Theater Oberhausen: „Nowhere Men“

„Nowhere Men“ – Ein Sixties-Songbook von Männern; Regie und Musikalische Leitung: Otto Beatus; Bühne: Stefanie Dellmann; Kostüme: Mona Ulrich; Dramaturgie: Rüdiger Bering. Mit Sergej Lubic, Jürgen Sarkiss, Anja Schweitzer, Peter Waros, Eike Weinreich. Band: Otto Beatus (Klavier), Peter Engelhardt (Gitarre), Volker Kamp (Bass), Stefan Lammert (Schlagzeug), Kai Weiner (Keyboard, Mundharmonika). Uraufführung: 19. April 2013, Theater Oberhausen.



„Nowhere Men“


Ein Sixties-Songbook von Männern


Otto Beatus´ musikalische Abende wie „Like a Rolling Stone“ mit den Songs von Bob Dylan oder die Velvet Underground-Hommage „Never Too Loud“ sind Kult. Nach dem Songbook von Frauen „Face-Book“ wendet er sich nun mit „Nowhere Men“ musikalisch dem eigenen Geschlecht zu und der revolutionären Musik der Swinging Sixties. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts begab sich eine Handvoll mutiger junger Männer auf Reisen in unbekannte Welten. Sie sprengten die Grenzen der Pop- und Rockmusik und drangen in ungeahnte Dimensionen vor. Angetrieben von verwegenen Visionen und ungeheuren Utopien, befeuert von biologischen und chemischen Substanzen, wagten sie das Äußerste und gaben Einblick in ihr Innerstes. Wie Ikarus stiegen sie immer höher und höher… Doch der Preis, den sie zahlten, war oft hoch. Es kann verflucht einsam sein da draußen, zwanzigtausend Lichtjahre entfernt von zuhause. Viele dieser waghalsigen Abenteurer fanden sich als Nowhere Men in einem Niemandsland wieder, wo sie ihre Niemandspläne für niemanden mehr machten. Sie kämpften gegen die Gesetze, die der Schwerkraft, die der Popindustrie, die der Gesellschaft – doch häufig gewann das Gesetz. Einige der Besten, wie Jimi Hendrix, ließen ihr Leben. Andere, wie der Gründer von Pink Floyd, Syd Barrett, kamen nie wieder von ihrem Trip zurück und verbrachten den Rest ihres Daseins im Keller ihrer Mutter. Und wieder andere, wie der Kopf der Beach Boys, Brian Wilson, stürzten, der Sonne zu nahe gekommen, ab, verloren ihr Lächeln und brauchten Jahrzehnte, um es wieder zu finden… Die Euphorie ihrer Höhenflüge und die Tristesse ihrer Abstürze spiegeln sich in ihren rauen und zarten, wilden und melancholischen, lauten und leisen Songs wieder. Gemeinsam mit anderen echten Männern an den Mikrofonen und den Instrumenten interpretiert Otto Beatus bekannte und unbekannte Musiknummern der Rolling Stones, The Kinks, The Troggs, The Who, The Yardbirds, von Bob Dylan und vielen anderen neu. Dabei ist er klug und erfahren genug, die Hilfe von Frauen in Anspruch zu nehmen und wird erneut unterstützt von Stefanie Dellmann und Mona Ulrich.

Text: Theater Oberhausen

Kai Weiner, Peter Waros, Eike Weinreich, Otto Beatus, Jürgen Sarkiss, Peter Engelhardt, Volker Kamp, Anja Schweitzer und Sergej Lubic;
Foto Axel J. Scherer

„Nowhere Man“ ist der Titel eines von John Lennon geschriebenen Songs der britischen Rockband The Beatles aus dem Jahr 1965. Paul McCartney schrieb später in seiner Biografie über die Entstehung des Songs, dass er von John erfahren habe, „Nowhere Man“ handle von ihm selbst, da er das Gefühl gehabt habe, ins Leere zu laufen. Doch was verbinde ich persönlich mit den 1960er Jahren? The Beatles, Elvis Presley, Roy Orbison mit seinem Song „Oh, Pretty Woman“ aus dem Jahr 1964, der 1990 zum Titelsong der amerikanischen Liebeskomödie „Pretty Woman“ wurde, „Hair“, The American Tribal Love/Rock Musical aus dem Jahr 1968, das die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg thematisiert, oder das 1969 von The Who veröffentlichte Album „Tommy“, das Des McAnuff 1993 am Broadway als Musical auf die Bühne brachte. Otto Beatus, seit 2004 Musikalischer Leiter am Theater Oberhausen, der Ende des Jahres in den Ruhestand tritt, verbindet in seiner persönlichen Songauswahl aber offensichtlich andere Erfahrungen mit den 1960er Jahren, die ihn geprägt haben, härter gespielte Rockmusik, Hard Rock, Psychedelic Rock, die mit den Beatles genau den einen titelgebenden Song gemein hat, und von der ich nicht einmal eine Handvoll Songs erkannt oder vorher jemals gehört habe. Eine Rahmenhandlung gibt es nicht, stattdessen einzelne Songs, die jeder für sich die zum Teil vergessenen Bands heraufbeschwören, teilweise unterstützt von Videoeinspielungen wie der Schlagzeile vom Tode John Lennons als „Death of a Hero“. Ruhigere Songs bilden eher die Ausnahme, wie beispielsweise der in einer Unplugged-Version von Jürgen Sarkiss präsentierte Song „It´s All Right, Ma (I´m Only Bleeding)“ von Bob Dylan, lediglich mit Klavier-, Gitarren- und Mundharmonikabegleitung. Und dann sind da noch die kurzen Zitate von Ernst Bloch (* 8. Juli 1885 in Ludwigshafen, † 4. August 1977 in Tübingen), Rudi Dutschke (* 7. März 1940 in Schönefeld bei Luckenwalde, † 24. Dezember 1979 in Aarhus, Dänemark), Gudrun Ensslin (* 15. August 1940 in Bartholomä, † 18. Oktober 1977 in Stuttgart) oder John Lennon (* 9. Oktober 1940 in Liverpool, England, † 8. Dezember 1980 in New York City, USA), die den Zeitgeist der 1960er Jahre wiederspiegeln (sollen).

Anja Schweitzer, Sergej Lubic, Jürgen Sarkiss, Eike Weinreich und Peter Waros; Foto Axel J. Scherer

Die fünf „Männer“ auf der Bühne (Sergej Lubic, Jürgen Sarkiss, Anja Schweitzer, Peter Waros und Eike Weinreich) geben zusammen mit den Musikern Otto Beatus (Klavier), Peter Engelhardt (Gitarre), Volker Kamp (Bass), Stefan Lammert (Schlagzeug) und Kai Weiner (Keyboard, Mundharmonika) ihr Bestes, um die Songs möglichst hart und authentisch klingen zu lassen. Doch insbesondere den letzten Punkt kann ich aus bereits erwähnten Gründen nicht wirklich kompetent einschätzen. Aber offensichtlich trifft Otto Beatus mit seiner Songauswahl den Geschmack des Publikums am Premierenabend, was der frenetische, beinahe nicht enden wollende Applaus eindrucksvoll unter Beweis stellt. Womit sich die Akteure auf der Bühne obendrein zu zwei Zugaben („Maggie´s Farm“ von Bob Dylan in einer Unplugged-Version und „My Generation“ von The Who) hinreißen lassen. Womöglich wird auch „Nowhere Men“ schon bald Kultstatus am Theater Oberhausen erlangen, weitere Vorstellungen stehen am 24. April, 2. und 28. Mai 2013 jeweils um 19.30 Uhr auf dem Spielplan. Den am Eingang nach DIN 15905-5 angebotenen Gehörschutz sollte man nicht zu sorglos ausschlagen, denn bereits Schalldruckpegel größer 85 dB(A) führen zu einer Hörstörung.

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