„Schön war die Zeit, so schön war die Zeit“ – Erfolgreiche Wiederbelebung des Klassikers „Don Camillo und Peppone“

„Don Camillo & Peppone“ – nach „Il Mondo Piccolo“ von Giovannino Guareschi; Musik: Dario Farina; Liedtexte, Buch: Michael Kunze; Regie: Andreas Gergen; Choreografie: Dennis Callahan; Bühne: Peter J. Davison; Kostüme: Yan Tax; Licht: Michael Grundner; Musical Supervision & Orchestrierung: Koen Schoots; Musikalische Leitung: Michael Römer. Darsteller: Barbara Tartaglia (Die alte Gina, Erzählerin), Andreas Lichtenberger (Don Camillo, Pfarrer von Boscaccio), Frank Winkels (Giuseppe Botazzi, genannt Peppone, Bürgermeister von Boscaccio), Jaqueline Bergrós Reinhold (Gina, ein junges Mädchen), Kurosch Abbasi (Mariolino, ein junger Mann), Reinhard Brussmann (Filotti, Ginas Vater), Ernst Dieter Suttheimer (Nonno, Ginas Großvater), Thorsten Tinney (Brusco, Mariolinos Vater), Femke Soetenga (Laura Castelli, Lehrerin), Patricia Hodell (Maria, Ginas Mutter), Marja Hennicke (Cecilia, eine junge Frau), Dean Welterlen (Dottore, Dorfarzt), Marlon Wehmeier (Jesus, Stimme des Gewissens), Florian Fetterle (Oberschulrat), Michael Souschek (Polini Artemio), Colleen Besett, André Bauer, Julia-Elena Heinrich, Franziska Kemna, Stéphanie Signer, Marco Toth, Matthias Trattner. Swings: Anna Carina Buchegger, Arthur Büscher, Julia Elena Heinrich, Wolfgang Postlbauer, Timo Verse. Uraufführung: 30. April 2016, Theater St. Gallen. Österreichische Erstaufführung: 27. Januar 2017, Ronacher, Wien. Besuchte Vorstellung 7. Februar 2017.



„Don Camillo & Peppone“


Zur österreichischen Erstaufführung im Wiener Ronacher


von Gregor-Anatol Bockstefl

Nach Adaptierungen für die (Sprechtheater-)Bühne war es nur eine Frage der Zeit, bis sich „Don Camillo & Peppone“ auch einmal auf einer Musicalbühne streiten würden. Vor allem durch die Verfilmungen mit Fernandel und Gino Gervi in den 1950er-Jahren erlangte der Stoff um den streitbaren Pfarrer und seinen kommunistischen Gegenspieler, der auf Erzählungen und Romanen von Giovanni Guareschi basiert, große Popularität. Die Musicalfassung erlebte nun als Koproduktion mit dem Theater St. Gallen, wo das Stück am 30. April 2016 seine Uraufführung hatte, am 27. Jänner 2017 im Wiener Ronacher seine vom Publikum mit viel Applaus bedachte österreichische Erstaufführung.

Franziska Kemna, Maya Hakvoort (Die alte Gina), Gabriela Ryffel, Matthias Trattner, Marja Hennicke (Cecilia, eine junge Frau) und Jaqueline Reinhold (Gina, ein junges Mädchen). © VBW/Deen Van Meer

Für die Adaption des Klassikers konnte einer der arriviertesten Musicalautoren des deutschsprachigen Raumes gewonnen werden: Michael Kunze, der die namhaftesten Musicals von Andrew Lloyd Webber wie „Evita“, „Cats“, „Das Phantom der Oper“ ins Deutsche übersetzt hat und ab den 1990er-Jahren als Autor von „Elisabeth“, „Tanz der Vampire“ und „Mozart!“ selbst Musicalgeschichte geschrieben hat, zeichnet für Buch und Liedtexte verantwortlich. Wie schon bei „Elisabeth“ und „Mozart!“ kommt das Musical nicht ohne Rahmenhandlung aus: Diese spielt in der Gegenwart, die 90-jährige alte Gina erinnert sich an ihre Jugendzeit im norditalienischen Dorf Boscaccio, insbesondere an die Liebe ihres Lebens, Mariolino. Ob die Rahmenhandlung diesmal wirklich notwendig war, bleibt dahingestellt. Etwas redundant wirkt es, wenn die alte Gina ständig davon singt, wie schön die Zeit damals war. War die Zeit damals wirklich so schön? In der 170-Seelen-Gemeinde wird jedenfalls kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges ein Streit ausgetragen zwischen den tradierten Werten und den Idealen einer sozialen Revolution, zwischen Katholizismus und Kommunismus. Der Kommunist Peppone hat die Wahl gewonnen und liefert sich nun mit dem Pfarrer Don Camillo heftige und mitunter auch schlagkräftige (Wort-)Gefechte.

Ensemble. © VBW/Deen Van Meer

Während der erste Akt sehr episodenhaft die Geschehnisse in Boscaccio abspult, wird die Handlung erst im zweiten Akt stringenter und dichter: Als eine Flut und schließlich ein Streik der Landarbeiter das Dorf in eine Existenzkrise zu stürzen droht, erkennen Don Camillo und Peppone, dass die Konfrontation zwischen den feindlichen Lagern nicht ewig fortwähren kann. Zum endgültigen Umdenken führt das Schicksal des jungen Liebespaares Gina und Mariolino. Gina ist die Tochter des Großgrundbesitzers Filotti, Mariolino der Sohn des armen Landarbeiters Brusco. Es ist eine Variation der Geschichte von Romeo und Julia, die verfeindeten Familien versuchen mit allen Mitteln, die Verbindung ihrer Kinder zu verhindern. Wie bei Shakespeare sehen die Liebenden keinen anderen Ausweg als den gemeinsamen Tod. Don Camillo und Peppone erfahren rechtzeitig, dass Gina und Mariolino ins Wasser gehen wollen. Gemeinsam mit den Dorfbewohnern gelingt es ihnen, die beiden zu retten. Wenn auch die Hochzeit von Gina und Mariolino nicht allen Streit im Dorf beendet, wird sie zu einem Fest für gegenseitigen Respekt und Toleranz. Michael Kunze erzählt die Geschichten aus Boscaccio mit viel Humor und Witz, ohne auf die für ein Musical notwendige Portion Sentiment zu verzichten.

Andreas Lichtenberger (Don Camillo), Femke Soetenga (Laura Castelli), Ernst Dieter Suttheimer (Nonno), Dean Welterlen (Dottore), Jaqueline Reinhold (Gina), Patricia Hodell (Maria, Ginas Mutter), Reinhard Brussmann (Filotti). © VBW/Deen Van Meer

Für das passende italienische Flair sorgt der Komponist Dario Farina, der Hits für Al Bano & Romina Power („Felicità“) und Andrea Boccelli geschrieben sowie die Filmmusik für „Rossini“ komponiert hat. Die Musik ist eingängig (wenn auch ohne Hit), keine Frage, beim Schlussmedley klatscht das Publikum begeistert mit. Aber es ist gefällige Schlagermusik, großes Musiktheater wie beim parallel programmierten „Schikaneder“ im Raimund Theater wird im Ronacher diesmal nicht serviert. Vielleicht hätte eine etwas subtilere Orchestrierung den Eindruck mindern können. Musicalbesucher, die vom satten Klang des VBW-Orchesters verwöhnt sind, werden diesmal womöglich von der Band enttäuscht sein, die mitten im Bühnengeschehen auf einem Balkon sitzt. Gelungen sind hingegen die opernhaften Einschübe, die mitunter an Kompositionen von Rossini erinnern.

Jaqueline Reinhold (Gina) und Kurosch Abbasi (Mariolino).
© VBW/Deen Van Meer

Regisseur Andreas Gergen, der in Wien schon die konzertanten Aufführungen von „Das Phantom der Oper“ und „Love Never Dies“ sowie „Der Besuch der alten Dame“ inszeniert hat, legt auch diesmal wieder eine temporeiche und routinierte Regiearbeit vor. Bei vielen Szenen kann man sich trotz allem des Eindrucks nicht erwehren, es handle sich lediglich um Neuarrangements von bereits Gesehenem. Zu Gergens besten Einfällen in dieser Produktion gehört der Einsatz von Tierpuppen (Puppendesign Stefan Fichert), die von den Darstellern gekonnt bewegt werden. So kommentieren zum Beispiel die streunenden Katzen eine nächtliche Schmähaktion Don Camillos gegen Peppone. Ebenfalls in Erinnerung bleiben werden das Wasserbecken (anstatt des diesmal nicht vorhandenen Orchestergrabens), welches das Po-Ufer simuliert, sowie der Einsatz von Regeneffekten während der großen Flut – eine bühnentechnische Meisterleistung. Das Einheitsbühnenbild von Peter J. Davison im Stil einer italienischen Piazza ermöglicht durch den geschickten Einsatz von einfahrenden Bühnenteilen aus dem Schnürboden und aus den Gassen wechselnde Schauplätze. Die Kostüme von Yan Tax fügen sich darin nahtlos ein. Die abgehackten Choreographien von Dennis Callahan, die mitunter an Tänze Untoter aus „Elisabeth“ oder an die von blutgierigen Vampiren erinnern, wirken hingegen diesmal merkwürdig deplatziert.

Andreas Lichtenberger (Don Camillo), Thorsten Tinney (Brusco), Frank Winkels (Giuseppe Botazzi, genannt Peppone) und André Bauer.
© VBW/Deen Van Meer

Andreas Lichtenberger gibt einen wunderbaren, mit allen (Weih-)Wassern gewaschenen und schlagfertigen Don Camillo, etwas schwerer hat es Frank Winkels als sein Gegenspieler Peppone, dem es trotz seiner sympathischen Ausstrahlung mitunter an Präsenz und auch an Textverständlichkeit fehlt. Das junge Liebespaar Gina und Mariolino ist mit Jaqueline Bergrós Reinhold und Kurosch Abbasi ideal besetzt. Eine große Herausforderung ist die Rolle der alten Gina, die mit deutlich jüngeren Darstellerinnen, als sie es auf der Bühne vermuten lassen würden, gecastet wurde. In der besuchten Vorstellung spielte nicht Erstbesetzung Maya Hakvoort, sondern ihr Cover Barbara Tartaglia die alte Gina. Souverän, glaubwürdig und mit viel Emotion stellt sie die alte gebrechliche Frau auf die Bühne, die sich an ihre Jugendtage erinnert. Typmäßig ist sie eigentlich die passendere Besetzung, ist sie doch – im Vergleich zu Maya Hakvoort, die trotz gebückter Haltung die junge Gina um einen Kopf überragt – von annähernd gleicher Statur und Größe wie Jaqueline Bergrós Reinhold. Für nachhaltigen Eindruck sorgen auch Reinhard Brussmann als Gutsbesitzer Filotti und Thorsten Tinney als Mariolinos Vater Brusco sowie vor allem Femke Soetenga und Ernst Dieter Suttheimer als ungleiches Liebespaar Laura und Nonno. Die beiden können die meisten Lacher des Publikums für sich verbuchen. Nicht unerwähnt soll auch der junge Darsteller Marlon Wehmeier bleiben, der Jesus am Kruzifix, mit dem Don Camillo stets in Zwiesprache steht, aus dem Off seine imposante Stimme leiht. Sie alle werden durch ein ausgezeichnetes und spielfreudiges Ensemble unterstützt.

Andreas Lichtenberger (Don Camillo), Frank Winkels (Giuseppe Botazzi, genannt Peppone), Ensemble. © VBW/Deen Van Meer

Mit „Don Camillo & Peppone“ ist den Vereinigten Bühnen und dem Theater St. Gallen wieder eine erfolgreiche Eigenproduktion gelungen, die zwar nicht an große Neuschöpfungen wie „Elisabeth“, „Tanz der Vampire“, „Mozart!“ oder „Schikaneder“ heranreicht, aber dank seiner charmanten Charaktere und der sehr eingängigen Musik sicherlich sein Publikum finden wird.

Jaqueline Reinhold (Gina), Kurosch Abbasi (Mariolino), Ensemble.
© VBW/Deen Van Meer

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