CD-Besprechung: „next to normal“

Original Fürth Cast

Am 11. Oktober 2013 fand im Stadttheater Fürth die deutschsprachige Erstaufführung von „fast normal – next to normal“ von Tom Kitt (Musik) und Brian Brian Yorkey (Buch und Liedtexte) in der deutschen Übersetzung von Titus Hoffmann mit Pia Douwes (Diana Goodman), Thomas Borchert (Dan Goodman), Dirk Johnston (Gabe Goodman), Sabrina Weckerlin (Natalie Goodman), Dominik Hees (Henry) und Ramin Dustdar (Doktor Fine/Doktor Madden) statt. Das Musical zeigt auf berührende Art und Weise das Leben einer vermeintlich „normalen“ Familie und beschreibt dabei den Kampf einer manisch depressiven Frau und die Auswirkungen, die die Krankheit auf ihre Angehörigen hat. Die eindringliche Partitur erzählt eine intensive, emotionale und letztendlich hoffnungsvolle Geschichte einer Familie, die ihre Vergangenheit aufarbeitet, um sich ihrer Zukunft zu stellen. Nach erfolgreichem Transfer an den Broadway war „next to normal“ 2009 für 11 Tony Awards nominiert und wurde mit drei Preisen (Best Original Score, Best Orchestrations und Alice Ripley (Diana Goodman) für Best Performance by a Leading Actress in a Musical) ausgezeichnet. 2010 gewann das Stück den Pulitzer Prize for Drama als „powerful rock musical that grapples with mental illness in a suburban family and expands the scope of subject matter for musicals“. Erst acht Mal wurde der begehrte amerikanische Literaturpreis für ein Musical vergeben. Am 30. April 2015 soll „fast normal – next to normal“ am Stadttheater Fürth mit nahezu der vollständigen Besetzung der deutschsprachigen Erstaufführung – mit Ausnahme von Ramin Dustdar – wiederaufgenommen werden. 8 Monate nach der Premiere in Fürth hat HitSquad Records im Juni 2014 die Castaufnahme als Live-Gesamtaufnahme veröffentlicht. Die Doppel-CD mit allen Songs und Musiknummern der Aufführung (einschließlich Applausmusik) hat eine Gesamtspieldauer von 98 Minuten 42 Sekunden (CD 1: 49 Minuten 7 Sekunden, CD 2: 49 Minuten 36 Sekunden), das 32-seitige Booklet enthält neben der Auflistung aller Beteiligten eine ausführliche, zweiseitige Inhaltsangabe, sämtliche Liedtexte sowie zahlreiche Produktionsfotos, so dass die Handlung des Musicals gut nachzuvollziehen ist.

CD Cover „next to normal“, © HitSquad Records

Obwohl Bipolarität, Trauerverarbeitung, Selbstmord, Tablettenmissbrauch und Ethik in der modernen Psychiatrie als Themen für ein Broadway-Musical nicht unbedingt naheliegend erscheinen, wurde doch genau „next to normal“ – womöglich wegen der Ernsthaftigkeit des Stoffes – sowohl in New York als auch international sehr erfolgreich gezeigt und in 12 Sprachen übersetzt. Mit der Verpflichtung hochkarätiger Künstler für die deutschsprachige Erstaufführung ist dem Regisseur und den Produzenten ein Besetzungs-Coup gelungen, der sich entsprechend in der Castaufnahme widerspiegelt. Pia Douwes nimmt den Hörer mit ihrer komplexen Darstellung der manisch-depressiven Mutter mit auf eine rasante Fahrt auf der Gefühlsachterbahn sondergleichen, eindrucksvoll bringt sie im Song „Mir fehl’n die Berge“ („I miss the mountains“) zum Ausdruck, wie sehr sie die Höhen und Tiefen ihres bisherigen Gemütslebens vermisst und wirft damit die bohrende Frage auf, was schlimmer ist: ohne Medikamente unberechenbar zu sein, oder unter dem Einfluss von Psychopharmaka gefühllos zu sein. Ihr zur Seite steht Thomas Borchert als verständnisvoller und verlässlicher Ehemann, der seine Frau über alles liebt und treusorgend nur das Beste für sie will, aber den Hörer im Verlauf des Stückes immer deutlicher erkennen lässt, wie belastend und kräftezehrend die Krankheit seiner Frau auch für Dan ist. Auch Sabrina Weckerlin, die sich als Tochter vernachlässigt fühlt und genervt in schulischen Ehrgeiz und Perfektionismus am Klavier flüchtet, und Dirk Johnston als verstorbener Sohn, der in seinem eingängigen Song „Ich lebe“ mit Enthusiasmus zu verstehen gibt, dass auch er Teil der Familie Goodman ist, wissen zu überzeugen. Dominik Hees als Natalies Schulfreund Henry und Ramin Dustdar in der Doppelrolle des Doktor Fine/Doktor Madden, Dianas Ärzte, runden das ausgezeichnete Ensemble ab. Die sechsköpfige Band unter der Musikalischen Leitung von Christoph Wohlleben am Piano bringt die durchkomponierte, moderne Partitur, bei der sich Balladen mit komplexen Ensemble-Nummern und Up-Tempo-Songs abwechseln, mit dem nötigen Drive zu Gehör, auch die Abmischung zwischen Gesang und Musikern ist gelungen. Bei der Castaufnahme hat man zwar auf eine aufwendige Studioproduktion verzichtet, aber wenn man bedenkt, dass die auf dem Tonträger dokumentierte Inszenierung bisher nur in 11 regulären Vorstellungen am Stadttheater Fürth gezeigt wurde, ist es umso erfreulicher, dass überhaupt eine Castaufnahme veröffentlicht wurde, noch dazu als Doppel-CD mit derartig umfangreichem Booklet.

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