„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“

Sonderausstellung im Ruhr Museum auf der 12-Meter-Ebene der Kohlenwäsche

Im Jahr 2018 schließt die letzte Steinkohlenzeche in Deutschland. Damit endet vor allem im Ruhrgebiet das Zechensterben, das vor exakt sechzig Jahren 1958 begonnen und die Geschichte der Region im Strukturwandel bis heute bestimmt hat. Aus diesem Anlass beginnt das Ruhr Museum sein Programm im Abschiedsjahr von der Kohle mit der Sonderausstellung „Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“ vom 22. Januar bis zum 2. September 2018. Die Ausstellung wird ermöglicht durch die RAG-Stiftung im Rahmen der Initiative „Glückauf Zukunft!“.

Plakat zur Sonderausstellung „Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“. Gestaltung: Uwe Loesch; © Ruhr Museum

Die Ausstellung
Mit rund 160 Fotografien von 60 Steinkohlenzechen und über 250 weiteren, teilweise bislang unveröffentlichten, Fotografien zum Bergbau sowie Auftragsarbeiten und privaten Aufnahmen des Essener Industrie- und Dokumentarfotografen Josef Stoffels präsentiert die Ausstellung einen der bedeutendsten Fotografen und Dokumentaristen des Bergbaus im Ruhrgebiet.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Blick in die Ausstellung, Zeche Prosper III, Bottrop-Stadtmitte, um 1958

Josef Stoffels hat in den 1950er-Jahren so gut wie alle der damals existierenden 150 Klein- und Großzechen im Ruhrgebiet, aber auch in Niedersachsen und im Aachener Raum fotografiert und 1959 im Bildband „Die Steinkohlenzechen. Ruhr, Aachen, Niedersachsen. Das Gesicht der Übertageanlagen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“ veröffentlicht. Damit hat er ein Inventar des Steinkohlenbergbaus auf dem Höhepunkt seiner Produktion erstellt und der Kohlenförderung ein einmaliges Denkmal gesetzt.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Blick in die Ausstellung

Josef Stoffels’ Motivation war die Begeisterung für die Dimension und die Bedeutung des Industriezweiges, der die Welt des damals schon im sechsten Lebensjahrzehnt befindlichen Fotografen bestimmt hatte. Und so dokumentierte er die Steinkohlenzechen im Revier in der Zeit vom Kohleboom zur Kohlekrise mit dem Ziel, eine „Enzyklopädie der Steinkohlenzechen“ zu schaffen. Die finanzielle Unterstützung für sein kostspieliges und für die damalige Zeit ungewöhnliches Vorhaben, ausschließlich in Farbe zu fotografieren, blieb jedoch zunächst aus. Von 1956 an verfolgte er sein Projekt in Schwarzweiß-Fotografien weiter und brachte 1959 den Bildband „Die Steinkohlenzechen“ mit 196 Fotografien heraus. Endlich gab es eine dokumentarische Publikation für die Bergbauindustrie und alle Interessierten. Josef Stoffels’ Bildband erschien in jenem Moment, in dem die Kohlenförderung völlig unverhofft und für die Zeitgenossen kaum vorstellbar in Bedrängnis geriet. Er war ein großes Fanal für die Welt des Bergbaus vor dem Hintergrund ihres beginnenden, aber noch nicht geglaubten, geschweige denn akzeptierten Niedergangs.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Fördermaschinist, Zeche Mathias Stinnes 1/2/5, Essen-Karnap, 1952

So vielfältig die Steinkohlenbergwerke waren, die Josef Stoffels fotografierte, so vielfältig waren seine fotografischen Annäherungen an die Zechen. Er fotografierte mit Kleinbild, Mittelformat und Großbild, inszeniert oder spontan, aus unterschiedlichen Perspektiven, mit unterschiedlichen Bildmustern und ohne bevorzugte Topoi.

Die Ausstellung zeigt im Kapitel Steinkohlenzechen ganz bewusst beide Phasen von Josef Stoffels’ Zechenprojekt, sowohl die Farbaufnahmen aus der ersten Werkphase von 1952 bis 1954, die die Modernität der Anlagen zeigten, als auch die Schwarzweiß-Aufnahmen, die zwischen 1956 bis 1959 entstanden und in besonderem Maße unserem ästhetischen Empfinden der Welt der 1950er-Jahre entsprechen. Die Zechenfotografien werden in Einzelbildern und Serien sowie in kleinformatigen Abzügen aus den 1950er-Jahren präsentiert, darunter erstmals auch damals nicht veröffentlichte Zechenmotive. Anstatt alle Zechenfotografien zu zeigen, konzentriert sich die Ausstellung auf kleinere und größere Serien zu einer Zeche, um sich ihr multiperspektivisch zu nähern. Alle Fotografien werden – falls vorhanden – in Abzügen aus der Zeit ihres Entstehens gezeigt, ansonsten wurden Reprints auf Grundlage der Negative oder Dias erstellt.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Zeche Hugo 1/4, Gelsenkirchen-Buer, 1952

Josef Stoffels’ Kleinbild-Diabestand erweist sich als ergiebiger Fundus mit bislang unveröffentlichten Aufnahmen der Arbeit unter Tage und weiteren Themen aus der Welt des Bergbaus. Diese Neuentdeckungen werden in den Kapiteln Berglehrlinge, Bergbau-Durchgangslager Heisingen (Einrichtung zur Aufnahme der angeworbenen Bergleute), Betriebliche Sozialfürsorge im Steinkohlenbergbau und Bergarbeiterwohnheime und -siedlungen gezeigt. Sie stellen aufschlussreiche Ergänzungen zu den bisher bekannten, überwiegend menschenleeren Zechenaufnahmen dar.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Blick in die Ausstellung

Zu Josef Stoffels’ Auftraggebern zählten auch die Stahlindustrie und andere Wirtschaftsunternehmen. Im Kapitel Industrie und Werbung werden sie in umfangreichen Serien und Einzelbildern vorgestellt. Ebenso zu sehen sind im Kapitel Auftragsarbeiten für die britische Militärregierung Porträts von Militärangehörigen, aber auch informelle Freizeitaufnahmen. Als freier Mitarbeiter fotografierte Josef Stoffels Exponate, Ausstellungen und kulturgeschichtlich relevante Gebäude, die im Kapitel Museumsdokumentation präsentiert werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er diese Tätigkeit für das Ruhrlandmuseum fort. Ein Thema, das Stoffels neben den Zechen zeitlebens fesselte, waren die Stadtansichten von Essen, die im gleichnamigen Kapitel zu sehen sind. Ohne Beauftragung fotografierte er seit den 1930er-Jahren die Stadt Essen, vor allem die Zerstörungen und den Wiederaufbau sowie immer wieder den Grugapark. Zeugnisse aus dem Leben von Josef Stoffels werden im letzten Kapitel Biografische Stationen präsentiert: Selbstinszenierungen als Fotograf mit seinen Kameras und als Sportler, private Familienfotografien und die Mappe mit den zur Meisterprüfung eingereichten Aufnahmen runden das Bild des Fotografen ab.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Blick in die Ausstellung

Die Ausstellung interpretiert die Fotografien aus der Sicht des Endes des Bergbaus noch einmal neu und zeigt Josef Stoffels als einen der bedeutendsten Chronisten des Ruhrgebiets.

Die Josef Stoffels-Ausstellung reiht sich in die Reihe der Retrospektiven der Klassiker der Ruhrgebietsfotografie ein, die mit „Heinrich Hauser. Schwarzes Revier“ und „Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets“ begonnen hat und 2018 mit der Ausstellung „Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“ (8. Oktober 2018 bis 3. Februar 2019) fortgeführt wird. Zugleich bedeutet sie eine Zuwendung zur eigenen Sammlung. Denn der Erwerb der Fotografien von Josef Stoffels 1985 mit Hilfe der Kulturstiftung NRW steht am Anfang und bildet eine wichtige Grundlage des Fotoarchivs des Ruhr Museums.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, „Anfahrt der Bergleute mit eigenen Autos u. Omnibussen“, Zeche Fürst Leopold-Baldur 1/2, Dorsten-Hervest, 1958

Der Fotograf

Josef Stoffels mit seiner Plattenkamera, Essen, 26. Februar 1951. © Ruhr Museum; Foto: Josef Stoffels

Josef Stoffels wurde am 27. April 1893 in Essen geboren. Der gelernte Polsterer engagierte sich früh als Fotoamateur. Als er infolge der Weltwirtschaftskrise sein Handwerk aufgeben musste, versuchte er sich als Berufsfotograf zu etablieren. Ab Mitte der 1930er-Jahre arbeitete er für das von den Nationalsozialisten initiierte Museum Haus Heimat in Essen, für das er Sammlungsobjekte, historische Gebäude, Straßenzüge und Landschaften dokumentierte.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Doppelstrebengerüst, Zeche Centrum, [Bochum-] Wattenscheid 1952

Von 1939 bis 1943 war er bei der Graphischen Anstalt der Fried. Krupp AG angestellt, für die er Werksaufnahmen und Fotografien von Jubilarfeiern anfertigte. Bei einem Auftrag im besetzten Frankreich verlor er 1940 durch einen Unfall sein rechtes Auge und erlitt eine schwere Beinverletzung. Am 26. April 1944 wurde seine Wohnung von Fliegerbomben zerstört; dabei verbrannte sein Negativ-Archiv.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Zeche Sälzer-Amalie, Essen-Altendorf, um 1953; „Turmarbeiter“, Zeche Säzer-Amalie, Essen-Altendorf, 1956; Zeche Sälzer-Amalie, Zentralschachtanlage Amalie, Essen-Altendorf, um 1957

Nach Kriegsende arbeitete Josef Stoffels für die britische Militärregierung. Neben offiziellen Passaufnahmen für alliierte Soldaten fertigte er auch Aufnahmen aus deren privatem Umfeld an. 1948 bestand er als 55-jähriger die Meisterprüfung als Fotograf. Ende der 1940er-Jahre bildete er mit dem von den Alliierten entlassenen Leiter des Haus Heimat, Heinrich Grewe, ein Produktionsteam, das sich auf Industrie- und Wirtschaftswerbung spezialisierte.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, „Autoheber in einer Reparaturwerkstatt“, Essen, um 1953

Gemeinsam verfolgten sie ab 1952 das größte Projekt in Josef Stoffels’ Laufbahn: die Herausgabe des Bildbands „Die Steinkohlenzechen“ (1959). Zu dem Produktionsteam gehörte Josef Stoffels’ Tochter Irmgard, die ihrem geh- und sehbehinderten Vater assistierte und eigene Bilder beisteuerte.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, „Gruga, Glockenspiel“, Essen-Rüttenscheid, 1965

1963 veröffentlichte Josef Stoffels noch den Bildband „Essen. 30 Farbaufnahmen“. Er lebte fortan vom Verkauf einzelner Bilder an Verlage, Fernsehanstalten und Unternehmen sowie von seiner Rente. In den 1960er- und 1970er-Jahren widmete er sich fotografisch verstärkt seinem privaten Lieblingsprojekt, dem Essener Grugapark.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, „Die Steinkohlenzechen“ (1959)

1978 erlebte Josef Stoffels noch seine erste Einzelausstellung im Essener Ruhrlandmuseum („Die Steinkohlenzechen im Ruhrgebiet“). Er starb am 1. September 1981. Sein fotografisches Werk wurde 1985 von der Kulturstiftung Ruhr gesichert und 1988 an das damalige Ruhrlandmuseum, dem heutigen Ruhr Museum übergeben.

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, „Essen. 30 Farbaufnahmen“, Einführung von Dieter Thoma. München, 1963

Ausblick
Die Ausstellung wird im Anschluss vom 30. September 2018 bis 31. März 2019 in Teilen im Deutschen Bergbau-Museum Bochum zu sehen sein, ergänzt um Josef Stoffels-Fotografien aus den Beständen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums.

Der Katalog
Der 336 Seiten starke Katalog mit über 400 Abbildungen kostet 29,95 € und ist im Klartext Verlag Essen erschienen. ISBN: 978-3-8375-1893-1

Die Ausstellung „Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“ ist vom vom 22. Januar bis zum 2. September 2018 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 7 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahre haben freien Eintritt.


Zeche Amalie in Essen-Altendorf damals und heute

„Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“, Zeche Sälzer-Amalie, Zentralschachtanlage Amalie, Essen-Altendorf, um 1957. © Ruhr Museum; Foto: Josef Stoffels

Vor gut 60 Jahren sind die Aufnahmen der Zeche Sälzer-Amalie von Josef Stoffels entstanden, 1966 wurde die Schachtanlage bereits stillgelegt. Insbesondere Best Ager und Senioren werden sich beim Betrachten der Fotografien in der Ausstellung „Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“ mit ein wenig Wehmut an alte Zeiten erinnern, und das ehemalige Erscheinungsbild der Tagesanlagen mit dem vergleichen, was heute davon noch übrig ist. Viel ist nicht von den damals existierenden 150 Klein- und Großzechen im Ruhrgebiet geblieben, was nicht unter Denkmalschutz gestellt wurde, ist in den meisten Fällen längst zurückgebaut. Gleiches gilt für die ehemalige Gaststätte an der Helenenstraße und die Tankstelle an der Pferdebahnstraße, die beide auf dem Foto von Josef Stoffels links und rechts am Rand zu erkennen sind. Bei dem hohen Turm mit der daran befindlichen Uhr handelte es sich nicht um einen Förderturm, heute ist davon nur noch ein Vorsprung in der Fassade des Gebäudes zu erkennen. Von den verbliebenen Tagesanlagen der 1966 stillgelegten Zeche wurde eine knapp 1.800 m² große Maschinenhalle bis 2011 vom Essener Sportbund unter dem Namen „Funbox Amalie“ als Skate und BMX Park betrieben. Von dem nach Plänen des Architekten Edmund Körner (u. a. Alte Synagoge Essen; * 2. Dezember 1874 in Leschwitz, † 14. Februar 1940 in Essen) erbauten Verwaltungsgebäude in der Helenenstraße 110 ist nur der Eingangsbereich mit den vier Steinreliefs erhalten, das Gebäude selbst wurde in wesentlich veränderter Form wiedererrichtet. Da der Schacht Amalie für die Wasserhaltung offen gehalten wurde, ist das 1934 errichtete Fördergerüst auch heute noch in Betrieb. Zwischen Zollstraße und Haus-Berge-Straße befand sich der Gleisanschluss zur Zeche Amalie, die Brücke über die Helenenstraße wurde bereits vor geraumer Zeit zurückgebaut, geblieben ist an dieser Stelle eine Senke in der Helenenstraße. Im Zuge der Errichtung des neuen Stadtviertels ESSEN 51 wird es an dieser Stelle ganz sicher zu weiteren Veränderungen kommen, was von den jetzt noch vorhandenen Gebäuden übrig bleibt, wird man womöglich erst im Laufe der nächsten Jahre erfahren.

Zeche Amalie, Blick von der Brücke der ehemaligen Rheinischen Bahn über die Helenenstraße Richtung Norden

Ehemaliges Verwaltungsgebäude der Zeche Amalie, Helenenstraße 110

Zeche Amalie, Fördergerüst

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