Die Spielzeit 2021/2022 am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Musicalische Höhepunkte am Kleinen und Großen Haus

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


„Avenue Q“ (Premiere: 29. August 2021, Kleines Haus)

„Avenue Q“ – ein „Musical für Erwachsene“; Musik, Texte: Robert Lopez, Jeff Marx; Buch: Jeff Whitty; Deutsche Übersetzung: Dominik Flaschka (Dialoge) und Roman Riklin (Songtexte); Inszenierung: Carsten Kirchmeier; Choreografie: Frank Wöhrmann; Ausstattung: Beata Kornatowska; Puppenbau: Birger Laube nach Rick Lyons; Dramaturgie: Anna Chernomordik; Musikalische Leitung: Heribert Feckler. Darsteller: Nicolai Schwab (Princeton/Rod), Charlotte Katzer (Kate Monster/Lucy die Schlampe), Daniel Jeroma (Nicky/Trekkie Monster/Bullshit-Bär), Robin Reitsma/Merten Schroedter (Macaulay Culkin), Lanie Sumalinog (Christmas Eve), Sebastian Schiller (Brian), Gloria Iberl-Thieme (Lavina Semmelmöse/Bullshit-Bär/Puppenspiel für Lucy die Schlampe), N. N. (Ricky), Seth Tietze (Neuankömmling/Puppenspiel für Princeton, Rod, Trekkie Monster und weitere Rollen), Tina Podstawa/Marharyta Pshenitsyna (Puppenspiel für Kate Monster, Lucy die Schlampe, Nicky und weitere Rollen). Uraufführung: 19. März 2003, Vineyard Theatre, New York City. Broadway-Premiere: 31. Juli 2003, John Golden Theatre, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 26. Februar 2011, Theater St. Gallen. Deutsche Erstaufführung: 19. April 2012, Nationaltheater Mannheim. Premiere: 29. August 2021, Musiktheater im Revier, Kleines Haus, Gelsenkirchen.

Robert Lopez und Jeff Marx haben sich 1998 beim BMI Lehman Engel Musical Theater Workshop kennengelernt, wo sie zusammen acht Songs und das Skript für „Kermit, Prince of Denmark“ schrieben, eine Muppet-Parodie auf „Hamlet“ von William Shakespeare. Bei der Jim Henson Company lernten sie Rick Lyon kennen, der von 1987 bis 2002 als Puppenspieler in der „Sesame Street“ mitgespielt hat. Brian Henson war zwar nicht an „Kermit, Prince of Denmark“ interessiert, aber es wurde mit dem 10th Annual Kleban Award in der Kategorie Lyrics ausgezeichnet. 1999 begannen Robert Lopez und Jeff Marx mit der Arbeit an „Avenue Q“ als Fernsehserie mit Puppen und Gesang und baten Rick Lyon, die Puppen für die Show zu entwerfen und auch selbst mitzuspielen. Bei der Präsentation einiger Songs waren die „Rent“-Produzenten Kevin McCollum und Jeffrey Seller sofort davon angetan, und so wurde aus der TV-Show ein Musical. „Avenue Q“ wurde am 19. März 2003 zunächst off-Broadway am Vineyard Theatre uraufgeführt, Rick Lyon spielte als Nicky/Trekkie Monster/Bad Idea Bear mit. Das Musical wurde aufgrund des großen Erfolges mehrfach verlängert (72 Aufführungen) und schließlich an den Broadway transferiert, wo es am 31. Juli 2003 am John Golden Theatre Premiere feierte. Dort wurde es bis 13. September 2009 in 2.534 Aufführungen gezeigt. Am 9. Oktober 2009 wurde die Show off-Broadway am „New World Stages“-Theater wiederaufgenommen und wurde dort bis 26. Mai 2019 gespielt. Die Broadway-Produktion gewann 2004 drei Tony Awards in den Kategorien Best Musical, Best Book of a Musical und Best Original Score und setzte sich in diesen Kategorien gegen das Musical „Wicked“ von Stephen Schwartz (Musik, Lyrics) und Winnie Holzman (Buch) durch. Am Londoner West End feierte „Avenue Q“ am 28. Juni 2006 im Noël Coward Theatre Premiere und wurde dort in 1.179 Vorstellungen bis 28. März 2009 gezeigt, bevor vom 1. Juni 2009 bis 13. März 2010 weitere 327 Aufführungen am Gielgud Theatre gespielt wurden. Nach einem letzten Transfer an das Wyndham’s Theatre, wo die Show bereits am 19. März 2010 wiederaufgenommen wurde, endete die vierjährige Spielzeit am West End am 30. Oktober 2010. Das Theater St. Gallen zeigte am 26. Februar 2011 die deutschsprachige Erstaufführung, die vom Nationaltheater Mannheim ab 19. April 2012 als Deutsche Erstaufführung übernommen wurde. Das Musiktheater im Revier zeigt das nicht gänzlich jugendfreie Musical als Übernahme einer Produktion des Landestheaters Niederbayern mit einer Altersempfehlung ab 18 Jahren, auf der Website der Produktion im „New World Stages“-Theater hieß es zu diesem Thema: „AVENUE Q is great for teenagers because it’s about real life. It may not be appropriate for young children because AVENUE Q addresses issues like sex, drinking, and surfing the web for porn… if you DO bring your teenagers to AVENUE Q, they’ll think you’re really cool.“ Man sollte sich lieber keinen falschen Illusionen hingeben, schon Kinder wissen: „The Internet is for Porn.“

Während bei den Aufführungen in St. Gallen (Premiere 26. Februar 2011, Regie Dominik Flaschka), Mannheim (Premiere 19. April 2012, Regie Dominik Flaschka) und am Theater Hagen (Premiere 5. September 2015, Regie Sascha Wienhausen) die von Rick Lyon entworfenen und von Hand gefertigten Original-Puppen benutzt wurden, die für diese Inszenierungen ausgeliehen waren, kamen bei den Produktionen des Deutschen Theaters München in Kooperation mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding (Premiere 12. Juni 2012, Regie Reinhardt Friese), des Theaters für Niedersachen (Premiere 19. August 2016, Regie Jörg Gade) und des Theaters Bielefeld (Premiere 10. September 2017, Regie Nick Westbrock) die vom Münchner Masken- und Figurenbildner Birger Laube nach dem Vorbild der Originale in Handarbeit angefertigten Puppen zum Einsatz. Diese sind auch in Gelsenkirchen zu sehen.

Die fiktive Avenue Q in New York City ist keine gute Adresse: Hier wohnen nicht die Schönen und die Reichen, sondern hier wohnen Menschen, die ihre größten Erfolge entweder schon lange hinter sich haben oder noch darauf hoffen – wenn auch im Moment leider vergeblich. Sie träumen davon, ein Star zu sein, oder auch nur eine erfolgreiche Kindergärtnerin, und vor allem träumen sie von der Liebe. Die ist hier allerdings noch ein bisschen komplizierter als anderswo, denn die Bewohner der Avenue Q sind nur zum Teil Menschen. Neben dem aufstrebenden Comedian Brian, der ständig auf der Suche nach einem neuen Job ist, und seiner japanischen Verlobten Christmas Eve, einer Therapeutin ohne Patienten, als mehr oder weniger normalem Paar steht in Gelsenkirchen Macaulay Culkin als dritte „echte“ Person als Hausmeister auf der Bühne. Alle übrigen Charaktere sind Puppen, die von Puppenspielern bewegt werden, die ihnen auch ihre Stimme leihen. Deren Ähnlichkeit mit den Stars der „Sesame Street“ ist keineswegs zufällig. Da ist Princeton mit einem Collegeabschluss in Englisch, der nach seiner Bestimmung im Lebens sucht, die Kindergärtnerinnen Assistentin Kate Monster, die sich eine feste Partnerschaft wünscht, die Zimmergenossen Nicky und Rod, einer heterosexuell und einer homosexuell, der mürrische Einsiedler Trekkie Monster, der sich vornehmlich pornografische Filme im Internet anschaut, die Nachtclubsängerin Lucy, die ältere Kindergärtnerin Frau Semmelmöse, Kates Boss, und die beiden Bad Idea Bears, die Verkörperung von Princetons und Kate Monsters schlechten Charaktereigenschaften. Das erfolgreiche Broadway-Musical handelt von den Sehnsüchten und Problemen der Menschen zwischen 25 und 40 Jahren, die Figuren des Kinderfernsehens zeigen hier ihre erwachsenen Seiten: Toleranz gegenüber Homosexuellen wird ihnen ebenso zum Konfliktstoff wie Rassismus; Verrat ebenso zum Thema wie Treue und Solidarität. So schräg das Leben der Menschen und Puppen auf der Avenue Q aber auch mitunter sein mag, am Ende ist die Botschaft einfach und überzeugend: Wer zusammenhält, ist stärker und glücklicher.


„Hedwig and the angry inch“ (Premiere: 5. Februar 2022, Kleines Haus)

„Hedwig and the angry inch“ – Musik, Texte: Stephen Trask; Buch: John Cameron Mitchell; Deutsche Übersetzung: Rüdiger Bering und Wolfgang Böhmer; Inszenierung: Carsten Kirchmeier; Bühne und Kostüme: Jürgen Kirner; Licht: N. N.; Sounddesign: N. N.; Dramaturgie: Anna-Maria Polke; Musikalischer Leiter: N. N. Darsteller: Alex Melcher (Hedwig), Nina Janke (Yitzhak). Off-Broadway-Premiere: 14. Februar 1998, Jane Street Theatre, New York City. Broadway-Premiere: 22. April 2014, Belasco Theatre, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 10. September 1999, Halle Kalk, Köln. Österreichische Erstaufführung: 23. März 2006, Wiener Metropol, Wien. Premiere: 5. Februar 2022, Musiktheater im Revier, Kleines Haus, Gelsenkirchen.

Das Musical folgt der Biografie von Hedwig Robinson, einer genderqueeren DDR-Sängerin einer fiktiven Rock’n’Roll-Band. Die Geschichte bezieht sich auf John Cameron Mitchells Leben als Kind eines Generalmajors der US-Armee, der einst den US-Sektor des besetzten West-Berlin kommandierte. Der Charakter von Hedwig wurde von Mitchells Babysitter inspiriert, die nachts als Prostituierte in ihrem Wohnwagenpark in Junction City, Kansas, im Mondlicht stand. Die Musik ist durchdrungen vom androgynen Glam-Rock-Stil der 1970er-Jahre von David Bowie (der die Produktion der Show in Los Angeles co-produzierte) sowie von der Arbeit von John Lennon und den frühen Punk-Performern Lou Reed und Iggy Pop.

Für die vermeintlich große Liebe und eine Ausreise von Ostberlin in die USA lässt sich Hansel Schmidt zur Frau operieren. Aus Hansel wird Hedwig, doch die OP läuft schief, ein „angry inch“ bleibt zurück und erinnert zeitlebens an das alte Ich. Wenig später vom Freund Luther Robinson verlassen, hält sich Hedwig in der neuen Heimat mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser, bis sie sich wieder verliebt. Für den Neuen komponiert sie Songs und verhilft ihm so als „Tommy Gnosis“ zur Rolle des gefeierten Superstars. Als er sie sitzen lässt und mit ihren Kompositionen abhaut, reist ihm die Rock’n’Roll Drag-Queen mit ihrer zusammengewürfelten Band nach und begibt sich auf eine ganz eigene Tour mit vielen Herausforderungen und Enttäuschungen.

Ein Musical über die Suche nach dem eigenen Ich, die eigene Geschlechtsidentität, über gebrochene Herzen und große Verluste mit eingängigen Rocknummern und viel Temperament. Das Kult-Musical wurde 2001 mit den Darstellern der Off-Broadway-Premiere John Cameron Mitchell als Hedwig und Miriam Shor als Yitzhak verfilmt. Bei der Österreichischen Erstaufführung im Wiener Metropol waren Andreas Bieber als Hedwig und Anke Fiedler als Yitzhak zu sehen.


„Krabat“ (Uraufführung: 5. Juni 2022, Großes Haus)

„Krabat“ – nach einer sorbischen Volkssage und dem Jugendbuch von Otfried Preußler (1971); Musik: Himmelfahrt Scores und Coppelius; Lbretto: Ulf Schmidt; Inszenierung: Manuel Schmitt; Bühne: Julius Theodor Semmelmann; Kostüme: Sophie Reble; Video: Judith Selenko; Dramaturgie: Anna Chernomordik; Musikalische Leitung: Peter Kattermann. Darsteller: Sebastian Schiller alias Bastille (Krabat, sorbischer Waisenjunge), Joachim G. Maaß (Der Meister), Bele Kumberger (Kantorka), Sebastian Campione (Tonda, Altgeselle), Martin Petschan (Juro, Geselle), Graf Lindorf (Lyschko), Max Coppella (Michael und Lobosch, Krabats Freund), Julius Warmuth (Merten), Sissy Voss (Kito), Béla Schölei (Staschko), Comte Caspar (Andrusch), Daniel Jeroma (Kubo), Scarlett Pulwey (Witko, Lehrjunge), Herr Linus von Doppelschlag (Hanzo), Merten Schroedter (Petar). Uraufführung: 9. Mai 2020 5. Juni 2022, Musiktheater im Revier, Großes Haus, Gelsenkirchen.

Nach dem großen Erfolg von „Klein Zaches, genannt Zinnober“ kommen Coppelius zurück auf die Bühne des Musiktheaters im Revier. Gemeinsam mit dem Komponisten-Kollektiv „Himmelfahrt Scores“ (Jan Dvořák, Peter Häublein, Roman Vinuesa) und dem Dramatiker Ulf Schmidt soll eine Bühnenfassung von Otfried Preußlers „Krabat“ entstehen, die die Abgründe und Schaurigkeiten der Vorlage auf die Bühne bringt. Nachdem die Uraufführung am 9. Mai 2020 der Covid-19-Pandemie zum Opfer gefallen ist, soll diese nun mehr als zwei Jahre später am 5. Juni 2022 nachgeholt werden.

Aus der fantastisch-historischen Welt der sorbischen Volkssage machte Otfried Preußler in seinem Jugendbuch eine Parabel über Macht, Machtmissbrauch und Verantwortung. Am Ende steht der zum Meisterschüler gereifte sorbische Waisenjunge Krabat vor einer schweren Entscheidung – will er mithilfe des Meisters noch mächtiger werden oder will er ihn und sein System der Grausamkeit stürzen?

Daneben soll es im Kleinen Haus ab 10. Dezember 2021 noch den Soloabend „Say it with Music!“ mit Anke Sieloff geben, außerdem am 22. und 30. Januar 2022 die Wiederaufnahme von „Marlene und die Dietrich“ mit Gudrun Schade. Natürlich alles vorbehaltlich etwaiger Einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie.

Alle Angaben zu Premierendaten, Besetzungen u. ä. selbstverständlich ohne Gewähr.

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