M. Rind

Von Menschen und Landschaften

LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind: „Der Kern unserer Ausstellung ist nicht Stonehenge als zentrales Monument allein. Uns geht es darum, zu zeigen, wie eine ganze Kulturlandschaft sich entwickelt und wie Stonehenge als Höhepunkt dieser Entwicklung gebaut und immer wieder auch umgebaut worden ist.“ Schon vor tausenden von Jahren hätten Menschen Monumente errichtet, die die Landschaft dauerhaft markieren und Erinnerungsorte schaffen. „Mit unserer Sonderausstellung machen wir die Gestaltung dieser Kulturlandschaft durch den Menschen erstmals sichtbar und stellen sie den steinzeitlichen Entwicklungen in Westfalen gegenüber.“

Virtuelle Rekonstruktion von Stonehenge in seiner umgebenden Landschaft um 2500 v. Chr. Foto: LBI ArchPro

Bei der Entwicklung einer eigenen Prospektionsabteilung kooperierte die LWL-Archäologie für Westfalen mit dem Ludwig Boltzmann Institut für archäologische Prospektion und virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) in Wien. Michael Rind: „Das LBI ArchPro ist europaweit führend auf dem Gebiet. Seit 2017 arbeiten wir mit dem Institut zusammen, um mit moderner Technik westfälische Bodendenkmäler zerstörungsfrei mittels geomagnetischer und hochauflösender Radar-Messungen aufzuspüren.“

„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“, Blick in die Ausstellung

Projekt „Stonehenge Hidden Landscapes“

Das LWL-Archäologiemuseum präsentiert in seiner Sonderausstellung „Stonehenge“ unter anderem aktuelle Forschungsergebnisse der Wiener Wissenschaftler:innen zum sogenannten „Superhenge“ von Durrington Walls in unmittelbarer Nachbarschaft zu Stonehenge, die erst im vergangenen Jahr weltweit für Aufmerksamkeit sorgten. Prof. Dr. Wolfgang Neubauer, Direktor des Instituts und Leiter des „Stonehenge Hidden Landscapes Project“ (zu deutsch Stonehenge versteckte Landschaften) schreibt dazu: „Mit unserem Projekt konnten wir zeigen, dass das prähistorische Monument von Stonehenge keine isolierte Kultstätte ist, sondern Teil einer rituellen Landschaft von gewaltigen Ausmaßen. Mittels moderner Technik haben wir in Durrington Walls, drei Kilometer vom Steinkreis entfernt, quasi eines der größten prähistorischen Monumente Großbritanniens aufgedeckt.“

Auf einer Fläche von 16 Quadratkilometern hatte ein Team von Forscher:innen des LBI ArchPro gemeinsam mit der Universität von Birmingham über mehrere Jahre bisher unbekannte Bauwerke rund um Stonehenge aufgespürt. Wolfgang Neubauer: „Wir haben viele Terrabytes an Daten gesammelt. Deren Auswertung wird sicherlich noch Jahre dauern, aber einige unserer Forschungsergebnisse stellen wir in Herne erstmals der Öffentlichkeit vor.“ Wie sich Stonehenge über die Jahrtausende verändert hat und was sich noch heute unter der Erdoberfläche verbirgt, können Besucher:innen dank moderner 3D-Rekonstruktionen an zahlreichen Medienstationen im LWL-Archäologiemuseum entdecken.

Eine ähnliche Entwicklung steinzeitlicher Landschaft gab es auch in Westfalen. Dr. Kerstin Schierhold, Expertin für Megalithkulturen in Westfalen: „Das Bauen mit großen Steinen war ein europäisches Phänomen der Jungsteinzeit, das bereits 3.500 v. Chr. Westfalen erreichte. Wir zeigen den Besucher:innen in der Ausstellung, dass es noch heute sichtbare Spuren dieser Zeit in der Landschaft gibt.“

„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“, Detail des inneren Steinkreises

Begleitprogramm und Kooperation mit British Museum in London

Museumsleiterin Dr. Doreen Mölders: „Dies ist die erste Sonderausstellung, bei der wir nicht nur auf Veranstaltungen vor Ort setzen, sondern auch auf digitale Events. Wir wollen unsere Besucher:innen live und online nach London in eines der größten und bedeutendsten kulturgeschichtlichen Museen weltweit entführen.“ Im Rahmen der Sonderausstellung „Stonehenge“ konnte das LWL-Museum für Archäologie das British Museum in London für eine Kooperation gewinnen. Neben Live-Online-Führungen durch die Museen in London und Herne gehen internationale Wissenschaftler:innen dem berühmten englischen Monument in einer gemeinsamen digitalen Vortragsreihe auf den Grund.

Doreen Mölders: „Die atmosphärische Lichtinstallation, in die unsere Rekonstruktion des englischen Monumental-Bauwerks eingebettet ist, schafft einen ganz besonderen Ort. Er ist wie geschaffen für eine Lesung unter Sternenhimmel oder, je nach Pandemie-Lage, auch für Clubabende. Die nachgebauten Steine bieten sich als Projektionsfläche für zeitgenössische Mapping Art, also kartografische Kunst, geradezu an. Zum Glück läuft unsere Ausstellung genau ein Jahr, so dass wir viel Spielraum für besondere Erlebnisse haben.“

„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“, Blick in die Ausstellung

Besondere Funde und Ausstellungsgestaltung

Das Museum in Herne zeigt besondere Funde der englischen Archäologie und der LWL-Archäologie für Westfalen, darunter die fast 4.000 Jahre alten goldenen Zierstifte des „Bush Barrow Man“, die goldene sogenannte „Mere Sun Disc“, Werkzeuge und Werkabfälle von Stonehenge sowie Funde aus westfälischen Megalithgräbern. Zu den Leihgebern gehören das Wiltshire Museum, das Dorset Museum und das Salisbury Museum. Hochmoderne Rekonstruktionen mit VR-Technik (VR für virtuelle Realität), 3D-Modelle, Grafiken und Multimedia-Stationen nehmen die Besucher:innen mit auf eine interaktive Reise: Die Besucher:innen starten vor rund 10.000 Jahren an der Quelle von Blick Mead und wandern, vorbei an zahlreichen Monumenten der Salisbury-Ebene, bis ins Zentrum von Stonehenge. Sie erleben die Ausmaße des imposanten Steinkreises hautnah anhand originalgetreuer Repliken im Maßstab 1:1 und können in einer raumgreifenden Projektion beobachten, wie die bis zu sieben Meter hohen Steine aufgestellt und an ihren Platz gehoben werden.

„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“. Das wertvollste Objekt: „Mere Sun Disc“ („Sonnenscheibe“ von Mere), Fundort: Mere in Whiltshire, Kupferzeit/frühe Bronzezeit (um 2450/2400–2300 v. Chr.), Wiltshire Museum. Foto: LWL/D. Sadrowski

Sichtachsen zwischen auf- und untergehenden Sonnendarstellungen im Steinkreis und außerhalb sollen dafür sorgen, dass sich Besucher:innen in die Zeit der Winter- und Sommersonnenwende versetzt fühlen. Die Reise führt weiter durch die Bronzezeit bis in die Moderne, wo Orte wie Stonehenge noch immer als soziale Treff- und Orientierungspunkte dienen.

„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“. Das kurioseste Objekt: pinke Feuersteinknolle aus Blick Mead, Amesbury, Wiltshire. Die Verfärbung ist durch einen Überzug mit Rotalgen (Hildenbrandia rivularis) entstanden

Die Sonderausstellung „Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“ ist bis zum 25. September 2022 in Herne zu sehen. Sie basiert auf dem Konzept einer Ausstellung vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro), die 2016 und 2017 in Mistelbach (Österreich) gezeigt wurde. Nun wird erstmals eine 1:1-Rekonstruktion des inneren Steinkreises von Stonehenge in Deutschland präsentiert. Ergänzt wird die Ausstellung mit dem Blick auf die westfälische Kulturlandschaft und das Ruhrgebiet sowie aktuelle Forschungsergebnisse des LBI ArchPro. Weitere Informationen unter www.stonehenge-ausstellung.lwl.org

„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“, Pfosten aus einer Pfostengrube in der Landschaft von Stonehenge (mögliches Aussehen), 8500 bis 7000 v. Chr.

Zur Ausstellung erscheint der Katalog „Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“, Herausgeber LWL-Museum für Archäologie, Westfälisches Landesmuseum und Ludwig Boltzmann Institut für archäologische Prospektion und virtuelle Archäologie, 336 Seiten, 308 Farb- und 28 S/W-Abbildungen, 34,95 Euro (im Museumsshop 24,95 Euro), Michael Imhof Verlag, Petersberg 2021, ISBN 978-3-7319-1070-1

„Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“, Kupferbeil, nach 3800 v. Chr., Willebadessen-Peckelsheim, Frömkenberg, Kreis Höxter

Das LWL-Museum für Archäologie hat Dienstag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet, Donnerstag von 9 bis 19 Uhr sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Das Museum ist am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar geschlossen. Der Eintritt in die Ausstellung „Stonehenge“ beträgt für Erwachsene 7 Euro, 3,50 Euro ermäßigt, Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahre haben freien Eintritt. Ein Kombiticket für die Sonder- und Dauerausstellung ist zum Preis von 10 Euro erhältlich, 5 Euro ermäßigt.

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