Musical Allstars 2012

Die ehemalige Musical-Gala zum Discountpreis

Zum vierten Mal in Folge veranstalte AB Records in der Grugahalle Essen am Samstag, 29. September 2012 „Musical Allstars“, und zum vierten Mal konnte die Halle, die bestuhlt über etwa 7.700 Plätze verfügt, bei weitem nicht gefüllt werden. Im Gegenteil, während zur Veranstaltung am 8. Oktober 2011 nach Angaben des Veranstalters 2.800 Besucher gekommen waren, war der Innenraum der Grugahalle nun mit Vorhängen nach eigener Zählung auf etwa 2.000 Plätze zugehängt worden, was einem Besucherrückgang um knapp 30% entspricht. Und um direkt noch ein wenig Statistik zu betreiben: Die ersten 23 (!) Reihen im nicht ansteigenden Parkett waren kurzerhand in die teurere Preiskategorie A (29,95 EUR) gegenüber dem früheren Einheitspreis von 19,95 EUR bei freier Platzwahl hochgestuft worden, diese Tickets wurden als Special Fan-Tickets bezeichnet. Die ersten 23 Reihen im Parkett machten allerdings mehr als die Hälfte der gesamten Sitzplatzkapazität aus, und welcher Fan etwa 30 Meter von der Bühne entfernt in Reihe 23 zu einem erhöhten Preis sitzen möchte, entzieht sich meiner Kenntnis. Den Ticketverkauf über den Haushaltswaren-Discounter KODi hatte man beibehalten, und da auf diesem Vertriebsweg keine Sitzplatzreservierung möglich ist, war auf den Eintrittskarten ein Einlass drei (!) Stunden vor Veranstaltungsbeginn angegeben. Leider hatte ich diesen Hinweis zu spät entdeckt, nämlich nachdem ich das Ticket bereits gekauft hatte. Andernfalls hätte mich ein Einlass drei Stunden vor Veranstaltungsbeginn sicher vom Kauf des Tickets abgehalten. Wann die Besucher, die in den ersten Reihen im Parkett saßen, tatsächlich gekommen sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich frage mich, wie der Betreiber der Grugahalle einem Veranstalter zum wiederholten Male eine Veranstaltungs-Organisation erlauben kann, bei der es aufgrund der freien Platzwahl zu chaotischen Verhältnissen kommt, bei denen Menschen gegen Wände und Türen gedrängt werden, dass es beinahe an ein Wunder grenzt, dass bisher niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Offensichtlich muss erst jemand zu Schaden kommen, damit solche Verhältnisse unterbunden werden. Ich habe das Gedränge beim Einlass dreimal selbst erlebt, spreche also aus Erfahrung, und bin genau aus diesem Grund diesmal erst zu fortgeschrittener Stunde in die Grugahalle gegangen. Zu der Zeit saßen bereits vereinzelt Besucher mit dicken Romanen in den Reihen, um sich die über Gebühr ausgedehnte Wartezeit bis zum Beginn der Veranstaltung zu vertreiben.


Grugahalle Essen

Von den sechs Gesangssolisten waren Andreas Bieber und Nigel Casey bereits bei „Musical Allstars“ am 7. Juni 2010 mit von der Partie, Roberta Valentini war bei den beiden letzten Veranstaltungen am 8. Januar 2011 und 8. Oktober 2011 auch schon dabei. Yngve Gasoy-Romdal dürfte dem Publikum im Rhein-Ruhrgebiet noch von seinem Engagement in „Disney´s Die Schöne und das Biest“ im Metronom Theater in Oberhausen ein Begriff sein. Patricia Meedens letzte Engagements im Rhein-Ruhrgebiet als Laura im Musical „Miami Nights“ und Gigi im gleichnamigen Musical am Düsseldorfer Theater an der Kö liegen schon eine Weile zurück, in Hamburg war sie als alternierende Deloris van Cartier im Musical „Sister Act – Ein himmlisches Musical“ engagiert, und Lucy Scherer hat in der Region bisher noch in keiner Musicalproduktion mitgewirkt, zuletzt stand sie als Ich im Musical „Rebecca“ auf der Bühne des Palladium Theaters in Stuttgart, seit Juli 2012 spielt sie in der deutschen Telenovela „Sturm der Liebe“ die Rolle der Marlene Schweitzer.

Somit standen drei Gesangssolisten auf der Bühne, die bisher noch nicht bei „Musical Allstars“ aufgetreten waren, was zumindest Hoffnung auf eine deutlich überarbeitete Songauswahl machte. Doch die Songauswahl bot gegenüber den ersten drei Veranstaltungen in der Grugahalle wenig Neues, die genaue Abfolge der einzelnen Songs – auch bei den Veranstaltungen am 7. Juni 2010, 8. Januar 2011 und 8. Oktober 2011 – kann den Setlisten entnommen werden. Eine Vorliebe für Andrew Lloyd Webber muss man sicher nicht mit einem identischen Block von Andrew Lloyd Webber-Songs bei jeder der vier Veranstaltungen manifestieren (diesmal fehlte lediglich „Nur ein Blick“ aus „Sunset Boulevard“ gegenüber den ersten drei Veranstaltungen), Andrew Lloyd Webbers Lebenswerk dürfte dann doch aus mehr bekannten Songs bestehen (u. a. 15 UK Top 10 Singles), und das Publikum würde eine Variation womöglich begrüßen und nicht mit Buhrufen und Pfiffen quittieren. Alle Gesangssolisten präsentierten ihre Songs zwar professionell, aber aufgrund der „Pflicht“ (O-Ton Veranstalter) waren auch Solisten in Partien zu hören, die für die entsprechenden Rollen doch eher nicht gecastet würden. Damit tut man den Solisten keinen Gefallen, die sich mit anderen Songs aus ihrem Repertoire bedeutend besser profilieren könnten.

Setlist des etwa 60-minütigen ersten Teils:
  1. Opening (Instrumental)
  2. Alle: „Lullaby of Broadway“ aus „42nd Street“
  3. Roberta Valentini: „Reise durch die Zeit“ aus „Anastasia“ (Zeichentrickfilm der 20th-Century-Fox-Studios)
  4. Patricia Meeden: „Das Farbenspiel des Winds“ aus „Pocahontas“ (Walt-Disney-Zeichentrickfilm)
  5. Yngve Gasoy-Romdal: „Dies ist die Stunde“ aus „Jekyll & Hyde“
  6. Andreas Bieber: „Wie vom Traum verführt“/„Schließt jede Tür“ aus „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“
  7. Lucy Scherer, Roberta Valentini: „Mrs. de Winter bin Ich!“ aus „Rebecca“
  8. Nigel Casey: „Crazy Little Thing Called Love“ aus „We Will Rock You“
  9. Lucy Scherer: „Be mine!“ von Robyn („Hand aufs Herz“)
  10. Patricia Meeden: „Somebody to love“ aus „We Will Rock You“
  11. Yngve Gasoy-Romdal, Roberta Valentini: „Wenn das wirklich Liebe ist“ aus „Bonifatius – Das Musical“
  12. Nigel Casey: „Sway“ von Pablo Beltrán Ruiz
  13. Patricia Meeden, Roberta Valentini: „Let me be your star“ aus „Smash“
  14. Andreas Bieber: „Pinball Wizard“ aus „The Who´s Tommy“
  15. „Ich war noch niemals in New York“-Medley: Alle: „Schöne Grüße aus der Hölle“/„Aber bitte mit Sahne“/„Ein ehrenwertes Haus“/„Siebzehn Jahr, blondes Haar“/„Vielen Dank für die Blumen“/„Ich war noch niemals in New York“/„Mit 66 Jahren“
Andreas Bieber, der 1996 selbst in der Titelrolle des Musicals „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ im Colosseum Theater in Essen auf der Bühne stand, wusste die Zuschauer auch diesmal mit einem Medley der beiden Songs „Wie vom Traum verführt“ und „Schließt jede Tür“ für sich einzunehmen, für die er nochmals in seinen bunten Träumer­mantel geschlüpft war. Neu im „Musical Allstars“-Repertoire war sein „Pinball Wizard“ aus „The Who´s Tommy“, Andreas Bieber stand ab 2. September 2001 selbst in der Titelrolle am Theater Dortmund auf der Bühne. Nigel Casey begab sich bei dem Mambo-Song „Sway“ von Pablo Beltrán Ruiz, dessen bekannteste Version Dean Martin 1954 aufgenommen hat und der auch von Michael Bublé auf seinem Debüt-Album gecovert wurde, auf die Suche nach einer Tanzpartnerin im Publikum, die er schließlich – sicher nicht ganz zufällig passend zu seinem Outfit ebenfalls schwarz-rot gekleidet – im Tribünen­block E fand, um mit ihr vor besagtem Tribünenblock eine kesse Sohle auf den Gang zu legen.

Setlist des etwa 70-minütigen zweiten Teils:
  1. Andreas Bieber: „Starlight Express“ aus „Starlight Express“
  2. Lucy Scherer: „Erinnerung“ aus „Cats“
  3. Yngve Gasoy-Romdal, Lucy Scherer: „The Phantom of the Opera“ aus „The Phantom of the Opera“
  4. Nigel Casey: „Song of the King (Seven Fat Cows)“ aus „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“
  5. Roberta Valentini: „Wein´ nicht um mich Argentinien“ aus „Evita“
  6. Nigel Casey, Backing Vocalists: Andreas Bieber, Roberta Valentini: „Superstar“ aus „Jesus Christ Superstar“
  7. Andreas Bieber: „Schau, was Liebe ändern kann“/Alle: „Love changes everything“ aus „Aspects of Love“
  8. Patricia Meeden: „Fabelhaft, Baby“ aus „Sister Act – Ein himmlisches Musical“
  9. Andreas Bieber: „Engel aus Kristall“ aus „3 Musketiere“
  10. Yngve Gasoy-Romdal: „When you´re smiling“ von Larry Shay, Mark Fisher und Joe Goodwin
  11. Roberta Valentini, Patricia Meeden: „Take me or leave me“ aus „Rent“
  12. Andreas Bieber: „Mister Zellophan“ aus „Chicago“
  13. Lucy Scherer: „Zuhause“ aus „Disney´s Die Schöne und das Biest“
  14. Nigel Casey: „Have you met Miss Jones“ aus „I´d Rather Be Right“/„Ain´t That a Kick in the Head?“ von Jimmy Van Heusen (Musik) und Sammy Cahn (Text)
  15. Patricia Meeden, Ensemble: „Zeig mir den Himmel“ aus „Sister Act – Ein himmlisches Musical“
  16. „Mamma Mia!“-Medley: Alle: „Mamma Mia“/„Money, Money, Money“/„Knowing Me, Knowing You“/„Dancing Queen“/„Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight)“/„Thank You for the Music“
  17. Zugabe: Alle: „Ich wollte nie erwachsen sein“ aus „Tabaluga & Lilli“
Nigel Casey wollte den Zuschauern bei dem Song „Starlight Express“ scheinbar beweisen, dass er das Rollschuhlaufen noch nicht verlernt hat, er hatte in Bochum die Rolle der Diesellok Greaseball von Paul Kribbe übernommen und fuhr nun auf Rollschuhen einmal über die Bühne. Yngve Gasoy-Romdal war im zweiten Teil mit dem Song „When you´re smiling“ von Larry Shay, Mark Fisher und Joe Goodwin zu hören, der bereits 1929 von Louis Armstrong interpretiert wurde, aber auch in der Folge „Once Upon a Mattress“ der amerikanischen Serie „Glee“ von Lea Michele (Rachel Berry) gesungen wurde. Andreas Bieber brachte die Zuschauer mit dem Song „Mister Zellophan“ durch deutliche Überzeichnung der Rolle des nicht beachteten Amos Heart bis ins Groteske zum Lachen.

Leider überwogen an diesem Abend für meinen Geschmack die negativen Eindrücke, so dass ich am Ende doch ein wenig enttäuscht auf die Veranstaltung zurückblicke. Schaue ich mir die öffentlichen Äußerungen anderer Besucher an, so scheine ich mit dieser Enttäuschung auch nicht allein dazustehen.

Waren Sie selbst bei der Veranstaltung? Wie hat Ihnen der Abend gefallen?