Stadttheater Bielefeld: Company

„Company“ – Musik, Gesangstexte: Stephen Sondheim; Buch: George Furth; Deutsche Bearbeitung: Michael Kunze; Inszenierung: Roland Hüve; Choreografie: Katharina Wiedenhofer; Musikalische Leitung: William Ward Murta; Bühne und Kostüme: Timo Dentler, Okarina Peter. Darsteller: Alexander Franzen (Robert), Melanie Kreuter (Sarah), Thomas Winter (Harry), Jessica Krüger (Susan), Frank Wöhrmann (Peter), Michaela Duhme (Jenny), Tilman von Blomberg (David), Carolin Soyka (Amy), Thomas Klotz (Paul), Kerstin Marie Mäkelburg (Joanne), Nico Gaik (Larry), Roberta Valentini (April), Karin Seyfried (Kathy), Rebecca Stahlhut (Marta). Uraufführung: 26. April 1970, Alvin Theatre, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 6. Januar 1973, Schauspielhaus Düsseldorf. Premiere: 5. Mai 2012, Theater Bielefeld.



„Company“


Warum heiraten, wenn man gute Freunde hat !?


Der amerikanische Texter und Schauspieler George Furth (* 14. Dezember 1932 in Chicago, Illinois, † 11. August 2008 in Santa Monica, Kalifornien) entwarf eine Reihe von Einaktern, die sich mit verschiedenen Aspekten der Beziehung von Paaren auseinandersetzen. Bezeichnenderweise war George Furth niemals verheiratet. 1969 wandte er sich mit seinen Entwürfen an Stephen Sondheim (* 22. März 1930 in New York City), der seinerseits Regisseur und Produzent Harold Prince (* 30. Januar 1928 in New York City) nach seiner Meinung fragte. Gemeinsam kam man zu der Überzeugung, daraus ein Musical zu machen. Die Musical Comedy „Company“ ist Sondheims erstes so genanntes Konzept-Musical, in dem eine in verschiedenen Episoden beleuchtete zentrale Idee eine lineare Handlung ersetzt. „Company“ feierte am 26. April 1970 am Alvin Theatre in New York City seine Broadway-Premiere und wurde dort bis 1. Januar 1972 in 7 Previews und 702 regulären Vorstellungen gezeigt. Das Musical wurde für insgesamt 14 Tony Awards nominiert, davon hat es 6 auch tatsächlich gewonnen (Bestes Musical, Bestes Musicallibretto, Beste Musicalregie, Beste Originalmusik, Beste Original Gesangstexte und Bestes Bühnenbild).

„Company“, Ensemble, Foto: Matthias Stutte, © Theater Bielefeld

Robert, ein Single in New York, wird 35. Seine Freunde – fünf Paare und drei Geliebte – veranstalten eine Überraschungsparty für ihn und wünschen ihm viel Glück und endlich „seine erste Ehefrau“, doch er wünscht sich … gar nichts. Als er die Paare reihum besucht, bemerkt er eine ganze Reihe von Rissen in den Fassaden der „glücklichen Ehe“. Komik und Tragik liegen dicht beieinander, wenn Sarah und Harry entdecken, dass Karate eine gute Ersatzbefriedigung darstellt, wenn Robert Susan und Peter wissen lässt, dass er es als Erster erfahren möchte, sollten sich die beiden jemals trennen, und sie ihm antworten, dass er der Erste ist, wenn Jenny und David bekifft in Jugenderinnerungen schwelgen, wenn Amy am Hochzeitstag vor lauter Panik nicht mehr weiß, ob sie Paul wirklich heiraten soll, und Robert ihr vorschlägt, ihn zu heiraten, oder wenn Peter Robert urplötzlich einen Antrag macht, den er als Scherz abtut. Auch seine drei Freundinnen April, Kathy und Marta überraschen Robert mit ungewöhnlichen Einsichten, doch nach und nach lautet ihr Credo „Bobby ist ein Hobby, das gewöhn´ ich mir ab!“. Als Joanne Robert in einem Nachtclub betrunken von ihren bisherigen Ehen erzählt und ihm Larry daraufhin erklärt, warum er sie liebt, wird Robert klar, dass auch er sich nach einer festen Beziehung sehnt. Nachdem seine Freunde bei der Überraschungsparty vergeblich auf ihn gewartet und sich schon verabschiedet haben, erscheint Robert schließlich und bläst die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen aus.

„Company“ ist eine Studie des Junggesellendaseins im Großstadtdschungel, die in verschiedenen Episoden das Für und Wider der Ehe auslotet. Menschen bleiben mitunter auch zusammen, weil sie im Leben lieber zu zweit anstatt allein sind. „Allein sein heißt, nicht am Leben zu sein“, so lautet das Fazit. Der hohe Dialoganteil in den Episoden erfordert von allen Darstellern neben gesanglichen Qualitäten entsprechendes schauspielerisches Können, in dieser Beziehung kann man die Bielefelder Inszenierung – bis in die kleinsten Rollen hochkarätig gecastet – durchaus als grandios besetzt bezeichnen. Alexander Franzen steht als zentrale Figur in nahezu allen Szenen auf der Bühne und wird mit den wahren Problemen der Zweierbeziehungen seiner Freunde konfrontiert, bei all den Lebenslügen ist Roberts Zurückhaltung gegenüber einer festen Zweierbeziehung sehr gut nachvollziehbar; mit angenehmem Bariton weiß Alexander Franzen auch gesanglich zu überzeugen. Von der übrigen Cast hat die weibliche Darstellerriege bei mir den nachhaltigeren Eindruck hinterlassen und konnte sich stärker profilieren. Hier ist an erster Stelle Kerstin Marie Mäkelburg als Diva Joanne zu nennen, die niemals um einen zynischen Kommentar verlegen ist, aber bei „Auf all die gnädigen Frauen“ doch feststellen muss, dass sie selbst die Schlimmste von all den Frauen mittleren Alters ist, über die sie sturzbetrunken herzieht. Wie sie wirklich ist, das weiß nur ihr dritter jüngerer Ehemann Larry, liebe- und verständnisvoll gespielt von Nico Gaik. Carolin Soyka begeistert mit ihrer temporeichen Darstellung der von Panikattacken am Hochzeitstag heimgesuchten neurotischen Amy, die im letzten Augenblick doch noch die Kurve kriegt. Thomas Klotz als ihr Verlobter Paul hat längst gelernt, ihre manischen Anfälle zu ertragen. Sarah (Melanie Kreuter) hat Probleme mit ihrem Gewicht und Diäten, ihr umgänglicher Ehemann Harry (Thomas Winter) hat dagegen ein Alkoholproblem, ständig streiten die beiden buchstäblich über alles, was in einem herrlichen Karatekampf gipfelt. Susan (Jessica Krüger) und Peter (Frank Wöhrmann) scheinen die perfekte Ehe zu führen, bei Roberts Besuch stellt sich jedoch heraus, dass sie soeben geschieden sind, um danach in „wilder Ehe“ umso glücklicher zusammenzuleben. Lediglich Jenny (Michaela Duhme) und David (Tilmann von Blomberg) scheinen keine Neurosen entwickelt zu haben, sogar unter der Wirkung von Marihuana fühlen sie Robert auf den Zahn, warum er eigentlich nicht verheiratet sei. Roberta Valentini als naive Stewardess April, Karin Seyfried als biederes Kleinstadtmädchen Kathy und Rebecca Stahlhut als schrille New Yorkerin Marta verbünden sich in der Andrew-Sisters-Parodie „Du treibst einen glatt zum Wahnsinn“ und kommen zum bereits erwähnten Schluss „Bobby ist ein Hobby, das gewöhn´ ich mir ab!“ Rebecca Stahlhut kann zusätzlich mit „Und wieder kommen Hundert“ auf sich aufmerksam machen, und Roberta Valentini macht in „Barcelona“ aus April ein harmloses, nettes Dummchen, das aus unerklärlichen Gründen auf Roberts unwahrhaftige Bitte, doch zu bleiben, eingeht. Beeindruckend ist auch das Zusammenspiel des Ensembles, das die einzelnen Episoden zusammenhält.

Timo Dentler und Okarina Peter haben mit ihrem überdimensionalen „Hamster-Laufrad“ als minimalistische Andeutung der Handlungsräume eine Möglichkeit gefunden, die Bühne schnell und ohne Unterbrechungen verwandeln zu können, was die Ausnutzung der Funktionalität eines solchen Laufrades in einigen Szenen einschließt. Läuft Robert in diesem Rad womöglich seinem eigenem Leben hinterher oder dreht er selbst schon am Rad? Roland Hüve lässt in seiner Inszenierung keinen Zweifel daran, dass die Chronologie der Ereignisse eigentlich nebensächlich ist, genau wie die Frage nach Realität oder Fiktion der einzelnen Szenen. Viele der Gesangsnummern in „Company“ sind Ensembles, zu denen Katharina Wiedenhöfer die ansprechenden Choreografien erarbeitet hat. William Ward Murta leitet die lediglich zehnköpfige Band mit Schwung souverän durch Sondheims anspruchsvolle Partitur, oft genug hört sich die Band im Orchestergraben aber größer an und kann es locker mit so manchem zusammengestrichenen Orchester bei Großproduktionen aufnehmen.

Ensemble und Kreativteam bei der Premierenfeier

Nun ist es mit Werken von Stephen Sondheim so eine Sache, man kann sie mögen oder ablehnen, und auch am Theater Bielefeld hat es eine Weile gedauert, „Company“ als erstes Sondheim-Musical zur Aufführung zu bringen. Das Resultat ist mehr als überzeugend ausgefallen, und das Publikum würdigte am Premierenabend sowohl Darsteller als auch Kreativteam mit begeistertem Stehapplaus. Die nächsten Vorstellungen stehen am 11., 13. und 17. Mai 2012 auf dem Spielplan. Die Chance sollte man sich nicht entgehen lassen, doch Eile ist geboten, „Company“ wird am Stadttheater Bielefeld nur bis 24. Juni 2012 gespielt.

Haben Sie selbst „Company“ am Stadttheater Bielefeld schon gesehen? Wie hat Ihnen die Vorstellung gefallen?

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