Eröffnung der LWL-Römerbaustelle Aliso

Originalgetreue Rekonstruktion der Lagerbefestigung in Haltern am See

Mehrere Generationen von Ausgräbern, Museumsleitern und Archäologen haben die Rekonstruktion der Befestigung eines der größten römischen Militärkomplexe und der geplanten Machtzentrale Roms im rechtsrheinischen Germanien geplant, nun hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die Realisierung geschafft und eröffnet am Mittwoch, 29. Juni 2016 in Haltern am See die Römerbaustelle Aliso mit dem Nachbau des Westtores, der vorgelagerten Spitzgräben, der angrenzenden Holz-Erde-Mauer und einer inklusionsgerechten Zugangsrampe.

LWL-Römerbaustelle Aliso

„Diese längste und größte jemals gebaute maßstabsgetreue Rekonstruktion der Umwehrungsanlage eines Römerlagers ist der Versuch, römische Bau- und Kulturgeschichte erlebbar zu machen“, betonte LWL-Direktor Matthias Löb am heutigen Dienstag in Haltern. 156 Meter lang ist der Abschnitt der westlichen Umwehrung des früheren römischen Hauptlagers, in dem rund 5.000 Legionäre die Eroberung der rechtsrheinischen germanischen Gebiete vorbereiteten. Acht Meter hoch sind die Tortürme, 256 Kubikmeter frisches Eichenholz wurden verbaut. Über acht Wochen lang haben die Handwerker die Pfosten wie zu römischen Zeiten mit dem Beil in Form gebracht.

LWL-Römerbaustelle Aliso, Holz-Erde-Mauer

Eine Baustelle, die noch nicht beendet ist: In Zukunft sollen hier weitere Lagerbauten mit römischen Bautechniken entstehen – zum Anschauen, Erleben und auch zum Mitbauen.

Unter den wachsamen Augen von LWL-Direktor Matthias LWL-Direktor Matthias Löb und Museumsleiter Dr. Rudolf Aßkamp bringen die Zimmerleute Bernhard Terhalle und Stefan Witte die lateinische Inschrift am Westtor an

War der römische Militärkomplex in Haltern tatsächlich das in der antiken Literatur beschriebene Aliso? Und damit auch ein Verwaltungszentrum der Provinz und der letzte Stützpunkt, den die Römer nach der Niederlage in der Varusschlacht 9 n. Chr. noch gehalten haben? Das sollen inzwischen schriftliche Quellen wie auch archäologische Funde belegen, zum Beispiel auch Verstärkungen an den Schutzmauern. Matthias Löb: „Wer weiß: Hätten die Römer das Lager in Haltern wie geplant ausgebaut, dann läge Berlin heute nicht an der Spree sondern an der Lippe.“ Archäologie sei keine exakte Wissenschaft, erklärte Museumsleiter Dr. Rudolf Aßkamp vom LWL-Römer­museum in Haltern am See. Er sei sich zu 95 % sicher, dass es sich bei dem Militärstützpunkt in Haltern am See tatsächlich um Aliso handelt.

Die heutige Inschrift verkündet: Imperator Caesar Augustus, Sohn des Vergöttlichten, Oberster Priester, Consul zum 11. Mal, Inhaber der Tribunizischen Gewalt zum 17. Mal, Imperator zur 14. Mal, ließ (7 v. Chr.) durch die 19. Legion errichten. Wiederhergestellt 2016

Beeindruckt ist auch NRW-Bauminister Martin Groschek, dessen Ministerium den Bau maßgeblich mitfinanziert hat: „Wer eine Reise in die Vergangenheit wagen will, kann auf der Baustelle Aliso Geschichte hautnah erleben. Man bekommt eine Vorstellung davon, wie Haltern am See vor 2.000 Jahren ausgesehen hat. Es ist bewundernswert, was die rund 5.000 römischen Soldaten schon vor zwei Jahrtausenden gebaut haben – und das ganz ohne Bagger und technische Errungenschaften. Die eingesetzten Landesmittel – bisher 733.600 Euro Stadtentwicklungs- und Städtebaufördermittel – sind jeden Cent wert.“

LWL-Römerbaustelle Aliso, Nachbau des Westtores

Wer die Treppenstufen des Westtores hinaufsteigt und unter den Aufgängen zu den Türmen durch die dort aufgestellten Ferngläser blickt, erlebt weit mehr Eindrücke, als der bloße Anblick der Nachbauten erahnen lässt. Hier streift das Auge nicht, wie zu erwarten wäre, den realen Horizont, sondern sieht genau das, was bereits die Soldaten zur Zeit von Kaiser Augustus in der Landschaft westlich ihres Lagers erblickten: Da marschieren Soldaten, im Hintergrund steigt Rauch auf und eine Menschenmenge versammelt sich um ein Begräbnis an der Gräberstraße mit ihren eindrucksvollen Grabbauten.

Der Blick von LWL-Direktor Matthias Löb durch das außergewöhnliche Fernglas auf dem Westtor des ehemaligen römischen Hauptlagers in Haltern geht direkt in die Vergangenheit: Es zeigt digitale Filmszenen, wie sie die Römer vor 2000 Jahren als reale Bilder gesehen haben. Damit sieht ab dem 30. Juni jeder Besucher die römischen Nachbauten der Gegenwart mit ganz anderen Augen.

Rund 1,5 Millionen Euro hat der erste Bauabschnitt gekostet. Das umfasst auch die Errichtung einer Rampe, die Menschen mit Handicap den Zugang auf die Holz-Erde-Mauer und das Westtorermöglicht. „Die ersten Rekonstruktionsversuche von Teilen der Lagerumwehrung gab es bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts – keiner der insgesamt drei Versuche war besonders dauerhaft“, weiß Museumsleiter Dr. Rudolf Aßkamp. Die ersten konzeptionellen Überlegungen für diesen vierten Anlauf gab es bereits 1987. Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis in der LWL-Landschaftsversammlung der Grund­satz­beschluss zur Umsetzung gefasst wurde. Im April 2012 erfolgte der erste Spatenstich, nach dem Erwerb der Flächen und nach archäologischen Untersuchungen konnte im Frühjahr 2015 mit dem Bau begonnen werden. Jeder Schritt fußte dabei auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der niederländische Bauforscher Kees Peterse zu dem Projekt beitrug.

LWL-Römerbaustelle Aliso

Auf der LWL-Römerbaustelle sollen im zweiten Bauabschnitt ab 2018 noch ein Kasernengebäude und eine Offiziersunterkunft entstehen – mit den originalen Bautechniken wie zu römischen Zeiten. Geplant ist, dass die Besucher nicht nur dabei zuschauen können, sondern auch selbst Hand anlegen und dabei helfen, Elemente einer Standard-Kaserne der Römerzeit entstehen zu lassen.

LWL-Römerbaustelle Aliso

Die Entstehungsgeschichte der Römerbaustelle, seine Bedeutung für die Region, die Bautechniken, der Forschungshintergrund und die Rolle der Archäologie: Das alles steht auch bei der offiziellen Eröffnung am 30. Juli im Mittelpunkt. Mit dabei sein werden unter anderen der Vorsitzende der LWL-Landschaftsversammlung, Dieter Gebhardt, LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale, Anne Katrin Bohle vom NRW-Bauministerium und die Halterner Bürgermeisterin Hiltrud Schlierkamp.

LWL-Römerbaustelle Aliso

LWL-Römerbaustelle Aliso, LWL-Direktor Matthias LWL-Direktor Matthias Löb und Museumsleiter Dr. Rudolf Aßkamp

LWL-Römerbaustelle Aliso

LWL-Römerbaustelle Aliso, inklusionsgerechte Zugangsrampe

LWL-Römerbaustelle Aliso, inklusionsgerechte Zugangsrampe

LWL-Römerbaustelle Aliso

Unter www.lwl-roemermuseum-haltern.de/roemerpark-aliso (am Seitenende) kann man einen virtuellen Blick auf den Annaberg zur Römerzeit werfen. Weitere Informationen zum LWL-Römermuseum und zur LWL-Römerbaustelle Aliso unter www.lwl-roemermuseum-haltern.de.

LWL-Römerbaustelle Aliso, Nachbau des Westtores

Das LWL-Römermuseum mit der LWL-Römerbaustelle Aliso ist „Eintritt frei“-Partner der RUHR.TOPCARD 2016 und bietet den Inhabern der Erlebniskarte für das Ruhrgebiet ganzjährig einmalig freien Eintritt in die Dauerausstellung, Zuzahlung bei Sonderausstellungen und -veranstaltungen soll möglich sein.

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