„Catch me if you can – Das Musical“ am Ruhrfestspielhaus


„Catch me if you can – Das Musical“ – nach dem gleichnamigen DreamWorks Spielfilm (2002) mit Leonardo DiCaprio und Tom Hanks; Musik: Marc Shaiman; Gesangstexte: Marc Shaiman und Scott Wittman; Buch: Terrence McNally; Deutsche Bearbeitung: Werner Sobotka; Regie: Georg Münzel; Choreografie: Sven Niemeyer; Bühne: Johannes Fischer; Kostüme: Volker Deutschmann; Licht: Mathias Wicher; Ton: Aidin Salkhi; Musikalischer Leitung: Andreas Binder/Felix Meyerle (Bandleader). Darsteller: Philipp Moschitz (Frank Abagnale Jr.), Walter Plathe/Georg Münzel (Frank Abagnale Sr.), Lillemor Spitzer (Paula Abagnale, Carol Strong u. a.), Ilja Richter (Carl Hanratty), Carina Böhmer (Brenda Strong u. a.), Christian R. Meyer (Agent Todd Branton, Mitch Miller, Pilot, Arzt u. a.), Marwin Funck (Agent Johnny Dollar, Pilot, Arzt u. a.), Olaf Paschner (Roger Strong, Jack Barnes, Dr. Wannamaker, Saxophon, Percussion u. a.), Alexandra Kurzeja (Diane, Rezeptionistin, Stewardess, Krankenschwester u. a.), Luisa Meloni (Callgirl Cheryl-Ann, Betty, Stewardess, Krankenschwester u. a.), Jacqueline Smit (Tänzerin, Stewardess, Pilotin, Schwester, Ärztin u. a.), Fides Groot Landeweer (Tänzerin, Direktorin, Stewardess, Pilotin, Schwester, Ärztin u. a.). Broadway Premiere: 10. April 2011, Neil Simon Theatre, New York City. Europäische Erstaufführung: 24. Oktober 2013, Kammerspiele, Wien. Deutsche Erstaufführung: 30. Januar 2015, Staatsoperette Dresden. Premiere: 1. Juni 2017, Burgfestspiele Jagsthausen. 14. Juli 2018, Altonaer Theater, Hamburg. Tourneepremiere: 29. Januar 2019, Theater am Ring, Saarlouis. Besuchte Vorstellung: 4. Februar 2019, Ruhrfestspielhaus, Recklinghausen.



„Catch me if you can – Das Musical“


Die Geschichte des Hochstaplers Frank W. Abagnale Jr. als Musical auf Tournee


Frank William Abagnale Jr. (* 27. April 1948 in Bronxville, New York) wuchs mit drei Geschwistern in New Rochelle, New York auf. Seine französische Mutter Paulette und sein Vater Frank Abagnale Sr. trennten sich, als Frank 12 Jahre alt war. Vier Jahre später ließen sie sich scheiden, und Frank nutzte die Kreditkarte seines Vaters, um Scheingeschäfte abzuwickeln und sich Bargeld zu beschaffen. Die Schulden in Höhe von $ 3.400 musste sein Vater begleichen. Nach dem beruflichen und gesellschaftlichem Abstieg des Vaters riss Frank im Alter von 16 Jahren 1964 mit einem Scheckbuch und 200 Dollar auf dem Konto nach New York City aus, wo er sich zunächst mit Gelegenheitsjobs durchschlug. Nachdem er sich in seinem Führerschein kurzerhand um 10 Jahre älter gemacht hatte, bestritt er seinen Lebensunterhalt mit ungedeckten Schecks und eröffnete unter falschem Namen Konten bei verschiedenen Banken. Um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, gab er sich als Kopilot von Pan American World Airways aus, als so genannter Deadhead bereiste er weltweit 26 Länder und konnte in seiner Uniform überall seine gefälschten Schecks einlösen. Nachdem seine wahre Identität bei einem Dead-Head-Flug in New Orleans beinahe enttarnt wurde, tauchte er für einige Zeit unter dem Pseudonym Frank Williams in Georgia unter, wo er bald übergangsweise als Oberarzt tätig wurde. Nach elf Monaten wurde ihm bei einem Notfall jedoch bewusst, dass er damit das Leben der Patienten aufs Spiel setzt, und er zog weiter.

„Catch me if you can – Das Musical“, Altonaer Theater, Philipp Moschitz (Frank Abagnale Jr.), Carina Böhmer (Brenda Strong), Lillemor Spitzer (Carol Strong) und Olaf Paschner (Roger Strong). © G2 Baraniak

Als nächstes gab er sich in Louisiana als Jurist mit Havard-Abschluss aus und bekam im Alter von 19 Jahren einen Job bei der Staatsanwaltschaft. Als sich ein echter Havard-Absolvent für seinen Hintergrund interessiert und Fragen stellt, geht er diesen lieber aus dem Weg. Frank wurde 1969 nach sieben Jahren auf der Flucht in Frankreich verhaftet und im Gefängnis von Perpignan inhaftiert. Nach einem halben Jahr wurde er nach Schweden ausgeliefert und saß im Gefängnis in Malmö ein. Nach weiteren sechs Monaten wurde er in die Vereinigten Staaten ausgeliefert, wo er zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. 1974 wurde er unter der Bedingung vorzeitig aus der Justizvollzugsanstalt in Petersburg, Virginia entlassen, den Behörden bei der Aufklärung von Betrug und Fälscherei zu helfen. Nach einigen erfolglosen Gelegenheitsjobs bot er Banken seine Dienste als Sicherheitsberater an, und auch beim FBI war seine Expertise gefragt. In Tulsa, Oklahoma gründete Frank „Abagnale & Associates“, das Unternehmen bei Betrugsfällen berät.

„Catch me if you can – Das Musical“, Altonaer Theater, Alexandra Kurzeja, Fides Groot Landeweer, Lillemor Spitzer, Ilja Richter (Carl Hanratty), Nadja Wünsche, Jacqueline Smit, Carina Böhmer. © G2 Baraniak

Mit Unterstützung von Stan Redding verfasste Frank William Abagnale Jr. seine Autobiografie (Frank W. Abagnale, Jr., Stan Redding: Catch me if you can: the amazing true story of the youngest and most daring con man in the history of fun and profit. Grosset & Dunlap, New York 1980). Die Filmrechte hatte er bereits kurz nach Erscheinen verkauft, doch erst 2002 kam die Verfilmung von Steven Spielberg mit Leonardo DiCaprio als Frank W. Abagnale Jr. und Tom Hanks als FBI-Agent Carl Hanratty in die Kinos, die in einigen Details zugunsten einer dramatischeren Erzählung gegenüber der Autobiografie abweicht. Es war womöglich nur eine Frage der Zeit, den Stoff für die Musical-Bühne zu adaptieren: Komponist und Texter Marc Shaiman („Hairspray“, „Charlie and the Chocolate Factory“), Texter Scott Wittman („Hairspray“, „Charlie and the Chocolate Factory“) und Dramatiker Terrence McNally („Kiss of the Spider Woman“, „Ragtime“, „The Full Monty“, „Anastasia“) nahmen sich der Sache an, und nach einer Tryout-Produktion am 5th Avenue Theatre in Seattle im Sommer 2009 kam das Musical „Catch me if you can“ am Neil Simon Theatre am Broadway (Premiere 10. April 2011) heraus, Norbert Leo Butz (Carl Hanratty) wurde mit einem Tony Award als Bester Hauptdarsteller in einem Musical ausgezeichnet. Werner Sobotka besorgte die Deutsche Bearbeitung und inszenierte die europäische Erstaufführung an den Wiener Kammerspielen (Premiere 24. Oktober 2013). Die Deutsche Erstaufführung ging schließlich an der Staatsoperette Dresden (Premiere 30. Januar 2015) über die Bühne, Werner Sobotka führte wiederum Regie. Die Burgfestspiele Jagsthausen zeigten „Catch me if you can“ ab 1. Juni 2017 erstmals als Freilicht-Aufführung mit Philipp Moschitz (Frank Abagnale Jr.), Lillemor Spitzer (Paula Abagnale, Carol Strong u. a.), Ilja Richter (Carl Hanratty), Carina Böhmer (Brenda Strong u. a.) in einer Inszenierung von Georg Münzel, die ab 14. Juli 2018 auch im Altonaer Theater in Hamburg gezeigt wurde und nunmehr auf Tournee zu sehen ist. Außerdem ist das Musical seit 6. Oktober 2018 auch im Repertoire am Staatstheater Nürnberg in der Inszenierung von Gil Mehmert zu erleben.

„Catch me if you can – Das Musical“, Altonaer Theater, Philipp Moschitz (Frank Abagnale Jr.), Jacqueline Smit, Fides Groot Landeweer, Carina Böhmer, Nadja Wünsche, Alexandra Kurzeja (Stewardessen) © G2 Baraniak

Regisseur Georg Münzel lässt Frank W. Abagnale, Jr. sein Leben in einer fiktiven TV-Show erzählen, nachdem er von FBI-Agent Carl Hanratty am Flughafen von Maimi verhaftet wurde. Indem Frank zum Showmaster seiner eigenen Show wird, bekommt er die Gelegenheit, auch Szenen zu kommentieren, in denen er selbst eigentlich gar nicht mitspielt. Sven Niemeyer hat mit dem Ensemble die zu einer TV-Show der 1960er-Jahre passenden Choreografien einstudiert, auf der großen Hauptbühne des Ruhrfestspielhauses – die Hauptbühne hat mit Seiten- und Nebenbühnen eine Fläche von rund 1.200 m² – dürfte das Ensemble in den Tanzeinlagen aber zahlenmäßig etwas besser bestückt sein. Johannes Fischer hat mit der hinteren Bühnenbegrenzung aus satinierten Acrylglaswänden, die von hinten mit LED-Strahlern verschiedenfarbig beleuchtbar sind (Licht: Mathias Wicher), und der mittigen Schiebetür ein Grundbühnenbild – die Schalterhalle des Flughafens von Maimi – geschaffen, das sich durch wenige von den Darsteller*innen auf die Bühne gebrachte Requisiten in die jeweiligen Schauplätze der Szenen verwandeln lässt. Der Monitor über der Schiebetür lässt den Zuschauer in keiner Szene über den jeweiligen Ort der Handlung im Unklaren. Volker Deutschmann hat das Kostümdesign auf die 1960er-Jahre zugeschnitten. Die siebenköpfige Band ist für die Zuschauer nicht sichtbar hinter den Acrylglaswänden angeordnet und bringt Marc Shaimans Partitur mit einer Mischung aus Pop, Jazz und Swing unter der Musikalischen Leitung von Andreas Binder/Felix Meyerle (Bandleader) stimmig zu Gehör, könnte aber für mein Empfinden durchaus ein wenig mehr Manpower vertragen.

„Catch me if you can – Das Musical“, Altonaer Theater, Walter Plathe (Frank Abagnale Sr.), Ensemble. © G2 Baraniak

Das zwölfköpfige Ensemble wird von den Schauspielern Philipp Moschitz und Ilja Richter angeführt. Philipp Moschitz verleiht dem sympathischen, jugendlichen Trickbetrüger Frank W. Abagnale, Jr. meisterhaft Gestalt und lässt auch gesanglich keine Wünsche offen. Als Showmaster seiner eigenen Show ist er jederzeit auf die Aufmerksamkeit der Zuschauer bedacht, zu Beginn des zweites Aktes verteilt er aus diesem Grund sogar Schokolade im Publikum. Ilja Richter verfolgt in der Rolle des grauen FBI-Agenten Carl Hanratty als Antagonist dienstbeflissen bis zur Selbstaufgabe sein Ziel, Frank W. Abagnale Jr. zu verhaften. Dennoch übernimmt Carl Hanratty nach dem gesellschaftlichen Scheitern seines eigenen Vaters für Frank die Vaterrolle, und beide entdecken ihre gegenseitige Sympathie, um am Ende festzustellen, dass sie aneinander hängen („Seltsam, aber wahr“). Walter Plathe (Dr. Ulrich „Uli“ Teschner in der ZDF-Fernsehserie „Der Landarzt“, 1992 – 2009) ist in der Rolle von Franks Vater Frank Abagnale Sr. tragischerweise zum Scheitern verurteilt, ursprünglich ein Vorbild für seinen Sohn lässt ihn sein gesellschaftlicher Abstieg zum Trinker werden, sein Tod wird von Carl Hanratty nur noch beiläufig erwähnt. Die übrigen 9 Darsteller*innen bekleiden jeweils bis zu sechs Rollen, spielen, singen und tanzen gleichermaßen mit Elan und Spielfreude. Lillemor Spitzer hat als Franks Mutter Paula Franks Vater in Frankreich kennengelernt, die beiden haben sich aber in den all den Jahren auseinandergelebt. Musicaldarstellerin Carina Böhmer kann als junge Krankenschwester Brenda Strong, in die sich Frank W. Abagnale Jr. verliebt, nachhaltig auf sich aufmerksam machen, ihr bewegender Song „Flieg, flieg ins Glück“ wird vom Publikum heftig akklamiert. Mit Philipp Moschitz harmoniert sie im Duett „Sieben Wunder“ wunderbar. Lillemor Spitzer und Olaf Paschner bleiben als Brendas traditionelle Mutter Carol bzw. Brendas konservativer, strenger Vater Roger in Erinnerung, der sich als sehr romantisch herausstellt. Christian R. Meyer und Marwin Funck unterstützen als FBI-Agenten Branton und Dollar Carl Hanrattys Verfolgungsjagd, die für ihn zur Obsession wird.

„Catch me if you can – Das Musical“, Altonaer Theater, Philipp Moschitz (Frank Abagnale Jr.), Ilja Richter (Carl Hanratty), Ensemble. © G2 Baraniak

„Catch me if you can – Das Musical“ bietet als Produktion des Altonaer Theaters in Kooperation mit den Burgfestspielen Jagsthausen gut zweieinhalb Stunden kurzweilige, amüsante Unterhaltung zwischen Musical und Boulevardtheater und ist noch bis zum 17. Februar 2019 sowie vom 14. September bis 13. Oktober 2019 auf Tournee im deutschsprachigen Raum zu sehen. Als Tourneetheater-Produktion mit zwei beliebten Altstars und einem Hauptdarsteller, der vor Charme und Spielfreude nur so sprüht und dazu noch ganz exzellent singen kann, ist „Catch me if you can – Das Musical“ auf jeden Fall eine Empfehlung wert.

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